Duzende Unternehmen - Der Kunde als Kumpel

Es galt mal als unhöflich, jemandem einfach so das Du aufzudrücken. Inzwischen tun das selbst Banken und Telefongesellschaften. Der Kunde ist König? Das war einmal.

Mit Ikea fing das Geduze an / dpa, Antje Berghäuser
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Dass wildfremde Menschen einen einfach so duzen, kannte man in weiten Teilen Deutschlands lange Jahre nur bei Ikea und der SPD. Inzwischen schwappt die Duzwelle aus der Social-Media-Welt schier unaufhaltsam in das echte Leben. Ob Supermarktkette oder Telefongesellschaft: In den Marketingabteilungen redet man sich offenbar ein, als Unternehmen frischer, jünger und nahbarer zu wirken, wenn man seine (potenziellen) Kunden mit „Du“ anredet. Ob diese das wollen oder nicht.

Zum Glück klappt das nicht reibungslos. Die Kommunikationsprofis scheinen selbst ganz schön verwirrt zu sein. Zwei Beispiele, jüngst selbst erlebt und hier dokumentiert, zeugen vom großen Du-Rcheinander.

Mein neuer Freund: das „Vodafone-Team“

Bestellung eines Internet-Anschlusses bei Vodafone. In der ersten E-Mail begrüßt man mich höflich als neuen Kunden: „Herzlich willkommen bei Vodafone! Wir freuen uns, dass Sie sich für unser Angebot entschieden haben. Ihre Bestellung prüfen und bearbeiten wir so schnell wie möglich“, schreibt „Ihr Vodafone-Team“.

Keine zwei Stunden später kommt schon die nächste Nachricht. Irgendetwas muss in der Zwischenzeit geschehen sein. Denn das „Vodafone-Team“ und ich sind plötzlich beim „Du“. „Deine Kabel-Bestellung: Start-Hilfe für Dich“, lautet die Betreffzeile. Und so geht es dann weiter, dass einem fast warm ums Herz wird: „Schön, dass Du bei uns bist. Damit Du so schnell es geht Dein Internet nutzen kannst, gibt es das Start-Portal für Dich. Hier siehst Du z.B., wie Du Deinen Anschluss und Dein WLAN einrichtest. Und Du findest alle Infos rund um Deinen Wechsel zu uns.“

Bitte nicht antworten

Eigentlich war es ja mal so: Man redet jemanden nicht einfach so mit „Du“ an, sondern man bietet es ihm an. Und zwar der Ältere dem Jüngeren, der Chef dem Untergebenen, die Dame dem Herrn. Der Verkäufer dem Kunden? Eher ungewöhnlich.

In jedem Fall ist es möglich, dieses Angebot auszuschlagen. Daher wollte ich eigentlich auf die Duz-E-Mail von Vodafone antworten, dass es mir lieber wäre, wenn wir beim „Sie“ bleiben könnten. Nur das ging leider nicht. Denn: „Diese E-Mail wurde automatisch an Dich verschickt. Klick bitte nicht auf Antworten oder Reply in Deinem E-Mail-Programm.“ So viel zur neuen Nahbarkeit.

Wenn’s ums Geld geht

Gerade hatte mich an den Gedanken gewöhnt, dass das „Vodafone-Team“ nun zu meinem erweiterten Freundeskreis zählt, und mir gleichzeitig vorgenommen, gerade deshalb gut aufzupassen, was sie mir monatlich vom Konto abbuchen. Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Das sieht man bei Vodafone offenbar genauso. Denn kaum ging es ums Bezahlen, war es plötzlich wieder vorbei mit dem Geduze: 

„Vielen Dank für Ihre Bankverbindung. Sie möchten Ihr SEPA-Lastschriftmandat abspeichern? Klicken Sie hier. Freundliche Grüße Ihr Vodafone-Team“, hieß es nun. Ich wollte gerne darauf antworten, um meiner Verwirrung Ausdruck zu verleihen. Denn noch unhöflicher, als jemandem das „Du“ aufzudrängen, ist es, es ihm wieder zu entziehen, also zurück zum „Sie“ zu wechseln. Doch am Ende der E-Mail wieder der Hinweis: „Diese E-Mail wurde automatisch an Sie verschickt. Klicken Sie bitte nicht auf Antworten oder Reply in Ihrem E-Mail-Programm.“

Im System verankert 

Also wandte ich mich per Twitter an Vodafone: 

 

 

Mit enttäuschendem Ergebnis:

 

 

Nun habe ich wohl unwillentlich dazu beigetragen, dass die Verankerung des „Du“ im System voranschreitet, statt sie zu stoppen. Was soll man machen? Der Kunde ist Kumpel. Und vollkommen machtlos.

Noch schöner wurde es, als mir Vodafone richtige Post schickte, also auf Papier. Im Begleitschreiben zum neuen Router vollbrachten sie das Kunststück, mich gleichzeitig zu duzen und zu siezen. Hier das Beweisfoto: 

Die Bank und Du

Ein Kunststück, das nicht nur Vodafone beherrscht, sondern auch die Direktbank ING. Die Niederländer, auf Du und Du mit ihren Kunden, hatten dazu sogar mal einen Werbeslogan. Mit „Die Bank und Du“ wollten sie „die Nähe zum Kunden und den Umgang der Bank mit ihren Kunden auf Augenhöhe“ betonen. Wobei sie es sich dann doch nicht getraut haben, diese Nähe und Augenhöhe auch in ihrer schriftlichen Kommunikation zu betonen. Bei Bankgeschäften legen die meisten wohl doch noch Wert auf ein Mindestmaß an Seriosität.

Daher probiert es die ING nun mit einer merkwürdigen Mischform. Die Bank wechselt in ein und derselben E-Mail zwischen „Du“ und „Sie“:

     

 

Ikea siezt in Frankreich

Bei Ikea, den Erfindern des Kundengeduzes, geht es übrigens auch nicht so konsequent zu, wie man zunächst vermutet hätte. Während die Schweden ihren wikingerhaften Siegeszug durch die europäische Möbelhauslandschaft in Deutschland mit diesem harmlos klingenden Wohlfühlton begleitet haben, werden Ikea-Kunden in Frankreich nach wie vor höflich gesiezt:

So begrüßt Ikea seine Kunden in Frankreich: „Welch’ Freude, Sie zu sehen“ / dpa
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