Konjunkturprognose - Der Nach-Corona-Boom lässt auf sich warten

Wegen Lieferengpässen haben die Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr nach unten korrigiert. Erst im Sommer 2022 sollen sich die privaten Konsumausgaben wieder normalisieren.

Steigende Energiepreise und stockende Lieferketten bremsen die wirtschaftliche Erholung / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Die anhaltenden Lieferengpässe machen der deutschen Industrie zu schaffen. Ob fehlende Mikrochips, die mittlerweile in so gut wie allen Maschinen und Elektrogeräten stecken und nicht nur bei Autoherstellern die Produktion bremsen, oder kaum verfügbares Baumaterial: Zahlreiche Branchen sind von den durch die Pandemie ausgelösten Störungen in der weltweiten Logistikkette betroffen. Die Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts haben daher ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr nach unten korrigiert.

Der noch im Herbst vorausgesagte Nach-Corona-Boom in 2022 fällt laut der am Dienstag veröffentlichen Ifo-Analyse geringer aus, beziehungsweise verschiebt sich zeitlich nach hinten. Im Vergleich zur Herbst-Prognose haben die Wirtschaftsforscher den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts für das kommende Jahr um 1,4 Prozentpunkte gesenkt (auf jetzt 3,7 Prozent) und für das Jahr 2023 um 1,4 Prozentpunkte angehoben (2,9 Prozent). „Die Verschiebung der konjunkturellen Dynamik vom nächsten ins übernächste Jahr ist weitgehend der vierten Coronawelle und den Produktionsschwierigkeiten im Verarbeitenden Gewerbe geschuldet“, schreiben die Münchner zur Erklärung.

Privathaushalte haben Geld angespart

Neben den Lieferengpässen bei Vorprodukten aus dem Ausland spielt auch der private Konsum eine wichtige Rolle. Während der teilweise massiven Einschränkungen in der Corona-Pandemie haben die Deutschen eine Menge Geld angespart – weil sie es etwa für Urlaube, Restaurant- oder Friseurbesuche schlicht nicht ausgeben konnten oder weil sie es aus Angst vor der weiteren Entwicklung nicht ausgeben wollten. 

Die Ifo-Forscher rechnen damit, dass es erst im Sommer 2022 „zu einer kräftigen Erholung und einer Normalisierung der privaten Konsumausgaben kommen“ wird. „Auch bei den Lieferengpässen und den damit einhergehenden Produktionsbehinderungen wird unterstellt, dass diese sich erst im Frühjahr des kommenden Jahres allmählich auflösen“, erläutern sie eine weitere Annahme, die ihrer Wachstumsprognose zugrunde liegt.

Wirtschaft steht in den Startlöchern

Anlass für Pessimismus bietet die nach unten korrigierte Voraussage nicht. Denn ein erwartetes Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent ist immer noch eine gute Botschaft. Die deutsche Wirtschaft kam insgesamt gut durch die Coronakrise und steht in den Startlöchern für einen Aufschwung nach der vierten Pandemie-Welle. Hinzu kommt, dass etliche Unternehmen große Investitionen in Digitalisierung und Dekarbonisierung planen. 

Wenn es der neuen Ampel-Koalition gelingt, die richtigen Leitplanken zu setzen, um den angestrebten Industrieumbau zum Wohle des Weltklimas so wie versprochen wachstums- statt verzichtsorientiert zu gestalten, wird dadurch wirtschaftliche Dynamik entstehen. Dringend notwendig ist dazu aber eine Abkehr von der bisherigen Energiewende-Ideologie, die von wachstumsfeindlichen Askese- und Buße-Gedanken geprägt ist. Stattdessen sind Technologieoffenheit und Exportstrategie gefragt. Denn dem Weltklima ist es ziemlich egal, wie viele Windräder im eher windarmen Deutschland aufgestellt werden. Viel entscheidender ist, dass deutsche Technologie weltweit beim CO2-Sparen helfen kann.

Habeck muss Abwanderung der Industrie verhindern

Die meisten Industrie-Mittelständler sind längst zu global operierenden Konzernen geworden. Vom heimischen Stammsitz aus, dem sie sich oft mehr aus Tradition statt aus ökonomischer Vernunft verbunden fühlen, steuern sie ein Netz aus Produktionsstätten und Vertriebsniederlassungen auf allerlei Kontinenten. Wichtigstes Anliegen der deutschen Wirtschaftspolitik muss es sein, diese Unternehmen zu halten und ihnen weiteres Wachstum zu ermöglichen.

Das grüne Wirtschaftswunder wird ausbleiben, wenn die Transformation zur „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ (so der Koalitionsvertrag) mit einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands einhergeht. Steigende Energiekosten bei zunehmend unsicherer Versorgungslage sind ein schwerwiegender Standortnachteil. Wenn Grünen-Chef und Superminister Robert Habeck sich nicht nur um Klimaschutz sondern auch um die Wirtschaft kümmern will, wird er sich etwas einfallen lassen müssen.

Inflationsrate steigt weiter 

Auch für Verbraucher sind die explodierenden Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise eine Belastung. Sie sind Haupttreiber der Inflation. „Im Durchschnitt des laufenden Jahres dürften sich die Energiepreise um 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verteuern“, schreibt das Ifo-Institut in seiner aktuellen Analyse. „Bei den sonstigen Waren dürften die Kostensteigerungen bei Vorleistungen im Zuge der Lieferengpässe ein wichtiger Preistreiber sein, welche die Produzenten offenbar vermehrt an die Konsumenten weitergeben.“ 

Für das kommende Jahr erwarten die Ifo-Ökonomen weiter steigende Inflationsraten. Die Preissteigerung werde zunächst noch einmal auf 3,3 Prozent zunehmen, erwarten sie, „wobei die Kernrate bei 2,7 Prozent und die Verteuerung der Energiepreise bei 8,4 Prozent liegen dürfte.“ Danach sollte sie sich wieder moderater entwickeln und „im Jahr 2023 dann auf 1,8 Prozent zurückgehen (Kernrate: 1,7 Prozent, Energiekomponente: 3,0 Prozent).“

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