Studie aus den USA - Mindestens acht deutsche Kernkraftwerke könnten gerettet werden

International renommierte Kerntechnikexperten haben sich detailliert mit der Atomkraft in Deutschland beschäftigt. Ihr Ergebnis: Für eine Reaktivierung der stillgelegten Reaktoren ist es noch nicht zu spät. Größte Hürde ist der politische Wille.

Abklingbecken des AKW Neckarwestheim 2 / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Auch wenn die Ampelkoalition das Thema gerne vom Tisch hätte: Der deutsche Atomausstieg beschäftigt nach wie vor die (Fach-)Öffentlichkeit. Und das vor allem außerhalb Deutschlands. Denn in Europa kann kaum jemand nachvollziehen, weshalb die Bundesregierung trotz Energiekrise und ehrgeizigen Klimaschutzzielen am einst beschlossenen Ende der Kernkraft festhält und stattdessen lieber alte Kohlekraftwerke reaktiviert.

Das US-amerikanische Beratungsunternehmen Radiant Energy Group, gegründet und geführt von dem Kerntechniker Mark Nelson, hat sich die Lage genau angesehen. Nelson sprach unter dem Siegel der Vertraulichkeit mit Vorstandsmitgliedern und leitenden Mitarbeiter von Betreibergesellschaften und Kerntechnikunternehmen in Deutschland. Er wollte herausfinden, welche technischen, rechtlichen und politischen Hürden es gibt, um die stillgelegten Atomkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen.

AKW-Betreiber äußerten sich anonym

„Die Beteiligten machten, unter der Bedingung der Wahrung ihrer Anonymität, detaillierte Angaben zu den Herausforderungen beim Wiederanfahren der angesprochenen Kernkraftwerke“, schreiben Nelson und sein Co-Autor in ihrer frisch veröffentlichten Studie. Ihr Ergebnis ist überraschend und entlarvt die in der innerdeutschen Debatte dominierenden Verhinderungsargumente als vorgeschoben: „Die Rücknahme des deutschen Atomausstiegs wird von der Öffentlichkeit unterstützt, lohnt sich wirtschaftlich und ist technisch machbar.“

Im günstigsten Fall würden nur neun Monate benötigt, um viele der Reaktoren wieder anzufahren. „In unserem realistisch machbaren Best-Case-Szenario könnten sechs Reaktoren innerhalb von neun bis zwölf Monaten und zwei weitere Reaktoren innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder in Betrieb genommen werden“, so die Experten.

 

 

Ihre Studie ist auf der Internetseite der Radiant Energy Group in Englisch veröffentlicht, eine deutsche Übersetzung gibt es als PDF zum Herunterladen.

Sogar mehr als acht Reaktoren könnten gerettet werden

Insgesamt gebe es in Deutschland mindestens acht Kernreaktoren, bei denen mit dem Rückbau entscheidender Komponenten im Reaktorgebäude noch nicht begonnen wurde. Diese Reaktoren hätten das größte Potenzial für eine Wiederinbetriebnahme, heißt es in der Studie. „Zusammen besitzen diese Reaktoren eine elektrische Nettoleistung von insgesamt 10,7 Gigawatt, das entspricht circa 30 Prozent des deutschen Mindest- beziehungsweise Grundlaststrombedarfs von 35 Gigawatt.“

Bei weiteren Reaktoren, deren Rückbau weiter fortgeschritten ist, sei eine Wiederinbetriebnahme zwar schwieriger. Die Autoren empfehlen dennoch „dringend, die weitere Zerstörung auch dieser Anlagen zu stoppen“. Denn sie blieben „gute Kandidaten für eine zukünftige Instandsetzung, sollten sich die politischen Verhältnisse in Deutschland ändern.“

In hervorragendem technischen Zustand

Die international tätigen Kerntechnikexperten loben den hervorragenden Zustand der stillgelegten deutschen Kernkraftwerke, die jünger als andere Reaktoren seien, deren Laufzeit derzeit weltweit verlängert wird. Und sie betonen: „Deutschland betrieb einst eine der größten Kernkraftwerksflotten der Welt. Das Land war auch weltweit ein führender Anbieter von Reaktoren und nuklearen Dienstleistungen.“ 

Bei der Lektüre der nüchtern geschriebenen Bestandsaufnahme wird klar: Das größte Hindernis einer Wiederinbetriebnahme der deutschen Kernkraftwerke ist der fehlende politische Wille. Es sind vor allem die Grünen, die sich bewegen müssten. Nach dem Vorbild ihrer Parteifreunde in Finnland, die Kernkraft aus Klimaschutzgründen befürworten.

Rückbaustopp bis zur nächsten Bundestagswahl

Doch bis auf wenige Ausnahmen – wie etwa der Grünen-„Vordenker“ Ralf Fücks, der durch den Ukrainekrieg zum Umdenken gebracht wurde und nun den deutschen Atomausstieg als nationalen Alleingang kritisiert – schafft es die angebliche Klimaschutzpartei nicht, sich von ihrer Anti-Atom-Vergangenheit zu lösen.

 

 

Wichtig wäre daher nun ein AKW-Rückbaustopp, den der Bundestag auch ohne Grünen-Stimmen beschließen kann, damit bis zur nächsten Bundestagswahl gerettet werden kann, was noch zu retten ist.

 

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