Karneval ohne Kostümbedarf - Der Maskierer in der Krise

Wegen der Corona-Pandemie gibt es in dieser Saison Karneval ohne Kostümbedarf. Wie kommt damit die Firma Deiters klar? Vor 20 Jahren hatte Herbert Geiss das Geschäft übernommen und machte aus einem Großhandel für Kirmesbedarf ein Verkleidungsgeschäft mit 31 Standorten.

König der Kostümhändler: Herbert Geiss / Oliver Tjaden
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Lars-Thorben Niggehoff ist freier Wirtschaftsjournalist aus Köln.

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Für Herbert Geiss wird der 15. Februar der schwerste Tag der Karnevalssession. „Das ist Rosenmontag, für uns Kölner der größte Feiertag des Jahres“, sagt er. 2021 wird es keine Party geben, keinen bunten Zug, vielleicht öffnen nicht mal die Kneipen, um feierfreudige Jecken mit Kölsch zu versorgen.

Geiss ist nicht nur als begeisterter Karnevalist getroffen. Für ihn hat die faktische Absage der jecken Tage auch wirtschaftliche Konsequenzen. Der 38-Jährige leitet in vierter Generation die Deiters GmbH, einen der größten Verkleidungshändler Deutschlands. Die Firmenzentrale in Frechen vor den Toren Kölns bietet 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche, nach Firmenangaben ist es das „größte Karnevalskaufhaus der Welt“. 2020 waren diese 5000 Quadratmeter aber überwiegend leer – aus Mangel an Verkleidungsanlässen. Und 2021 sieht nicht besser aus. Kann Deiters ein Jahr ohne Karneval überleben? 

Karneval als Wirtschaftsfaktor

Der Rest Deutschlands akzeptiert, dass die Menschen im Rheinland einmal im Jahr der Ekstase verfallen. Sie tun es ab als kollektive Wunderlichkeit tief im Westen. Doch Karneval ist nicht nur Spaß, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allein Kölner Unternehmen beschert er pro Session über eine halbe Milliarde Euro Umsatz pro Jahr. Davon profitiert auch die Kostümbranche: Laut einer Studie der Rheinischen Fachhochschule und der Boston Consulting Group gehen jährlich 1,6 Millionen Verkleidungen über die Ladentheken.

Der König der Kostümhändler ist Herbert Geiss, Cousin des TV-Darstellers und Unternehmers Robert Geiss. Seit fast 20 Jahren leitet er den Familienbetrieb Deiters, benannt nach dem Gründer Josef Deiters. Bereits als 20-Jähriger kaufte er seinem Onkel die Firmenanteile ab. Damals war das Geschäft noch nicht auf Kostüme ausgerichtet. Man habe Kirmesbedarf vertrieben, „klassischer Großhandel“, sagt er. „Aber beim Geschäft mit anderen Firmen haben sie immer ewig lange Zahlungsziele, das war auf Dauer für uns nicht tragbar“, erinnert er sich. Also stellte er das Geschäft auf Endkunden um, auf Kostüme. Mit Erfolg: „Seitdem haben wir stetig expandiert, zu Beginn jedes Jahres ein neues Geschäft eröffnet. Später kamen sogar noch schneller noch mehr Filialen dazu, auch weit über die Rheinlandgrenzen hinaus.“

Die jecke Zeit ist unverzichtbar

Deiters hat heute 31 Standorte – auch in Berlin ist man dabei. „Dort gibt es zwar keine Karnevalskultur, dafür wird dort viel Halloween gefeiert“, sagt Geiss. Man habe es geschafft, dass man nicht mehr ausschließlich vom Karneval abhängig sei. Andere Verkleidungsgelegenheiten spielen auch eine Rolle, wie eben Halloween, aber auch Junggesellenabschiede, Motto- und Abi-Partys oder das Oktoberfest. Im 2019 beendeten Geschäftsjahr erzielte Deiters ein Rohergebnis von über 20 Millionen Euro und einen Jahresüberschuss von mehr als einer Million Euro.

Aber die jecke Zeit macht immer noch 65 Prozent des Geschäfts von Deiters aus. Insofern war Geiss froh, dass der Karneval 2020 noch weitestgehend normal über die Bühne ging. „Der Lockdown danach, im März und April, hat uns nicht so hart getroffen, das sind nicht die wichtigsten Monate für uns“, sagt er. Damals glaubten er und seine Mitarbeiter auch noch an ein Oktoberfest und an ein Karnevalsfest im Folgejahr. „Erst nach und nach wurde uns klar, wie schwer uns Corona wirklich trifft.“ Das Geschäftsjahr sei ins Wasser gefallen, Umsatz habe man kaum gemacht. An Halloween sei ein bisschen was eingegangen, aber mittlerweile habe sich selbst die Hoffnung auf die eine oder andere private Karnevals­party im kleinen Rahmen zerschlagen, die Menschen vielleicht dazu gebracht hätte, ein Kostüm zu kaufen. „Aber das kann man mit den Kontaktbeschränkungen jetzt auch vergessen.“

Aktuell schiebt Geiss unter anderem eine Spendenaktion an, um durch die Absagen betroffene Künstler, Helfer und Bühnentechniker zu unterstützen. „Es ist auch wichtig, dass aus der Entwöhnung keine Gewöhnung an ein Köln ohne Karneval wird“, sagt er. Denn noch ein Sessionsausfall würde auch Deiters hart treffen. „Die Ausfälle aus dem vergangenen Jahr konnten wir schultern, dadurch geraten wir nicht in Schieflage“, sagt er. Aber mehrere Jahre am Stück könne auch Deiters Karnevals­ausfälle nicht verkraften. Insofern setzt Geiss nun alle Hoffnung auf die Impfkampagne, damit dieses Jahr am 11. November wieder kostümiert gefeiert wird.
 

Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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