Greenpeace - Der Absturz

Greenpeace profitiert vom Klimaschutz-Boom: Die Spendeneinnahmen kletterten in Deutschland auf 80 Millionen Euro im Jahr. Doch nach einer spektakulär gescheiterten Protestaktion bangen die Umweltschützer um ihr Geschäftsmodell.

Bruchlandung während der Fußball-EM: Die Strafermittlungen gegen den Greenpeace-Piloten laufen noch / Jens Gyarmaty
Anzeige

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Anzeige

„Ein Verrückter.“ Das ist das Erste, was dem Fußballreporter einfällt, der das EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich kommentiert. Das Spiel ist noch nicht angepfiffen, da schwebt ein Mann mit einem Motorgleitschirm über dem Stadion. Er verfängt sich im Blitzableiter, verliert die Kon­trolle. Für einen Moment sieht es aus, als stürze er über der Tribüne ab. Dann kriegt er die Kurve, landet auf dem Spielfeld. In seinem Gesicht steht die nackte Angst. „Eine Aktion von Greenpeace“, erklärt der Kommentator. 

Greenpeace ist die größte und einflussreichste Umweltorganisation der Welt. Ihr Name steht für den Kampf gegen Naturzerstörung. Bilder begründen ihren Siegeszug: Schlauchboote gegen Walfangschiffe, Menschen auf himmelhohen Schornsteinen, „Abschalten!“-Banner auf Atomreaktoren. Eine Ikonografie des Widerstands.

PR-Gau

Ein abgestürzter Gleitschirmpilot, dieses Bild passt nicht in die Ahnengalerie. Dramatische Zwischenfälle hatte es zwar auch schon bei früheren Greenpeace-Aktionen gegeben. 1985 starb ein Fotograf bei der Explosion der Rainbow Warrior, nachdem der französische Geheimdienst Sprengsätze am Schiffsrumpf angebracht hatte. Und wie oft wurden Aktivisten vom Werkschutz verprügelt, wenn sie für ihre Aktionen auf Fabrikgelände eindrangen. Aber Bilder davon gab es nie. 

Das Video aus der Münchner Allianz-Arena war ein PR-Gau. Der bislang schlimmste in der 40-jährigen Geschichte der Organisation. Das Echo in den sozialen Medien war verheerend. Die Aktion sei waghalsig, verantwortungslos und gemeingefährlich, kritisierten Menschen. Viele drohten damit, ihre Fördermitgliedschaft zu kündigen. Der CDU-Politiker Friedrich Merz forderte sogar, das Finanzamt solle überprüfen, ob dem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden müsse.

Aktivismus am Limit

Zwei Menschen wurden bei dem Unglück verletzt, einer davon schwer. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn der Pilot über der Tribüne abgestürzt wäre und eine Massenpanik ausgelöst hätte. Zwar beeilte sich Greenpeace mit einer Entschuldigung. Die Steuerung des Fluggeräts habe versagt, deshalb habe der Pilot notlanden müssen, sagte der Campaigner Benjamin Stephan. Der Aktivist hätte einen Ballon auf das Spielfeld schweben lassen sollen mit der Botschaft „Kick out Oil“ und dem ölverschmierten Logo des Autoherstellers VW. 

%paywall%

Schon die letzte Aktion gegen Volkswagen hatte einen Sturm der Entrüstung entfacht. Auf einem Hafengelände in Emden hatten Aktivisten die Schlüssel von 1500 Neuwagen entwendet und auf die Zugspitze gebracht. Dort, so das Kalkül, sollte sie VW-Chef Herbert Diess abholen. Stattdessen kam die Polizei. Geschätzter Schaden: 250 000 Euro. Wer legitimiert solche Aktionen? Wie weit darf der Kampf gegen den Klimawandel gehen? Ist der Wettbewerb um Spenden und Bilder so hart geworden, dass es Greenpeace jetzt schon in Kauf nimmt, Menschenleben zu gefährden? 

Kai aus Pforzheim

Pforzheim, eine Stadt am Nordrand des Schwarzwalds. Hier lebt Kai, der Bruchpilot aus der Allianz-Arena. Unfallchirurg, zwei Kinder, passionierter Motorsegler. Er fährt einen alten VW Polo mit Verbrennungsmotor. Das hatte Bild nach dem Absturz in der Allianz-Arena enthüllt. Der Mann, der sich selbst und andere in Lebensgefahr gebracht hat, um Volkswagen als Klimasünder an den Pranger zu stellen, schert sich im eigenen Alltag offenbar wenig um CO2-Emissionen. 

Kai von S. möchte darüber nicht sprechen. Wir treffen ihn auf einem Hügel, wo er mit seiner Familie in der alten Villa seiner Eltern lebt – der Vater Psychotherapeut, die Mutter Lehrerin und Mitglied bei den Grünen. Er habe viel zu tun, nuschelt er im Vorübergehen, zwei Hunde an der Leine. Ein unrasierter Typ in einem T-Shirt, wie es Männer am Vatertag gerne als Kampfmontur tragen: „Bier rein, Bier raus“ steht darauf. Ein Pfeil zeigt nach oben, einer nach unten. Von S. wirkt verstört. Und er humpelt. Bei dem Sturz in der Arena hat er sich den rechten Fuß verstaucht.

Greenpeace sagt Interview ab

Familie von S. ist in Pforzheim dafür bekannt, dass sie sich sozial engagiert. Seit dem Absturz des Sohnes habe sie sich aber komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, sagt ein Nachbar, der die Eltern schon lange kennt, weil die Kinder zusammen die Waldorfschule besucht haben. Der VW Polo sei peinlich, aber man müsse das verstehen. Der Kai habe zwei Kinder, aber keinen Job. „Er kann sich kein Elektroauto leisten.“ Überhaupt tue ihm der Mann leid. „Ich weiß nicht, ob der naiv war, oder ob er für eine Ideologie missbraucht wurde.“ Der Täter, ein Opfer? Für die Polizei ist Kai von S. kein Unbekannter. 2012 wollte er mit einem motorisierten Gleitschirm über den Hochsicherheitsbereich des französischen Atomkraftwerks Bugey bei Lyon fliegen. Auch damals musste er notlanden. Einer der Flügel hatte sich unter dem heißen Wasserdampf aus dem Reaktor aufgeklappt. Kai von S. bekam sechs Monate Haft auf Bewährung. Auch wegen der Rauchbomben, die er gegen das Kraftwerk geworfen hatte.

Wir hätten die beiden Greenpeace-Chefs Roland Hipp und Martin Kaiser gerne gefragt, wie viel Geld Greenpeace dem Piloten für den Flug gezahlt hat. Und ob den Machern der Kampagne bewusst war, welches Risiko sie eingingen. Doch ein bereits zugesagtes Interview mit Cicero sagt Greenpeace wieder ab. Man arbeite nicht mit Medien zusammen, die „Bild-Zeitungs-ähnliche Recherche-Methoden“ anwenden, sagt ein Sprecher. Es fällt der Begriff „Stalking“. Gemeint sind unsere Gespräche in Pforzheim. 

„Dämliches“ Verhalten

Es ist ein merkwürdiges Verständnis von Pressefreiheit, das sich da offenbart. Ein Mann gefährdet das Leben von 14 500 Zuschauern bei einem Fußball-Länderspiel. Die Polizei hat inzwischen neben seiner Wohnung auch Büroräume von Greenpeace in Berlin durchsucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Gefährdung des Luftverkehrs, Hausfriedensbruchs und fahrlässiger Körperverletzung. Im schlimmsten Fall drohen dem Piloten drei Jahre Gefängnis. Die Aktion wurde mit Spenden von Fördermitgliedern finanziert. Und dazu will sich die Greenpeace-Pressestelle nicht äußern? 

Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbands, nennt dieses Verhalten „dämlich“. Transparenz sei der Schlüssel für professionelles Krisenmanagement, sagt er. Nur so könne der Verein das verloren gegangene Vertrauen in seine Arbeit wiederherstellen. Andernfalls müsse man sich fragen: Hat Greenpeace etwas zu verbergen?

Erstmal ruhig angehen

Die Nerven in der Hamburger Deutschland-Zentrale liegen jedenfalls blank. Bislang segelte der Verein auf Erfolgskurs. Fridays for Future hat das Thema Klimawandel nach vorne gebracht. Davon haben auch etablierte Umweltschutzorganisationen profitiert. Die Spenden für Greenpeace stiegen im vergangenen Jahr auf 80 Millionen Euro, ein Plus von neun Millionen Euro. Die Zahl der Fördermitglieder erhöhte sich auf 630 000 (2019: 608 000). Im laufenden Jahr könnte es nach den beiden verunglückten VW-Aktionen jedoch schwieriger werden.

In einem internen Schreiben der Zentrale an alle 100 Ortsgruppen heißt es, man solle innerhalb der nächsten drei Monate von konfrontativen Aktionen absehen. Die Drohungen von Mitgliedern, der Organisation den Rücken zu kehren, sind offenbar nicht ungehört verhallt. So erzählt es Ralf Kaminsky, ein jung gebliebener Rentner, der im Greenpeace-T-Shirt in der Fußgängerzone von Pforzheim mit einer Handvoll Mitstreiter steht. Er leitet die Ortsgruppe. „Wohin geht die Reise?“ steht auf einem seiner Plakate. Es geht an diesem Sommersamstag um klimaneutrales Reisen, doch dieselbe Frage schwebt auch über der Greenpeace-Zentrale.

Schlechte Bewertungen

Es ist ein roter Kasten in der Hamburger Hafen-City. Drei mächtige Windräder thronen auf dem Dach. Symbole einer Zeit, die auf regenerative Energie und Nachhaltigkeit setzt. Als Empfangstresen dient die Schiffsbrücke der MS Beluga. Es war das erste Schiff, mit dem deutsche Rainbow Warrior für sauberere Flüsse kämpften. Dass man heute im Rhein oder in der Elbe wieder baden kann, ist auch ihr Verdienst. Wie oft haben Greenpeace-Aktivisten Abwasserrohre von Industriebetrieben verstopft, wie oft sind sie ins Wasser gesprungen, um die Verklappung von Schlacke oder Dünnsäure zu verhindern?

380 Mitarbeiter beschäftigt Greenpeace in der Deutschlandzentrale, fast doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. Bei Bewertungen auf Jobportalen kommt die Umweltschutzorganisation als Arbeitgeber nicht gut weg. Gelobt werden zwar „flexible Arbeitszeiten“, „ein Diensthandy“ und „Hund erlaubt“. Kritisiert werden nicht nur die Arbeitsatmosphäre („mehr Gegeneinander als Miteinander“) und Kommunikation („kaum Transparenz, schlechter Informationsfluss von Geschäftsführung zu Mitarbeitern“), sondern auch das Umwelt- und Sozialbewusstsein: „Viele Mitarbeiter fahren Auto, rauchen und essen Fleisch.“ Aus dem Umfeld des Vereins heißt es, eine Reihe von Mitarbeitern hätte Greenpeace schon verklagt.

„Uninformierter“ Chef

Anruf bei Unnolf Harder. Er ist der Personalchef von Greenpeace Deutschland. Statt von Gerichtsprozessen spricht er lieber von „Güteterminen“. Er sagt, vor zwei Jahren habe man die Zentrale umstrukturiert. Einige Mitarbeiter hätten die NGO daraufhin „in Unfrieden“ verlassen. Neue Abteilungen, die sich für ein Verbot von Waffenexporten („Friedensteam“) und für mehr Nachhaltigkeit in der Schulbildung („Bildungsteam“) einsetzen; mehr Personal für die Betreuung der Social-Media-Kanäle und digitale Kampagnen; „flachere Hierarchien“ und mehr Entscheidungsfreiheit für die einzelnen Teams. „Unsere Kampagnen werden immer komplexer, deshalb müssen die Teams eigenverantwortlicher werden.“

Wohin das führen kann, hat das Desaster in München gezeigt. Nicht einmal Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser will von der Aktion gewusst haben. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagt er, er habe davon erst erfahren, als er sich das EM-Spiel angeschaut habe. Er sei schockiert gewesen. Der Chef einer Organisation, der, ooops, angeblich nicht weiß, was seine eigenen Mitarbeiter planen? Der Interviews abblockt, um keine Verantwortung für Pannen übernehmen zu müssen? Wäre Greenpeace ein Unternehmen, dann hätten Aktionäre längst seinen Rücktritt gefordert. 

VW als leichtes Ziel

Bei Volkswagen in Wolfsburg ist man nicht gut auf die Hamburger zu sprechen. Die Marke ist hierzulande Marktführer bei Neuwagen. Jedes fünfte neu zugelassene Auto ist ein VW, mit den Schwestern Skoda, Seat und Audi kommt der Konzern sogar auf mehr als 30 Prozent. Fragt man Unternehmenssprecher Nicolai Laude, warum Greenpeace ausgerechnet VW zur Zielscheibe für seine Kampagne gegen Verbrennermotoren gemacht hat, muss er nicht lange überlegen: „Der Konzern bietet die größte Projektionsfläche.“ 

EM-Sponsor, Marktführer, Angeklagter im sogenannten Diesel-Skandal. Ein Klick, und die meisten Verbraucher hätten ein Bild vor Augen. Laude sagt: „Greenpeace geht es natürlich auch um Aufmerksamkeit.“ Dabei wisse die Organisation um die Herausforderungen bei der Transformation des Autoherstellers. Mitglieder der Greenpeace-Geschäftsführung treffen sich regelmäßig mit den VW-Bossen.

Unverständnis bei VW

Man sei „in einem konstruktiven Dialog“, heißt es in Wolfsburg. Die Umweltschützer wüssten auch, dass man die Werke nicht von heute auf morgen umrüsten könne. Die Märkte müssten das auch hergeben. Und in einem Land wie Polen, das 80 Prozent seines Stromes aus der Kohleverbrennung gewinne, mache es derzeit leider wenig Sinn, auf Elektroautos zu setzen. Die Marke VW hat sich trotzdem ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2030 sollen 70 Prozent ihrer neuen Autos mit Strom fahren.

Umso irritierter hat Volkswagen auf die jüngsten Aktionen reagiert. Von erschreckenden Wissenslücken bei den Campaignern ist die Rede. Und davon, dass die eine Hand in der Deutschland-Zentrale offenbar nicht wisse, was die andere tue. In Wolfsburg fragt man sich, ob dieses Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit zur Strategie der Greenpeace-Chefs gehöre.

Gemeinnützig oder nicht?

Auch in der Politik verfolgt man die Entwicklung mit Skepsis. Die von Unionspolitikern geforderte Aberkennung der Gemeinnützigkeit trifft den Verein mit Lobbybüros in Berlin und Brüssel an seiner empfindlichsten Stelle. Denn er finanziert seine Arbeit zu 90 Prozent durch Spenden. Diese konnten bislang, da gemeinnützig, von der Steuer abgesetzt werden. Würde der Verein diesen Status verlieren, würden nicht nur Spenden einbrechen: Er müsste rückwirkend Steuern in Millionenhöhe nachzahlen. Dieses Damoklesschwert schwebte 2003 schon einmal über Greenpeace. Weil deren Aktivisten ein Binnenschiff mit Urwaldholzimporten besetzt und Kohle vor die Nebeneingänge des Bundeswirtschaftsministeriums geschüttet hatten, hatte der Verein fast ein Jahr lang die Betriebsprüfer im Haus. „Wir waren damals mit den Nerven am Ende“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Ob Greenpeace die Gemeinnützigkeit verliert, bestimmen aber nicht die Politiker. „Es ist ein Steuerprivileg, über das die Finanzverwaltung entscheidet“, sagt der Jurist Sebastian Unger. Der globalisierungskritischen Initiative Attac wurde die Gemeinnützigkeit 2014 aberkannt. Es hieß, sie verfolge mit ihren Kampagnen eine klare politische Stoßrichtung. Ein Verstoß gegen die Abgabenordnung. Die regelt, welche Zwecke als gemeinnützig gelten, etwa die Förderung des Umweltschutzes. „Politik darf aber nicht zur Hauptsache werden“, sagt Unger. Sich politisch für ein Thema einzusetzen, das nicht als gemeinnützig anerkannt werde, verstoße gegen das Recht. Attac zog gegen den Entzug seiner Gemeinnützigkeit bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Eine schlechte Entwicklung

Dessen Entscheidung wird in den nächsten Monaten erwartet und könnte auch für Greenpeace wichtig werden. Denn immer häufiger mischen sich die Rainbow Warriors in politische Debatten ein. Gerade haben sie die „31 schlimmsten Klimabremser der Großen Koalition“ auf Twitter nach dem Vorbild der Stern-Aktion „Wir haben abgetrieben“ mit Foto und Namen abgebildet. „Wie tiefstes Mittelalter“, beschwerte sich der CDU-Politiker Thomas Bareiß, der auch zu den Beschuldigten gehört. „Heutzutage ist es der digitale Pranger.“ 

Befördern solche Aktionen den Klimaschutz? Oder führen sie eher zur politischen Spaltung? Gerhard Wallmeyer, 70, ergrauter Seebär im marineblauen Sakko über einer Outdoorhose, verfolgt den neuen Kurs mit Unbehagen. Er sagt: „Die Aktivisten gebärden sich immer mehr wie Influencer. Sie glauben, sie könnten die Welt vom Laptop aus retten.“ Wallmeyer ist einer der fünf Mitbegründer von Greenpeace Deutschland. Bis er 2016 in Rente ging, hat er eine der wichtigsten Abteilungen im Haus geleitet: das Fundraising. Ein Mann, der Spendenbriefe verschickte. Der aber auch ins Wasser sprang, um Schiffe zu stoppen, die Schlacke im Atlantik verklappten. Er sagt: „Ein Moment von Abenteuer war immer dabei.“

Greenpeace in der Sackgasse

Jetzt sitzt er im Hafen von Hamburg-Harburg, unter dem Dach der ehemaligen Fischhalle, die ein Freund zum Veranstaltungszentrum umgebaut hat. Sein Blick fällt auf ein Schulsegelschiff, das corona­bedingt vor Anker liegt. Möwen kreischen, Regen prasselt aufs Dach. Wallmeyer seufzt. Er sagt: „Wäre ich heute noch mal jung, würde ich mich für Fridays for Future engagieren.“ Die Bewegung sei zwar etwas naiv, aber sie erreiche mehr Menschen als Greenpeace. Die Rainbow Warriors müssten sich entscheiden, wer sie seien: Lobbyisten für den Umweltschutz – oder überzeugende Aktivisten.

Doch wie wollen sie Aufmerksamkeit erreichen, wenn Fridays for Future mehr Menschen mobilisiert und Extinction Rebellion mit radikaleren Aktionen die Messlatte nach oben legt? Für den Protestforscher Dieter Rucht ist der Fall klar. Er sagt, die Protestformen seien alle ausgereizt. Greenpeace sollte in Zukunft mit Aufklärung punkten. Aber was bleibt noch vom Kern der Marke, wenn die Bilder fehlen? Das Narrativ vom Kampf Davids gegen Goliath? Bei der Frage muss auch Rucht passen. Wie es scheint, hat sich der Verein in eine Sackgasse manövriert. Rucht sagt: „In der öffentlichen Wahrnehmung sind Bilder wichtiger als Experten-Statements.“

 

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

Sie sind Cicero-Plus Leser? Jetzt Ausgabe portofrei kaufen

Sie sind Gast? Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige