Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger - Full Metal und Jackett

2020 will sich Rainer Dulger erneut zum Präsidenten des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall wählen lassen. Die Zeichen in der Branche stehen auf Abschwung. Sein Job war nie so wichtig – und zugleich so heikel

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2020 stellt sich Rainer Dulger zur Wiederwahl des Präsidenten des Arbeitgeberverbands „Gesamtmetall“ / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Stahlblau ist der Nadelstreifenanzug, für den Rainer Dulger sich an diesem Morgen entschieden hat. Es ist der jährliche Arbeitgebertag des BDA. Im Berliner Estrel-Hotel an der Sonnenallee trifft der „Gesamtmetall“-Präsident heute auf die Bundeskanzlerin, auf den Wirtschafts- und auf den Finanzminister. Erst ein gemeinsames Frühstück mit seinem Freund, dem ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt und dessen Frau Christina. Dann seinen Verband der Metall- und Elektroindustrie vertreten und damit mehr als 25 000 Betriebe mit mehr als vier Millionen Beschäftigten.

Mit knapp zwei Metern Körpergröße schreitet Rainer Dulger durchs Kongresshotel wie ein Statement. Seine Branche ist nach wie vor eine der mächtigsten. Seine goldbestickten Initialen „R D“ blitzen auf den Manschetten seines weißen Hemdes. Eine neue Brille trägt er inzwischen auch – ein Porschegestell. „Meine Frau meint, die sieht leichter aus“, sagt er. Mit 55 achte er auf diese Ratschläge. Dulgers Gesichtszüge wirken ernst, konzentriert und entspannt zugleich, seine Augen blicken freundlich, aber fordernd.

Die Rezession ist da

„Sie werden von mir keine Untergangsszenarien hören“, sagt Dulger, im Gegenteil, er mache sich keine Sorgen, „wenn wir die Weichen richtig stellen“. Der Sohn des bekannten Ingenieurs Viktor Dulger ist ein Kämpfer. Aber der Heidelberger weiß, dass er auch wie ein Kämpfer wirken muss. 2019 hat die Metall- und Elektroindustrie das dritte Quartal in Folge im Minus geschlossen. Die Automobilbranche drückt aufs Ergebnis. Die Rezession ist da. Es dürfte erst der Anfang des wohl tiefgreifendsten Strukturwandels sein, den die Branche je erlebt hat.

Seit 2012 führt der baden-württembergische Ingenieur die Gesamtmetaller. Er tariert Interessen aus von Gießereien, Maschinenbauern, Elektrotechnikern bis zu Schiffs-, Schienen- und Autobauern. „Die Konjunktur war immer heterogen“, sagt Dulger, „aber nie so extrem wie heute.“ Während sich Bauzulieferer kaum retten können, leiden Maschinenbauer unter heftigen Auftragseinbrüchen. Dulgers eigene Firma, die Prominent Dosiertechnik GmbH, kann nicht klagen. Er führt den „Hidden Champion“ mit seinem Bruder Andreas. Die Wasseraufbereitungsanlagen sind weltweit gefragt.

Erfolgreiche Energiewende nötig

In der Kongresshalle des Estrel-Hotels hört Dulger die Rede von BDA-Präsident Ingo Kramer. Der kritisiert die Kanzlerin. Bei der Grundrente sei sie eingeknickt. Zu einer Zeit, in der deutschen Firmen der Wind „mit voller Wucht“ ins Gesicht wehe. Deutschland, das wisse jeder Segler, müsse endlich wetterfest gemacht werden. „Der Ingo macht das gut“, sagt Dulger, „der ist Hanseat und findet immer gute Bilder.“ Und so spricht der Heidelberger selbst von der „hochseetauglichen Flotte“ seines Verbands.

Doch Dulgers Schiffe haben ein Problem mit den Masten, und zwar mit jenen, die den Strom liefern. Die Metall- und Elektroindustrie ist besonders auf eine erfolgreiche Energiewende angewiesen. „Aber sie wird von der Regierung bislang konzeptlos und schlecht geführt“, klagt er nicht zum ersten Mal. Dass er den Wirtschaftsminister für eine Fehlbesetzung im Schauspiel um die Erneuerbaren hält, sagt er öffentlich. Peter Altmaier sei der „schwächste Minister“ im Merkel-Kabinett. Als Altmaier im Estrel auftaucht, sitzt Dulger in der ersten Reihe vor dem Podium. Sie geben einander nicht die Hand. In ihrer Rede sagt die Bundeskanzlerin, der „Bund kann nicht alles machen“. Und die Grundrente sei auch das Ergebnis zu niedriger Löhne. Dulger schüttelt den Kopf. 2012 hatte er in Baden-Württemberg die höchste Lohnerhöhung seit 20 Jahren mitverhandelt.

Das Geschäft mit dem Strom

Dulger will keine schmutzige Wäsche waschen. Aber Merkels Atomausstieg sei ein „Riesenfehler“ gewesen. Als Fukushima 2011 passierte, saß er im Aufsichtsrat von EnBW. „So etwas wäre in Deutschland nicht möglich gewesen. Wir haben mit die sichersten Atomkraftwerke der Welt“, sagt er. Das Design der Fukushima-Anlage sei aus den 50er Jahren und hier so nie gebaut worden. „Als Industrienation dürfen wir nicht abhängig von ausländischem Strom werden“, sagt Dulger, „egal, was Greta sagt.“ Irrsinn sei es, überschüssigen Strom gegen Strafzahlungen nach Österreich zu schicken, um ihn bei Flaute teuer zurückzukaufen. „Die Goldgräber der Zukunft sind jene, die Strom speichern.“

Wenn seine eigenen Speicher leer sind, tankt Dulger sie mit Familie auf. „Das ist wie bei einem Elektroauto mit Schnellladefunktion“, sagt er. Tage beginnen gut, wenn er wie neulich seinen 18-jährigen Sohn in den China Club Berlin zum Frühstück einlädt. Bis Juni 2020 wird er wieder kämpfen. Da stellt er sich zur Neuwahl. „Ich werde wieder antreten“, sagt er. Aber Dulger weiß, zuerst kommen die Tarifrunden, mitten im Strukturwandel, mitten in der Rezession.

Dieser Text ist in der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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