Donald Trump - Der Stimulant

Die Macht von Donald Trump, mit seinen Ansagen die Stimmung im Land zu beeinflussen, gleicht bisweilen der einer Droge. Doch etwas ist noch stärker als seine Schnellschüsse in Worten. Denn was als Zahlen-Echo aus der Wirtschaft jetzt real zurückschallt, ist ein ohrenbetäubender Hilfeschrei.

Daumen hoch, Daumen runter: Donald Trumps Einfluss erschüttert die Wirtschaft / dpa
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen hat Donald Trump die US-Wirtschaft in einen Schock-Zustand versetzt. Ob er sich darüber vorab im Klaren war, ist unbekannt. Fakt jedoch ist, dass seine öffentliche Äußerung, er werde bis zur Wahl in vier Wochen keinen weiteren Cent Corona-Staatshilfen für Firmen und Bürger bewilligen, ließ die US-Börse rasant einbrechen. Auch, dass der amtierende US-Präsident in Aussicht stellte, direkt nach der Entscheidung im November werde es weitere massive Hilfen geben, konnte daran nichts ändern. Donald Trump weiß, dass er mit jedem Tweet die Macht besitzt, als Stimulant in chief die wirtschaftliche Stimmung im Land zu lenken. Und er spielt mit dieser Macht – wie eine Katze mit einem Wollknäuel oder wie mit einer gerade noch so lebenden Maus.

Zwar bleibt es Spekulation, was seine Beweggründe dieses Mal waren. Es liegt aber im Bereich des Wahrscheinlichen, dass er aus wahltaktischen Gründen die Demokraten als Schuldige einer vollkommen überzogenen 2,2-Billionen-US-Dollar-Forderung präsentieren will. Druck aufbauen und hoch Pokern sind sein Stil und seine Strategie. Tatsächlich hätten die Demokraten das 1,6-Billionen-Dollar-Angebot der Republikaner auch einfach annehmen können. Aber so funktioniert Politik nicht, schon gar nicht vier Wochen vor dieser Wahl und ganz besonders nicht in Zeiten von Corona. Doch sollte all dies Trumps Plan gewesen sein, so ging er gründlich daneben. Börsen-Realität ist gnadenlos. In Sekundenschnelle repräsentieren die fallenden Kurse, was Analysten und Anleger befürchten – und das war nicht weniger als ein weiterer drastischer Einbruch der Wirtschaft durch private Pleiten, Armut und Insolvenzen.

Die Kurse fallen schneller, als Trump twittern kann

In der größten weltweiten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit auch nur den Anschein zu erwecken, der Staat könne sich eine Verzögerung bei der Unterstützung der eigenen Unternehmen und Bürger leisten, führte schneller ins Desaster, als der US-Präsident seine Spins gegen die Demokraten twittern konnte. Dass er von dieser Tatsache womöglich überrascht war, darauf deuten zumindest die eher hilflos wirkenden, anschließenden Versuche hin, nun plötzlich doch noch ein paar Stimuli zu gewähren: Das Repräsentantenhaus und der Senat sollten „SOFORT“ 25 Milliarden Dollar für die Unterstützung der Airlines bewilligen und 135 Milliarden Dollar für Kleinunternehmer genehmigen, twitterte er. „Have this money. I will sign now.“ Und an die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi gerichtet: „Are you listening Nancy?“

Dutzende Tweets feuerte er innerhalb weniger Stunden in die Welt. Weil er der US-Präsident ist, waren alle börsenrelevant. Das Spiel mit der halbtoten Maus, er spielt es weiter. Trump, so mutmaßten viele, sei doch auf Drogen oder Medikamenten. Aber Trump ist die Droge, jeder Tweet ein nächster Schuss – der goldene endet bekanntermaßen tödlich.

Extrem wichtiger Absatzmarkt für deutsche Produkte

Tatsächlich gleichen Trumps Moves einem volkswirtschaftlichen Selbstmord. In einer Situation, in der das Beschäftigungswachstum stagniert, die Entlassungen zunehmen, die Hilfen auszusetzen, ist brandgefährlich. Schon jetzt kündigen große Konzerne große Entlassungswellen an. Hotelbetreiber und Kleinunternehmer sehen sich gezwungen, ihre Geschäfte einzustellen. Die US-Wirtschaft hängt bedeutend an der Binnennachfrage. Unsicherheit und Arbeitslose mit geringer sozialer Absicherung lassen den Konsum weiter einbrechen.

Nicht nur beim Klima, auch in der Wirtschaft gibt es sogenannte Kipp-Punkte, an denen es kein Zurück mehr gibt. Ein Teufelskreis beginnt. Nicht ohne Grund warnte auch der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome H. Powell davor, welch schwere Risiken eine Verzögerung der Sicherheiten bedeuten würden. Als große Volkswirtschaft sind die USA überdies in der Lage, die ganze Welt mit hinabzureißen. Als extrem wichtiger Absatzmarkt für deutsche Produkte würde auch die hiesige Wirtschaft weiter ins Wanken geraten.

Hoffen auf ein Ende der Pandemie

Womöglich setzt Trump darauf, dass Corona wirklich nicht so gefährlich oder ein Impfstoff bald vorhanden ist, und es deshalb demnächst keinerlei Beschränkungen mehr geben müsse, die Menschen wieder reisen und konsumieren würden. Doch so groß die Macht des Stimulanten Trump auch sein mag, weiter als die Realität reicht sie trotzdem nicht. Die Angst, die Zurückhaltung und auch die Gesundheit vieler Menschen wird er nicht nur allein durch Ansagen beeinflussen können. So beeindruckend seine wohl schnelle Genesung mit bestmöglicher privat-präsidialer Behandlung auf weite Teile der US-Bevölkerung auch wirken mag.

Diese plötzliche, zumindest angedrohte Kehrtwende Trumps gegenüber einer Politik, die noch im Frühjahr einen wirtschaftlichen Zusammenbruch verhinderte, indem der Kongress mit überwältigender Mehrheit viele Milliarden Dollar für Unternehmen und private Haushalte bewilligte, ist ebenfalls beeindruckend. Setzte er sie in die Tat um, wäre sie beeindruckend gefährlich. Über den Sommer waren die meisten dieser staatlichen Hilfsprogramme ausgelaufen. Seitdem geriet die Wirtschaft immer weiter ins Stocken, und immer mehr Menschen stehen seither erneut vor der bangen Frage, wie sie ihre Existenz und die ihrer Familien noch sichern sollen.

Wirtschaft oder Gesundheit?

Doch ungeachtet von Donald Trumps wirtschaftlichen Aussetzern könnte es gut sein, dass in den USA die Debatte über ein verändertes Abwägen zwischen Gesundheit und Wirtschaft als Erstes beginnen wird. In einem Land, in dem einerseits die Eigenverantwortung so hochgehalten wird, passen staatlich verordnete Beschränkungen für das Wirtschaftsleben andererseits sehr schlecht zusammen. Schlicht, weil es parallel kein vergleichbares Sozialsystem wie etwa hierzulande gibt. Womöglich wollen die Menschen dort, insbesondere die Jüngeren, schließlich lieber eine Erkrankung in Kauf nehmen als den eigenen Ruin – es würde eine makabre Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischen Sterben oder Betteln.

Ein Problem aber bleibt: Am Ende bestimmt das Virus und nicht die Regierung oder die Bevölkerung, wie gut das wirtschaftliche Leben wieder in Gang kommt. So lange die Menschen die Pandemie erleben – als Gefahr oder als tatsächliche Krankheit im eigenen Umfeld –, so lange helfen auch keine staatlich gewährten Lockerungen, sondern nur Garantien.

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