Fragen und Antworten zu Corona-Impfstoffen - Was wir wissen und was nicht

Mit AstraZeneca, Biontech, Johnson&Johnson, Moderna, Sputnik V oder Curevac werden immer mehr Corona-Impfstoffe zur Verfügung stehen – aber wie funktionieren sie? Womit müssen wir rechnen? Und was ist mit der Sorge um Nebenwirkungen? Unser aktueller Stand für Sie zu den Fragen und Antworten.

Viele Fragen sind noch offen. Wie gut schützt welcher Impfstoff eigentlich? / dpa
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Autoreninfo

Susanne Donner ist freie Journalistin und schreibt zu Themen aus Medizin, Gesellschaft und Ökonomie.

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Welche Impfstoffe gibt es?

In der EU sind, Stand: 1. März 2021, drei Impfstoffe zugelassen. Es sind die Impfstoffe der Unternehmen Biontech/Pfizer, von Moderna und von AstraZeneca. Alle drei haben die so genannte bedingte Marktzulassung der Europäischen Arzneimittelagentur bekommen. Das bedeutet, dass die Zulassung in allen Fällen an Auflagen geknüpft ist. Die Hersteller müssen weitere Studien machen, um offene Fragen zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zu klären. Welche Fragen das genau sind, ist nicht bekannt.

In den kommenden Wochen könnten weitere Impfstoffe hierzulande verfügbar werden: Dies sind die Impfstoffe von Johnson&Johnson, Novavax und CureVac. Alle drei werden von der Europäischen Arzneimittelagentur derzeit geprüft. Für die in China und Russland bereits verfügbaren Impfstoffe Sinovac und Sputnik V liegen, Stand: 1. März 2021, bisher keine entsprechenden Anträge vor. Ohne Erlaubnis der Behörde können diese Impfstoffe hierzulande nicht legal verimpft werden. Insbesondere für den russischen Impfstoff Sputnik V laufen aber Gespräche sowohl von Seiten des Unternehmens AstraZeneca als auch auf Regierungsebene, ob dieser hierzulande erhältlich werden wird. AstraZeneca könnte den Impfstoff in Lizenz produzieren.

Wie gut schützen die Impfstoffe?

Wie wirksam die Impfstoffe vor einer Covid-19-Erkrankung schützen, haben die Hersteller in klinischen Studien geprüft. Covid-19 nennt man jene Erkrankung, die auftreten kann, wenn man sich mit dem Virus SARS-CoV-2 angesteckt hat. Sie kann sich mit trockenem Husten, Fieber, Atemnot und anderen Beschwerden bemerkbar machen und bei einigen Menschen schwer verlaufen.

Bei allen verfügbaren Impfstoffen ist fraglich, ob sie vor der Infektion an sich schützen, sprich: ob Geimpfte sich nicht anstecken können. Bisher deuten die Daten eher darauf hin, dass sie sich auch infizieren können, aber in geringerem Umfang.

Die Daten von allen Unternehmen sind mittlerweile in Fachzeitschriften publiziert. Demnach schützt der Impfstoff von Moderna die Geimpften zu 94,1 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung. Das heißt, wenn normalerweise 100 Menschen daran erkrankten, waren es unter den Geimpften nur etwas mehr als fünf. Getestet wurden 30.420 Menschen. 

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer erzielte einen vergleichbaren Schutz von 95 Prozent vor Covid-19. 43.448 Personen nahmen an dieser Studie teil. 

Der Impfstoff von AstraZeneca wurde in vier unterschiedlich designten Studien getestet. Dabei variierte die Dosis und in der Zusammenstellung der Impfstoffe kam es zu einem Fehler. Der Impfstoff schütze laut Europäische Arzneimittelagentur im Mittel mit 59,5 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung. Die Zahl getesteter Personen belief sich auf 23.848.

Alle bisher zugelassenen Impfstoffe schützen vor den Erkrankungen infolge der bekannten Mutationen, auch den in den Medien am meisten diskutierten in Südafrika, Großbritannien und Brasilien beobachteten Varianten. Allerdings ist die Wirksamkeit insbesondere gegen die Varianten aus Südafrika und Brasilien möglicherweise geringer – dies ist Gegenstand weiterer Studien –, weshalb mehrere Impfstoffhersteller ihre Produkte anpassen wollen.

Welche Fragen sind offen?

Alle bisher verfügbaren Impfstoffe beruhen auf neuen Wirkprinzipien. Offen ist: Werden unerwartete Nebenwirkungen nach der Impfung an Millionen bis Milliarden Menschen ersichtlich werden? Was passiert mit der wahrscheinlich großen Zahl an Menschen, die nur eine Dosis erhalten? Wie lange hält der Impfschutz an? In welchem Umfang beugt die Impfung Infektionen ohne Symptome vor? In welchem Umfang bremst die Impfung die Verbreitung des Erregers und damit die Pandemie? Wie wird das Virus mutieren? Werden wir uns künftig fortlaufend neu impfen lassen?

Wie funktionieren die Impfstoffe?

Alle bisher zugelassenen Impfstoffe beruhen auf neuen Wirkprinzipien. Die beiden Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer basieren auf so genannter mRNA. Das sind kleine Bauanleitungen, die eine Körperzelle dazu bringen, ein bestimmtes Protein herzustellen. Die Impf-mRNA enthält den Bauplan für ein wichtiges Protein auf der Hülle des SARS-CoV-2-Virus. Dieses Protein heißt Spike-Protein. Der Impfstoff bringt also Körperzellen dazu, das Spikeprotein selbst herzustellen und auf der Oberfläche darzubieten. Das Immunsystem erkennt dieses Protein als fremd und zerstört die Zelle. Das Spikeprotein wird freigesetzt und heizt die Immunreaktion weiter an. Ein Impfschutz gegen SARS-CoV-2 entsteht. 

mRNA ist gewöhnlich sehr instabil, deshalb haben die Unternehmen diese Bauanleitungen in spezielle Fettmoleküle und zusammen mit anderen Stoffen verpackt. Nur mit dieser Verpackung kann überhaupt ausreichend mRNA in Zellen kommen. In der Zelle selbst liegen tauende körpereigene und unterschiedliche mRNAs vor. Diese werden nach Benutzung von der Zelle selbst zerstört und beseitigt. Der Immunologe Kurt Zänker von der Universität Witten Herdecke weist daraufhin, dass nicht klar ist, wie und in welche Zellen diese Impfstoffe genau hineingelangen können. Immer wieder wird indes die Frage laut, ob mRNA das Erbgut des Menschen selbst verändern kann. Nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis ist dies nicht der Fall.

Der Impfstoff von AstraZeneca beruht auf einem anderen, ebenfalls sehr jungen Prinzip. Er nutzt Genfähren um die Bauanleitung für das Spike-Protein in die Zellen einzuschleusen. Als Genfähre dienen gestutzte Adenoviren. Konkret benutzt AstraZeneca eine Adenovirusvariante, die in Schimpansen vorkommt, nicht aber im Menschen. Den Adenoviren wird das Erbgut so beschnitten, dass sie sich nicht vermehren können. Die genetische Fracht, die Adenoviren in Körperzellen einbringen, wird gewöhnlich nicht ins menschliche Erbgut eingebaut. In 7 je 100.000 Fällen kann dies jedoch bisherigen ersten Schätzungen zufolge doch geschehen. Damit würde in diesen sehr seltenen Fällen das menschliche Erbgut in jenen Zellen verändert. Welche Relevanz das hat, ist unklar. Es gibt noch keine nennenswerten Erfahrungen auf Basis der Adenovirus-Technik. Ein Ebola- und ein Dengue-Impfstoff nach dem Prinzip sind zwar zugelassen, wurden allerdings kaum verwendet.

Alle drei Impfstoffe enthalten kein infektiöses SARS-CoV-2-Virus, wie das bei älteren Impfstoffen sonst der Fall sein kann. Es handelt sich somit um Totimpfstoffe.

Wie wird die Impfung vollzogen?

Die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer müssen zwei Mal im Abstand von drei bis sechs Wochen gespritzt werden. AstraZenecas Impfstoff wird zwei Mal im Abstand von neun bis zwölf Wochen. Alle Impfstoffe werden in den Oberarm und dort in den Muskel injiziert. Beide Impfungen sollen mit dem Produkt desselben Herstellers erfolgen.

Zur Impfung darf nur, wer entsprechend der Impfverordnung an der Reihe ist. Die Reihenfolge basiert auf der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, wird aber durch politische Entscheidungen modifiziert. Denn es gibt momentan, Stand: März 2021, nicht genug Impfstoff für alle Impfwilligen. Derzeit sind es Menschen über 80 Jahre, Bewohner in Pflege- und Altenheimen und das Personal dort, dass geimpft wird. In den Krankenhäusern sind es Personen, die unmittelbar mit Covid-19-Patienten arbeiten. Wer über 80 ist und zuhause lebt, muss jedoch einen Termin in einem Impfzentrum bekommen, um sich dort impfen zu lassen. 
Als nächste Gruppe werden 60 bis 70-Jährige sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, Lehrer, Erzieherinnen und Tagesmütter und Beschäftigte in Kindertagesstätten geimpft. Einige Bundesländer haben damit Anfang März 2021 begonnen.  

Wie sicher sind die Impfstoffe?

Alle verfügbaren Impfstoffe wurden erheblich schneller zugelassen als dies in der Vergangenheit geschah. Dazu reichten Hersteller Studienteile fortlaufend ein, statt wie üblich alle Unterlagen zusammen nach Abschluss aller Tests. Dieses Rolling-Review ermöglichte unter anderem die Beschleunigung. Alle drei verfügbaren Impfstoffe erhielten keine reguläre Zulassung, sondern eine bedingte Zulassung. Das bedeutet, dass sie der Europäischen Arzneiagentur weiterhin Daten zu offenen Fragen der Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen vorlegen müssen. Die Probandenzahl war bei allen drei nun verfügbaren Impfstoffen groß verglichen mit anderen Impfstoffen. 

Nach der Impfung können unmittelbar Nebenwirkungen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Schmerzen, Schwellungen, Rötungen an der Einstichstelle, auch Gelenk- und Muskelschmerzen auftreten. Diese sind bei allen drei Produkten in den Zulassungsstudien berichtet, das bedeutet erwartbar. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass das Immunsystem in gewünschter Weise auf die Impfung reagiert. Diese Nebenwirkungen klingen jedoch gewöhnlich in ein bis drei Tagen ab. Die Häufigkeit und Schwere dieser typischen Reaktionen sind verglichen mit anderen Impfstoffen mild bis moderat.

Die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer/Biontech rufen sehr selten eine allergische Reaktion hervor, die wiederum einen so genannten anaphylaktische Schock zur Folge haben kann. Ein anaphylaktischer Schock führt zum Abfall des Kreislaufs und muss sofort mit dem Medikament Adrenalin behandelt werden. Die allergischen Reaktionen traten 15 bis 30 Minuten nach der Impfung überwiegend bei Allergikern mit schweren Allergien etwa gegen Medikamente und Arzneimittel wie auch gegen andere Impfstoffe auf. Unter zwei Millionen Impfungen waren in den USA 21 Menschen von einer Anaphylaxie betroffen – es handelt sich also um eine sehr seltene Nebenwirkung.

Bei dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer ist ein Inhaltsstoff Polyethylenglykol, eine Substanz, die auch in Kosmetika und Reinigungsmitteln vorkommt. Es gibt erste Hinweise, dass eine seltene Allergie auf diese Substanz das Risiko einer allergischen Reaktion auf die Impfung erhöht. Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie bietet zur Impfentscheidung eigens eine Beratung für jene Allergikern mit schwerer Allergie gegen Medikamente, Arzneien oder vorausgegangene Impfungen oder mit schwerer Allergie gegen eine unbekannte Ursache an. Zu den Symptomen schwerer Allergien gehört der anaphylaktische Schock. 

Abgesehen von Nebenwirkungen, die aus den Zulassungsstudien bekannt sind, sind ein paar grundsätzliche Überlegungen zur Frage der Nebenwirkungen hilfreich: Alle drei bisher verfügbaren Impfstoffe beruhen auf neuen Wirkprinzipien. Das heißt nicht, dass sie schlechter oder besser sind als andere Impfstoffe, nur, dass Wissenschaftler auch hinsichtlich der Langzeiteffekte keine Erfahrungen haben. 

Alle drei Impfstoffe sind in der EU bedingt zugelassen. Das bedeutet, dass die Hersteller auch für die Sicherheit ihrer Produkte haften. Das setzt über das Selbstverständnis des Herstellers hinaus einen gewissen Anreiz zu verantwortungsvollem Arbeiten.  
Erwartbar wird es zu Anpassungen der Impfstoffe, insbesondere infolge der Mutationen, kommen. Dafür soll das Genehmigungsverfahren ebenfalls gestrafft und beschleunigt werden. Solche Änderungen an der Produktrezeptur können es schwerer machen, eventuelle langzeitige Effekte aus den Daten zu ersehen, weil dann Person A anders geimpft wurde als B, obwohl beide das Produkt desselben Herstellers erhielten. 

Kann ich mir einen Impfstoff aussuchen?

Nein, bisher nicht. Die deutsche Impfkampagne ist am 27. Dezember 2020 offiziell in allen Bundesländern gestartet. Vorerst werden Pflege- und Altenheimbewohner und das Personal dort geimpft. Über 80-Jährige können sich in einem Impfzentrum vor Ort impfen lassen. Solange Impfstoffe knapp sind, ist nicht damit zu rechnen, dass BürgerInnen zwischen Produkten wählen können. Auch, wenn Ende der zweiten Jahreshälfte ausreichend Impfstoff verfügbar sein sollte, werden die gesetzlichen Krankenkassen erwartbar nur einzelne preiswerte Präparate erstatten. 

Für wen sind die Impfstoffe nichts?

Für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren gibt es bisher keine Impfstoffe. Auch an Schwangeren wurden die bisher verfügbaren Impfstoffe nicht gezielt getestet; klinische Studien dazu haben begonnen. Hier raten Fachgesellschaften insbesondere dann zu einer Risikoabwägung im Einzelfall, wenn etwa eine Schwangere in der Pflege von Covid-Patienten arbeitet.

Für verschiedene Patientengruppen etwa Menschen mit geschwächtem Immunsystem beispielsweise aufgrund einer HIV-Infektion oder Organtransplantation haben Experten bisher keine Einschränkungen beim Impfen ausgesprochen. Die Impfstoffe sind nicht an speziellen Patientengruppen getestet, aber mit Ausnahme schwerer Allergiker (siehe: Wie sicher sind die Impfstoffe), liegen auch bis dato keine Hinweise auf Risiken vor.

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