Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre - „Ich war schon geschockt“

Der Bayerische Landtag hat der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur sogenannten „Maskenaffäre“ zugestimmt. Winfried Bausback, CSU-Politiker und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Maske“, erklärt den Sinn der Untersuchung und Details zur Verschärfung des bayerischen Abgeordnetengesetzes.

Winfried Bausback (l, CSU), Vorsitzender des Masken-Untersuchungsausschusses, und Florian Siekmann (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Vorsitzender des Masken-Untersuchungsausschusses / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Winfried Bausback (CSU) ist habilitierter Jurist und seit 2008 Abgeordneter des Bayerischen Landtags. Von 2013 bis 2018 war Bausback Justizminister des Freistaats, seit 2018 ist er stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion sowie seit 9. Dezember offiziell Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Maske“, der sich unter anderem mit der sogenannten „Maskenaffäre“ beschäftigt. Im Zentrum der Untersuchung stehen Georg Nüßlein, ehemaliger CSU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, und Alfred Sauter, CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Sauter und Nüßlein wird vorgeworfen, sich in der Corona-Pandemie durch Masken-Deals bereichert zu haben.

Der Untersuchungsausschuss wird sich aber nicht nur mit diesen Fällen beschäftigen, sondern soll weitere Geschäfte zwischen bayerischen Abgeordneten und dem Freistaat Bayern seit dem Jahr 2016 beleuchten, unabhängig davon, ob diese im Landtag, im Bundestag oder im Europaparlament sitzen, sofern die entsprechenden Geschäfts- und Auftragsvolumen nicht unter einer Bagatellgrenze von 2.500 Euro lagen. Laut bayerischem Untersuchungsausschussgesetz wird der Vorsitzende des ersten Untersuchungsausschusses der Legislaturperiode immer von der stärksten Fraktion im Bayerischen Landtag gestellt, in dem Fall also von der CSU. Im Ausschuss sind alle Fraktionen entsprechend ihrer Stärke eingebunden.

Herr Bausback, wie und wann haben Sie erstmals von den Vorwürfen gegen Ihre Parteikollegen Alfred Sauter und Georg Nüßlein erfahren? 

Aus der Presse; ich kann mich nicht an das genaue Datum erinnern. Aber es waren einige Berichte in der Zeitung, zunächst über den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Nüßlein. Der Umfang des Sachverhalts wurde dann ja erst nach und nach bekannt.

Was ist Ihnen damals durch den Kopf gegangen?

Ich war schon geschockt. Die Menschen im Land haben kein Verständnis dafür, dass Abgeordnete in der Pandemie, der wohl schwersten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg, ihr Mandat ausnutzen, um sich persönlich zu bereichern. Dabei stehen die strafrechtlichen Fragestellungen für mich weniger im Vordergrund als das politische und moralische Fehlverhalten.

Jetzt ist es ja aus guten Gründen so, dass Abgeordnete auch Nebeneinkünfte beziehen dürfen. Wo lässt sich da die Grenze ziehen zu dem, was Sie eine „persönliche Bereicherung“ nennen? Auch in Zusammenhang mit dem neuen bayerischen Abgeordnetengesetz vielleicht, das am 1. April 2022 in Kraft treten soll. 

Es geht bei den Verschärfungen im bayerischen Abgeordnetengesetz darum, dass man eine klare Trennung zwischen privaten Geschäften und der Mandatsstellung zieht. Dafür braucht es klare Verhaltensregeln. Das neue bayerische Abgeordnetengesetz will eine Interessensverquickung zwischen dem privaten Erwerbsbereich und dem Mandatsbereich möglichst ausschließen. Es beruht insoweit auf zwei Säulen. Die eine Säule ist die Transparenz. Wir wollen, dass die Nebeneinkünfte künftig – anstelle des bisherigen Stufenmodells - vom ersten Euro an anzugeben sind und auf der Webseite des Bayerischen Landtags veröffentlicht werden. Unternehmensbeteiligungen sind künftig ab einer Grenze von drei Prozent anzuzeigen. Bisher waren es 25 Prozent. Die zweite Säule besteht aus dem Verbot von Tätigkeiten, aus denen der Anschein einer Interessensverquickung entstehen kann.

Welche wären das zum Beispiel?

Ein Rechtsanwalt etwa darf, wenn er Abgeordneter ist, nicht mehr Mandanten bei Ministerien oder bei obersten Landesbehörden vertreten. Die untere Verwaltungsebene – also die einfachen Finanzämter und Landratsämter – sind davon ausgeschlossen, weil dort die Interessenverquickung aus dem Abgeordnetenmandat im Bayerischen Landtag nicht zu sehen ist. Ferner ausgeschlossen wird der Verkauf oder die Vermittlung von Immobilien, Waren und Dienstleistungen gegen Entgelt für Dritte an den Freistaat Bayern. Es dürfen also zum Beispiel keine Provisionen für Abgeordnete im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften von Dritten mit der Immobiliengesellschaft des Freistaates Bayern mehr vereinbart werden. Hinzu kommt die Regelung, dass Abgeordnete als Unternehmer oder Freiberufler keine Eigengeschäfte über einer Wertgrenze von 10.000 Euro mit dem Freistaat beziehungsweise seinen Behörden und Unternehmen machen dürfen. Es sei denn, es gibt ein reguläres öffentliches Vergabe- beziehungsweise  Ausschreibungsverfahren oder das Präsidium des Landtages genehmigt ein solches Geschäft.

Wie sieht es mit gut dotierten Vorträgen aus?

Honorare für Vorträge und Reden eines Abgeordneten, die im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit stehen, sind ebenfalls verboten. Ein Mediziner oder Virologe, der Mitglied des Landtages und Gesundheitsausschusses ist, darf keine Vorträge für zigtausende Euros über Themen der Landesgesundheitspolitik halten; auch da wird ein Riegel vorgeschoben. Um das klar zu sagen: Für die weit überwiegende Mehrheit der Abgeordneten braucht es solche Regeln nicht. Aber es schützt die Integrität des Gesamtparlaments und das Vertrauen in seine Mitglieder, wenn Interessenverquickungen klar ausgeschlossen werden. Ich denke, wir haben mit den jetzt beschlossenen Regeln einen guten Weg gefunden, Interessensverquickungen möglichst auszuschließen und dabei das Parlament aber gleichwohl offen zu halten für alle Berufsgruppen.

Warum ist das wichtig?

Es muss möglich sein, dass ein Abgeordneter neben seinem Mandat, das ja immer nur auf Zeit errungen ist, weiter in der Lage ist, seine Existenz zu sichern. Dies ist auch wichtig, um eine gewisse persönliche Unabhängigkeit gegenüber der eigenen politischen Partei zu behalten. Die Kollegen, die aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes kommen, haben in der Regel ein Rückkehrrecht. Das haben ein Unternehmer oder ein Rechtsanwalt nicht. Als Parlament sollten wir aber auch ein Abbild der Gesellschaft sein. Deshalb sagt auch die Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, dass Parlamentariern Nebentätigkeiten nicht generell verboten werden dürfen.

Am 8. Dezember hat der Bayerische Landtag fraktionsübergreifend die Einsetzung des Untersuchungsausschusses „Maske“ beschlossen, dessen Vorsitzender Sie sind. Warum, denken Sie, ist dieser Untersuchungsausschuss wichtig?

Fast alle Menschen erleben massive Beschränkungen ihrer Freiheiten im Interesse der Schutzes Dritter und des Gesundheitssystems an sich. Kinder, die Distanz- und Wechselunterreicht haben, Geschäfte und Restaurants, die zeitweise schließen mussten, Schausteller, Künstler und Clubbetreiber, deren Einnahmen wegfallen. Studenten und Auszubildende erleben zum Teil Einschränkungen in der Ausbildung, genauso wie in ihrer sozialen Entfaltung. Und das sind nur einige Beispiele von vielen. Die Menschen im Land spüren eine Belastung durch diese Pandemie. Vor diesem Hintergrund haben die Menschen kein Verständnis für Deals, bei denen sich Einzelne unter Ausnutzung ihres politischen Mandats persönlich bereichern. Und sie wollen auch, dass geklärt wird, was in der Staatsverwaltung im Zusammenhang mit Notmaßnahmen in der Pandemie strukturell verbessert werden muss. Dieses Aufklärungsinteresse der Bevölkerung nimmt der Bayerische Landtag durch den Untersuchungsausschuss auf.

Dafür ist unter anderem ein Fragenkatalog entstanden. Wie kam es denn zur finalen Fassung dieses Fragenkatalogs?

Der ursprüngliche Fragenkatalog, der Einsetzungsantrag, wurde ja von den demokratischen Oppositionsfraktionen gestellt. Wir als Regierungsfraktionen (neben der CSU auch die Freien Wähler – Anm. d. Red.) haben das aufgegriffen, und uns in den Verhandlungen bemüht, diesen Fragenkatalog zu schärfen. Ich persönlich habe mich da als Vorsitzender aus den Diskussionen weitgehend herausgehalten, um die Aufgabe, die ich jetzt als Vorsitzender habe, nicht zu belasten. Es war aber schon so, dass der ursprüngliche Fragenkatalog sehr weit gefasst und auch verfassungsrechtlich so nicht akzeptabel war. Denn er hätte alle Abgeordneten aller Fraktionen sogar außerhalb Bayerns einem Generalverdacht unterworfen.

Mit welchen Folgen?

Man hätte jeglichen Berührungspunkt mit staatlichen Behörden zum Untersuchungsgegenstand gemacht. Das wäre so nach den Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht darstellbar gewesen. Eine Ausforschung aller Abgeordneten ist mit dem freien Abgeordnetenmandat, wie es unsere Demokratie ausmacht, nicht vereinbar. Es ist vielmehr Teil der Abgeordnetentätigkeit, sich für Menschen im eigenen Stimmkreis einzusetzen, die zum Beispiel berechtigte Interessen gegenüber Behörden haben – natürlich ohne wirtschaftliche Gegenleistung für den Mandatsträger. Deshalb bin ich froh, dass dieser Fragenkatalog von allen Fraktionen gemeinsam nochmal entsprechend geschärft und konkretisiert wurde.

Wie setzt sich der Fragenkatalog also zusammen?

Der Fragenkatalog umfasst drei größere Teile. In Teil A geht es im Wesentlichen um die Frage, wie Vergaberecht von staatlichen Stellen in Bayern angewandt wurde und welche Compliance-Regeln bei den Beschaffungen von Unternehmen mit wesentlicher Beteiligung des Freistaates Bayern galten. In Teil B geht es nicht nur, aber im Wesentlichen um die Maskengeschäfte. Und in Teil C geht es um andere Rechtsgeschäfte zwischen Mandatsträgern auf der einen und Behörden sowie Unternehmen des Freistaats Bayern auf der anderen Seite.

Was sind also die Hauptaufgaben des Untersuchungsausschusses „Maske“?

Ich sehe zwei Hauptaufgaben: Das eine ist die Frage, ob es ein politisches Fehlverhalten gegeben hat, sowohl bei Abgeordneten als auch bei Ministerien. Das ist eigentlich auch die klassische Aufgabe einer „Skandal-Enquête“. Genauso wichtig finde ich aber auch, dass man in Zusammenhang mit der Pandemie die Strukturen der Staatsverwaltung und Ministerien unter die Lupe nimmt, inwieweit es hier zum Beispiel Optimierungsnotwendigkeiten gibt.

CSU-Politiker Winfried Bausback / Privat

Ist denn absehbar, ob sich auch Herr Sauter und Herr Nüßlein vor dem Untersuchungsausschuss äußern werden?

Wir haben in der ersten Sitzung am 9. Dezember unter anderem festgestellt, dass der Kollege Alfred Sauter Betroffener im Sinne des bayerischen Untersuchungsausschussgesetzes ist. Das lässt sich vergleichen mit einem Beschuldigten in einem Strafprozess. Der Betroffene hat die Möglichkeit, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen, er hat ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht. Außerdem ist ihm die Möglichkeit einzuräumen, am Beginn und am Ende der Untersuchung eine Stellungnahme abzugeben. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass wir Alfred Sauter als Betroffenen einvernehmen werden. Ob Herr Nüßlein als Zeuge oder Betroffener vernommen wird, muss sich im Laufe des Untersuchungsausschusses noch zeigen.

Warum haben Sie, aus juristischer Sicht, Herrn Sauter als Betroffenen benannt?

Die Betroffeneneigenschaft ist immer dann festzustellen, wenn sich ein Untersuchungsausschuss ganz oder in wesentlichen Teilen auf das Verhalten einer Person bezieht. Herr Sauter ist in der Präambel und an 22 weiteren Stellen des Fragenkatalogs ausdrücklich namentlich benannt. Außerdem hat die Fraktion der Grünen bereits bekanntgegeben, dass sie den Untersuchungsausschuss als Vorbereitung einer möglichen Abgeordnetenanklage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof sieht. Auch vor diesem Hintergrund war es, nach Artikel 13 Untersuchungsausschussgesetz, angezeigt, bei Herrn Sauter die Betroffeneneigenschaft festzustellen.

Ich nehme an, der Grund, dass Sie hier vor allem von Herrn Sauter sprechen, ist, dass Herr Nüßlein nicht Abgeordneter des Bayerischen Landtags ist und Ihre Möglichkeiten als Bayerischer Landtag entsprechend begrenzt sind?

Das hat natürlich unterschiedliche Implikationen. Es ist zudem so, dass der Bayerische Landtag eine Abgeordnetenanklage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof initiieren kann. Das ist aber nur bei einem Abgeordneten des Bayerischen Landtags möglich, nicht bei einem Kollegen aus dem Deutschen Bundestag. Über eine Betroffeneneigenschaft von Herrn Nüßlein hat der Ausschuss noch nicht gesprochen.

Das Oberlandesgericht München hat jüngst im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen und Vermögensarrest entschieden, dass bei Herrn Sauter und Herrn Nüßlein der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung nicht erfüllt ist. Hat das irgendeinen Einfluss auf den Untersuchungsausschuss – oder muss man hier klar trennen?

Zunächst einmal: Aus Respekt vor der Judikative, kommentiere ich diese Entscheidung nicht. Es ist für den Untersuchungsausschuss allerdings eine sehr relevante Situation, weil der Bayerische Verfassungsgerichtshof schon vor einiger Zeit festgestellt hat, dass es eine Rücksichtnahmepflicht eines Untersuchungsausschusses gegenüber einem laufenden Strafverfahren gibt. Das heißt: Der Ausschuss darf nicht so agieren, dass ein Straf- oder Ermittlungsverfahren dadurch beeinträchtigt wird, etwa durch die vorzeitige Bekanntgabe von Beweismitteln im Rahmen der strafrechtlichen Aufklärung. Solange das strafrechtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, müssen wir das in Rechnung stellen. Denn wie Sie wahrscheinlich wissen, ist vor dem BGH bereits Beschwerde gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts eingelegt worden.

Was sind also die nächsten Schritte? Und bis wann, denken Sie, wird dieser Untersuchungsausschuss abgeschlossen sein?

In der ersten Sitzung haben wir wichtige Beweisbeschlüsse gefasst. Wir haben die bayerischen Ministerien aufgefordert, alle Akten, die für den Fragenkatalog relevant sind, in Listen zusammenzustellen. Auf Grundlage dieser Listen wird dann der Untersuchungsausschuss bei seiner nächsten Sitzung am 14. Januar die Aktenbeiziehung beschließen und wir werden weitere Beweisbeschlüsse fassen. Wir haben darüber hinaus, weil es auch um die Frage von Geschäften zwischen Abgeordneten der Bundes- und Europaebene mit Ministerien und Behörden des Freistaats geht, beschlossen, dass wir Schreiben an das Europaparlament und an den Bundestag richten, was zum Beispiel Beteiligungen der dortigen Abgeordneten aus Bayern an Unternehmen betrifft. Zum dritten Termin, am 3. Februar, werden wir dann einen Vergaberechtsexperten einladen, der uns die Grundlagen der Vergabemöglichkeiten in einer solchen Pandemie-Situation erläutert. Denn das ist ein recht komplexes Thema. Je nachdem, wie zügig wir mit dem Aktenstudium vorankommen, denke ich, dass wir uns vielleicht schon im März über Zeugenlisten verständigen werden.

Sollte der Ausschuss ein politisches Fehlverhalten feststellen, ob nun bei Herrn Sauter oder bei einem anderen Abgeordneten, welche Konsequenzen hätte das dann für den Einzelnen?

Das kann ich im Vorfeld nicht bewerten. Der Untersuchungsausschuss ist aber das schärfste Schwert des Parlaments, um aufklärungswürdige Sachverhalte aufzuklären. Nach Abschluss seiner Ermittlungen schlägt der Untersuchungsausschuss in seinem Schlussbericht eine Würdigung vor. Daraus muss dann das gesamte Parlament seine Entscheidungen ableiten und die aufgeklärten Sachverhalte politisch bewerten.

Das Gespräch führte Ben Krischke.

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