Vielfalt statt Einfalt - Speiseöl – ein kulinarischer Tausendsassa

Unser Genusskolumnist kann nicht verstehen, warum Speiseöl oftmals so achtlos behandelt wird. Denn ein differenzierter Umgang mit diesem Grundnahrungsmittel kann den kulinarischen Horizont beträchtlich erweitern.    

Für selbstgemachtes Knoblauch-Öl den frischen Knoblauch am besten pressen / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Ohne Speiseöl geht eigentlich gar nichts. Man braucht es vor allem zum Braten, Dünsten und Frittieren, für Marinaden und Salatdressings sowie diverse Spezialitäten. Und früher war das alles auch wunderbar überschaubar. Der Speiseöl-Soundtrack meiner Kindheit und Jugend war geprägt von Klassikern wie den kleinen Livio-Blechkanistern, die eine Mischung aus Sonnenblumen- und Rapsöl enthielten, und dem praktischerweise würfelweise portionierbaren gehärteten Kokosfett von Palmin und einem ähnlichen Produkt von Biskin. Einzige Extravaganz in dieser Phase war Leinöl, das meine Oma reichlich für Gerichte mit Kartoffeln und Quark verwendete. 

Sowohl Urlaubserfahrungen als auch zunächst italienische und später auch spanische und griechische Gastarbeiter sorgten schließlich dafür, dass sich auch Olivenöl auf breiter Front etablierte, sozusagen als fettiger Inbegriff des mediterranen Lebensgefühls. Irgendwann schossen dann asiatische Restaurants – vor allem Chinesen, Thailänder, Inder und Vietnamesen – und in ihrem Gefolge auch entsprechende Lebensmittelgeschäfte wie Pilze aus dem Boden. Nunmehr erlangten vor allem auch Soja- und Erdnussöl ebenfalls einen gewissen Rang in der deutschen Ölkultur. 

Speiseöl als Lifestyle-Produkt 

Dennoch blieb das alles zunächst noch recht überschaubar. Doch dann traten Heerscharen von Lebensmittelchemikern, Ernährungsphysiologen und -beratern sowie mehr oder weniger erleuchteten Gourmets auf den Plan, und die Sache mit dem Speiseöl wurde immer komplizierter. Wir mussten den Unterschied zwischen kaltgepressten und raffinierten (also wärmebehandelten) Ölen ebenso verinnerlichen wie ihre jeweilige Hitzestabilität und ihre Rauchpunkte. Öle wurden zudem nahezu mikroskopisch auf segensreiche bzw. gesundheitlich bedenkliche Inhaltsstoffe seziert, und das Wissen über den jeweiligen Gehalt und die Bedeutung von gesättigten, einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren gilt in gewissen Kreisen mittlerweile als Grundvoraussetzung für jegliche Diskursmöglichkeit über das Essen. 

Und längst taugt Speiseöl auch zu Distinktionszwecken. Sei es ein sündteures Olivenöl, das in einem versteckten griechischen Kloster mit archaischen Steinmühlen hergestellt wird, oder ein „Soli-Öl“ von einer alteingesessenes anarchistischen Landkooperative in Spanien. Von dem zeitweiligen Hype um marokkanisches Arganöl ganz zu schweigen. 

Panikkäufe nach Kriegsausbruch 

Natürlich ist dieses ganze Öl-Gedöns teilweise albern und auch abschreckend. Die meisten Menschen tangiert das aber kaum. Öl – vor allem Sonnenblumenöl als Standardvariante – sorgte in einem ganz anderen Zusammenhang für größere Aufwallungen. Denn nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine brach (unbegründet) nahezu Panik aus, dass Öl knapp werden könnte. Es kam zu Hamsterkäufen, in der Folge zu zeitweilig leeren Regalen, dann zu noch mehr Hamsterkäufen, und die großen Player nutzten die Gunst der Stunde für deftige Preisaufschläge von zeitweilig bis zu 300%. Speiseöl wurde zum Klopapier der Ukraine-Krise, denn dieser ebenfalls unverzichtbare Grundbedarfsartikel hatte diese Rolle in den Hochzeiten der Corona-Krise. 

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Aber wenn man Spaß an genussvollem Essen hat, lohnt es sich dennoch auf jeden Fall, seinen eigenen Öl-Horizont ein bisschen zu erweitern. Und auch die Sache mit den gesättigten und ungesättigten Fettsäuren ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Relativ einfach ist die Angelegenheit, wenn es nur ums Braten oder Frittieren geht. Da ist man mit einfachen, raffinierten, weitgehend geschmacksneutralen Ölen auf der sicheren Seite; wie zum Beispiel Sonnenblumen-, Raps-, Soja-, Maiskeim- und Erdnussöl, die alle bis circa 220 Grad hitzestabil sind. Selbst mit Olivenöl ist das kein Problem, aber das ist nicht neutral.

Wichtig ist, dass das ÖL in der Pfanne nicht raucht, denn dann ist es hinüber und entwickelt Stoffe, die uns nicht besonders guttun. Zum Dünsten von Gemüse oder dem Anschwitzen von Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern kann man bedenkenlos auch hochwertige kaltgepresste Öle verwenden, die dann auch eine Geschmackskomponente darstellen.

Aromatisch so richtig spannend wird das mit dem Öl erst jenseits der Pfanne. Zum einen gibt es Öle, die dort nun wirklich gar nichts zu suchen haben, wie z.B. Walnussöl (veredelt jeden Feldsalat), Sesamöl (der Kick für südostasiatische Gemüsegerichte) oder Kürbiskernöl (Offenbarung für alles, was mit Kürbissen zu tun hat oder auch mit „Steirischer Pesto“). Und das unvergleichliche Aroma von frischem Leinöl in Verbindung mit Kartoffeln und Schnittlauchquark ist ohnehin legendär. Manchmal ist auch schlicht eine in sehr gutes Olivenöl getunkte Scheibe angeröstetes Weißbrot alles, was man zum Glück braucht. Generell gilt: In der kalten Küche nur kaltgepresste Öle, die ein größeres Aromenspektrum als raffinierte haben. 

Aromaöle selber machen 

Wichtig ist die Auswahl des Öls auch für Marinaden, da es den Geschmack des Garguts im Zusammenspiel mit den verwendeten Kräutern und Gewürzen beeinflussen soll. Wer des Öfteren etwas ambitionierter kocht, kann sich auch eine kleine Auswahl aromatisierter Öle bereitstellen. Etwa ein Chili-Knoblauch-Öl für Currys und ein Basilikum-Rosmarin-Öl für Lamm- und Wildgerichte. Chili und Kräuter dabei eher getrocknet als frisch verwenden und am besten ein wenig anrösten, dann entfalten sie ihren Geschmack intensiver. Frischen Knoblauch am besten pressen. Dann mit den passenden Ölen übergießen – in unseren beiden Fällen sind das Sonnenblumen- und Olivenöl – und 1-2 Wochen in einer gut verschlossenen Flasche ziehen lassen.

Bliebe noch eines der hierzulande wichtigsten Einsatzgebiete von Speiseöl: das Salatdressing, wo es oftmals zusammen mit Essig zum Einsatz kommt. Ein weites Gebiet, das hier nicht weiter beleuchtet werden soll. Nur so viel: Dressing immer erst sehr kurz vor dem Verzehr in den Salat einrühren, sonst wird es so schrecklich, wie ich es in der letzten Kolumne beschrieben habe.

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