Und immer wieder lockt die Pasta - Spaghetti alle Vongole

Venusmuscheln hat unser Genusskolumnist in Portugal und Frankreich kennen und schätzen gelernt. Aber als Pasta-Gericht war ihm das bislang unbekannt. Also beschloss er, diese kulinarische Bildungslücke zu schließen und seine Begeisterung über „Spaghetti alle Vongole“ an dieser Stelle zu teilen.

Dazu einen trockenen Weißwein aus der Toskana: Spaghetti alle Vongole / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Mehrere Dinge kamen für diese Genusskolumne zusammen. Zum einen habe ich ja eine Vorliebe für intuitives Kochen bzw. intuitives Einkaufen. Und als mir neulich in einer gut sortierten Fischabteilung ein Netz mit Venusmuscheln ins Auge sprang, war klar, dass ich damit was machen will. Nichts gegen „profane“ Miesmuscheln, aber ihre in Frankreich und Südeuropa und auch in den USA und Asien sehr beliebten Verwandten sind einfach intensiver und würziger. Sie schmecken schlicht mehr nach Meer.

Deutschland ist längst ein Pasta-Land

Dann wäre da noch das hehre Ziel, in meiner Genusskolumne auch an reale Konsumgewohnheiten der vielbeschworenen „Mitte der Gesellschaft“ anzuknüpfen. Was natürlich nicht heißen soll, dieser ganzen Fast- und Fertigfood-Kultur zu huldigen, aber der regelmäßige Verzehr von Pasta-Gerichten ist in Deutschland durchaus Mainstream. 78 Prozent der Deutschen essen mindestens einmal pro Woche Pasta, 40 Prozent sogar mehrmals pro Woche. Und es muss ja nun wirklich nicht immer „Miracoli“ o.ä. sein. Denn das steht – vollkommen zu Recht – schon lange auf dem Index der Geschmackspolizei.

Und schließlich galt es, meiner letzten Kolumne, die ja eine Ode an den Knoblauchgenuss war, praktische Taten folgen zu lassen. Die Conclusio aus diesen drei Elementen lag dann ziemlich nahe, und vor einigen Tagen auch auf dem Teller: Spaghetti alle Vongole. Also die italienische Variante, denn in Spanien, wo man sie auch in der Paella findet, nennt man diese Schalentiere „Almejas“ und in Frankreich „Palourdes“.

Ernährungssoziologe sieht „höheres Plateau der Sinnlichkeit“

Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl merkt dazu an, dass Spaghetti alle Vongole in Italien jenseits einiger Küstenregionen keineswegs so verbreitet sind, wie man annehmen könnte. „Im Gegenteil: Muscheln, und gerade auch solche, die den verführerisch klingenden Namen der römischen Göttin der erotischen Liebe im Namen tragen, sind eine Zutat, zu der man sich habituell erst überwinden muss. Nicht, weil man glaubt, sie würden nicht schmecken. Aber arme und ärmere – oder wie man heutzutage politisch korrekter sagt ,sozioökonomisch schwächere‘ – Milieus fühlen sich von ihrer sozialen Position im gesellschaftlichen Gefüge oft nicht dazu berechtigt, solche Dinge zu verzehren.“ Aber zweifellos sei bei Spaghetti alle Vongole „natürlich noch ein besonderer Gaumen- und damit auch Nervenkitzel dabei, weil die sehr alltäglichen Spaghetti mit etwas so Besonderem wie eben den Venusmuscheln kombiniert werden“. Das sei wie „ein gutes erotisches Verführungsspiel, bei dem der profane Akt des sexuellen Beischlaf mit einer besonderen Zutat auf ein höheres Plateau der Sinnlichkeit gehoben wird“.  

Edel, aber einfach zuzubereiten

Interessante Sichtweise. Aber wie dem auch sei, jetzt wird gekocht! Da man die Muscheln in der Schale zubereitet, gilt es zunächst, sie sorgfältig zu putzen. Achtung: Die Verwendung von vorgekochtem, ausgelösten Muschelfleisch ist streng VERBOTEN! Bereits offene oder beschädigte Muscheln werden weggeworfen. Nun eine Stunde in kaltes Salzwasser legen und danach in einem Sieb abtropfen lassen.

Zwiebeln und Knoblauch schälen und Chili fein hacken. Für Schärfesensible empfiehlt sich, die Kerne vorher zu entfernen. Fenchelsamen trocken in einer beschichteten Pfanne anrösten. Olivenöl sanft in einem großen Topf erhitzen, Knoblauch, Zwiebeln, Chili und Fenchelsamen bei mittlerer Hitze drei Minuten dünsten. Mit Weißwein ablöschen, die Muscheln in den Topf geben, und das Ganze 5–7 Minuten mit geschlossenem Deckel kochen. Dann sollten sich alle Muscheln geöffnet haben, und die „Blindgänger“ werden aussortiert und entsorgt.

Auf keinen Fall Parmesan o.ä. darüber streuen

Nebenbei haben wir die Spaghetti in reichlich Salzwasser al dente gekocht und im Sieb abtropften lassen. Die kommen jetzt in den Muschelsud. Alles gut durchrühren, und wer’s mag, kann auch noch gehackte glatte Petersilie dazugeben. Muss aber nicht sein. Dann auf vorgewärmten tiefen Tellern servieren. Es schmeckt göttlich, was man bei dieser göttlichen Zutat ja auch erwarten kann.  

Dazu gerne einen trockenen italienischen Weißwein. z.B. einen Vermentino (aber nicht aus Sardinien, sondern aus der Toskana). Und wer jetzt quasi reflexhaft zum italienischen Hartkäse und zur Reibe greifen möchte, möge diesen Reflex bitte unterdrücken. Denn das würde den raffinierten Aromencocktail dieses Pasta-Gerichtes unangemessen nivellieren. Ist also VERBOTEN!

 

Spaghetti alle Vongole

Zutaten für 4 Personen:

500 g Spaghetti
1 kg Venusmuscheln (Vongole)
0,1 l Olivenöl
3–4  Zwiebeln
0,2l trockener Weißwein
1. kl. Rote Chilischote
1 EL Fenchelsamen

optional:
1 kl. Bund glatte Petersilie

 

 

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