Stromberg wirbt fürs Impfen - „Die Leute sind so dünnhäutig, dass sie dir bei Edeka auf die Fresse hauen“

„Bernd Stromberg“ ist zurück, und diesmal wirbt das Büro-Ekel für einen guten Zweck – fürs Impfen. Im Interview erzählt sein Erfinder, warum er Anfangs Bedenken wegen dieser Kampagne hatte, warum Stromberg heute die Diskussion über Gendersternchen anführen würde – und was Friedrich Merz mit der Figur gemein hat.

Comeback in der Coronakrise: Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Ralf Husmann ist Drehbuchautor, Produzent und Autor. Seine bekannteste Serienfigur ist Bernd Stromberg, Leiter der Abteilung Schadensregulierung bei der „Capitol“-Versicherung. Von 2004 bis 2012 lief die deutsche Adaption der Serie „The Office“ bei Pro Sieben. Jetzt ist das Büro-Ekel zurück. In sechs TV-Spots für die Kampagne „Deutschland krempelt die #ÄrmelHoch“ wirbt er fürs Impfen. 

Herr Husmann, was ist denn mit „dem Papa“ los?

Da müssen Sie Christoph-Maria Herbst fragen. Es war seine Idee, fürs Impfen zu werben. Er hat mich angerufen, nachdem er Anne Will gesehen hat. Nachdem ich versucht habe, ihm klar zu machen, was das unter Umständen für ihn persönlich bedeuten kann, habe ich mich ihm angeschlossen. 

Warum hatten Sie Bedenken?

Ich habe immer Bedenken, wenn Schauspieler eigene Ideen haben. In diesem Fall musste ich meiner Fürsorgepflicht nachkommen und ihm sagen: Du weißt schon, dass die Leute mittlerweile so dünnhäutig sind, dass sie dir unter Umständen bei Edeka auf die Fresse hauen, wenn du das tust. Aber er war trotzdem wild entschlossen. 

Jahrelang hat man nichts mehr vom Leiter der Abteilung „Schadensregulierung“ in der Capitol-Versicherung gehört. Warum macht er plötzlich Werbung für eine gute Sache? 

Sein Darsteller hat sich einfach dazu hinreißen lassen, den Bernd nochmal wiederzubeleben für den guten Zweck. Die Lage ist so ernst, dass wir gedacht haben, vielleicht erreichen wir 100 Leute oder 1000, die wir auf einem anderen Weg nicht erreichen können. Man kann’s ja mal probieren.  

Stromberg ist ja das personifizierte Arschloch. Dafür lieben ihn die Fans. Wie erklären Sie denen seine wundersame Verwandlung?  

Ich würde Ihnen schon bei dem Arschloch widersprechen. So habe ich ihn nie gesehen. Stromberg hat nie versucht, auf Teufel komm raus politisch unkorrekt zu sein. Das war immer nur ein Kollateralschaden bei dem Versuch, gemocht zu werden. In den Spots versuchen wir über die Off-Stimme, ihm mit Argumenten zu kommen. 

Er sagt in den Spots so schöne Sätze wie „Man weiß ja nicht, was die da reinpanschen in diese Impfe. Weiß man ja, was in der Leberwurst ist. Da sind Kuhaugen drin, Pansen und die Rotze vom Metzger.“ Solche Sätze findet man heute tatsächlich in Chatforen auf Telegram. Unter diesen Spot hat jemand geschrieben: „Geil, Stromberg gegen die doofen Schwurbler.“ Ist es klug, sich über Impfgegner lustig zu machen, wenn man sie eigentlich bekehren will? 

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Das ist eine alte Diskussion. Wenn wir hoch ins Regal greifen: Der Film „Wallstreet“ war auch kein Plädoyer für den Kapitalismus. Das, was bei vielen Leuten hängengeblieben ist, ist Gordon Gecko, der gesagt hat: „Gier ist geil.“ Das ist manchmal unvermeidlich, bei den falschen Leuten zu landen, wenn man etwas attackiert. Ich hab die Hoffnung, dass die Leute, die Stromberg kennen und mögen, nicht ganz so ironieresistent sind wie die Leute, die sich jetzt bei Telegram rumtreiben. Aber das kann man nie ausschließen. Das kennt Olaf Scholz ja auch. Deshalb sagt er ja auch keinen geraden Satz mehr. 

Sie sagen, Sie hätten Christoph Maria Herbst zur Vorsicht geraten. Machen Sie sich um sich selbst gar keine Sorgen?

Nein, ich bin ja nicht so prominent, dass mich die Leute auf der Straße wiedererkennnen. Christoph ist viel exponierter, und ich merke, dass die Lage täglich angespannter wird. 

Gerade wurden in Dresden Gebäude durchsucht, nachdem Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten aufgeflogen waren. Was denken Sie, wenn Sie solche Nachrichten hören? 

Ich glaube, dass das eine Nebenwirkung der gesamten Situation ist. Die Menschen sind dünnhäutiger geworden, das merke ich ja an mir selbst. Es ist gar nicht so richtig greifbar, was diese Pandemie mit den Leuten macht. Ich glaube, dass solche Drohungen in vielen Fällen nur ein Ventil sind, um mit der Situation fertig zu werden. 

Die Regierung erwägt die Einführung der allgemeinen Impfpflicht. Kann man die Impfquote damit erhöhen? 

Im besten Fall könnte es ein Ausweg für Leute sein, die vielleicht mitgekriegt haben, dass ihre Situation nicht haltbar ist. Die könnten sich ohne Gesichtsverlust auf die Impfpflicht zurückziehen und sagen: „Jetzt muss ich mich ja doch impfen lassen.“ Es wird aber auch einen Prozentsatz von Leuten geben, die man auch damit nicht erreichen kann. Die Politik hat einen Fehler gemacht, als sie die Impfpflicht vor der Wahl ausgeschlossen hat. Das fällt jetzt allen auf die Füße. 

Stromberg lässt sich in den Spots mit dem Kaffeebecher in der Hand von den Vorteilen des Impfens überzeugen. Eine 180-Grad-Wende in nur 30 Sekunden. Besonders glaubwürdig ist das nicht. 

Nee, das stimmt. Aber das war der Kompromiss. Wir hätten ja keinen 90-Minuten-Film machen können. Die Idee war, es möglichst breit zu streuen, als Spot im Fernsehen oder in der Werbung. Und da gab es ein Limit von 30 Sekunden. Ich glaube aber, die Leute, die das Format kennen, die verstehen die Ironie und wissen, was gemeint ist. Deshalb haben wir ja am Ende des Spots jedesmal die Warnung des Gesundheitsministeriums eingeblendet. Es ging einfach darum, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. 

Ralf Husmann / dpa 

Unter den Videos sind fast ausschließlich begeisterte Kommentare. Zeigt das nicht, dass die Spots nur Menschen ansprechen, die sowieso schon davon überzeugt sind, dass Impfen der einzige Weg aus der Krise ist? 

Ja, das kann man sagen. Man kann da nur noch versuchen, es auf allen möglichen Wegen zu probieren. Und wenn wir am Ende 50.000 Leute erreichen, die es sowieso schon wussten, und 1000 Leute, die damit zum ersten Mal in Berührung kommen, dann hat es schon seinen Zweck erfüllt. Stromberg ist zum ersten Mal nach sieben Jahren wieder da. Dadurch hat das Thema eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen. 

Wie ist Ihr Verhältnis zum Impfen?

Ich bin sogar schon geboostert. Ich bin aber auch schon genesen. 

Ein Impfdurchbruch?

Nein, ich habe die Krankheit schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gehabt. Der Verlauf war zum Glück moderat. Ich habe aber gemerkt: Das ist sicherlich kein Spaß für Leute, die schon eine Vorerkrankung hatten und nochmal fünf Jahre älter sind als ich. Ich bin dann zügig zum Impfen gegangen. 

Sie haben kein Geld für die Spots genommen. Sie haben Angst um Christoph Maria Herbst. Warum tun Sie sich das an?

Ich fand das eine gute Idee. Auch in meinem eigenen Umfeld gibt es Leute, die impfskeptisch sind oder sich noch nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Ich habe das Gefühl, wir müssen zumindest die, die man noch erreichen kann, versuchen zu erreichen. Wenn wir die loslassen, kriegen wir amerikanische Verhältnisse.  

Als Opportunist, der sein Mäntelchen in den Wind hängt, würde man Stromberg gar nicht unbedingt im Lager der Impfgegner vermuten – eher bei der FDP. 

(lacht) In unserem Kinofilm hatten wir ihn zuletzt bei der SPD im Willy-Brandt-Haus untergebracht. Nicht wissend, dass das mal wieder Home of the Bundeskanzler werden würde. Der Stromberg ist politisch nicht leicht zu verorten. Aber die FDP würde ihm im Zweifelsfall auch gefallen. Er würde dort hingehen, wo er sich eine Karriere erhofft.

Die Liberalen haben ja auch eine bemerkenswerte Wende vollzogen. In der Opposition haben Sie noch die Freiheit hochgehalten. Kaum in der Regierung, waren sie plötzlich auch für die allgemeine Impfpflicht. Könnte man Ihre Spots als Karikatur der Liberalen als Umfaller verstehen?

Nee, auf so einer Meta-Ebene habe ich gar nicht gedacht. 

Ein Kollege, der ein großer Fan der Figur ist, hat gesagt, wenn sich Stromberg nicht impfen lassen würde, dann wahrscheinlich nur deshalb, damit er seine Frau nicht ins Restaurant einladen muss.

Der hat aber schon sehr früh aufgehört, die Serie zu gucken. Stromberg ist schon lange geschieden. Der hat seine Frau schon in Staffel 2 sitzen lassen. Danach hat er sich aber nochmal ernsthaft in Jennifer verliebt, auch wenn er sie noch nicht geheiratet hat. Also, die würde er problemlos einladen. 

Die Serie lief von 2004 bis 2012 bei Pro Sieben. Viele kennen die Figur noch – mit Halbglatze, Dreiviertelbart und Dauergrinsen. Täuscht der Eindruck, oder spricht „der Papa“ vor allem Männer an, für die die woke Linke den Begriff „alter weißer Mann“ geprägt hat? 

Unsere Kernzielgruppe war tatsächlich zu 70 Prozent männlich, aber viel jünger, als man denkt. Als die Serie damals noch lief, hatten wir ein großes Publikum auf den Schulhöfen. Es waren eher die jungen, weißen Männer. Heute werde ich von Männern angesprochen, die Ende zwanzig bis Mitte dreißig sind. 

Warum kommt Stromberg ausgerechnet bei dieser Gruppe gut an?

Er ging um Männerthemen. Der Humor war dementsprechend auch eher männlich geprägt.

Was heißt das? 

Er war ein bisschen krasser und härter – ein Humor, der sich gegen andere abgrenzt. Jungs finden so etwas super. Man kann die Sprüche auswendig lernen und auf dem Schulhof loswerden. Sprüche funktionieren für Jungs besser, die können sie sich merken. Frauen interessieren sich mehr für Geschichten. Die sind spannender. Das war ein heimliches Kompliment an Frauen, was ich da eingewoben habe. 

Gut, dass Sie es sagen. Hätte ich sonst gar nicht gemerkt. 

Sehen Sie. 

In Zeiten linker Identitätspolitik, wo man schon einen Shitstorm fürchten muss, wenn man das N-Wort nur als Zitat benutzt, hätte er es aber schwer. Würde die Figur heute noch funktionieren? 

Die „Capitol“ würde man heute natürlich anders erzählen. Die Versicherung war schon für damalige Verhältnisse ein rückständiger Laden. Heute würde ich so eine Figur wie Stromberg wahrscheinlich eher in so ein Start-up stecken. Die Frage ist: Wie würde sich die Figur verändern, wenn sich die Lebenswirklichkeit verändert? Bei Springer müssen Vorgesetzte heute offenlegen, mit wem sie ein Verhältnis haben. Also, damit hätte Stromberg schon ein Problem. Was er sich in den fünf Staffeln geleistet hat, könnte er sich heute nicht mehr herausnehmen. Der neue Zeitgeist ist ja sogar bei der CSU schon angekommen. 

Sie meinen die Liebe zum Bäume-Umarmen?

Ja, wenn sogar Markus Söder versucht, die Grünen links zu überholen, zeigt das, dass zumindest in der Führungsetage angekommen ist, dass sich bestimmte Dinge verändert haben. Wenn man heute die Mitte definieren würde, würde man sie anders definieren als vor 15 Jahren.

Was würde Stromberg heute zu der Diskussion um das Gendersternchen sagen? 

Er wäre natürlich dagegen. Das Gendern wäre ihm nicht zu vermitteln. Aber die Idee von der Figur war ja immer, dass sie im Zweifelsfall den Turnaround macht und sich vielleicht sogar an die Spitze der Bewegung stellt, weil sie beweisen will, dass sie es verstanden hat. Es ist so wie mit Friedrich Merz. Der denkt auch, er kann es noch mal drehen, weil er meint, er sei weit vorne, nur weil ihn seine Frau und seine Töchter von der Frauenquote überzeugt haben.    

Ist Merz ein Bruder im Geiste von Stromberg?

Ja, er ist eine klassische Stromberg-Figur. Er denkt ja auch, er hat es kapiert. Aber wenn man ihm zuhört, merkt man, er hat es noch gar nicht verstanden. 

Das wird Friedrich Merz vermutlich nicht so gerne hören. 

Na ja, er kommt aus dem Sauerland. Sein Selbstbewusstsein ist nochmal anders fundamentiert. Also, ich finde diesen Vergleich nicht so ganz weit hergeholt. 

Man wüsste gerne, wie Stromberg heute dem Zeitgeist einer Ampelkoalition trotzen würde. Würde Sie ein Comeback als Autor reizen? 

Ja, und ich hab tatsächlich schon damals darüber nachgedacht, ob man Stromberg in die Politik schicken kann. Das Arbeitsumfeld einer Versicherung war irgendwann auserzählt. Und die Politik ist ein spannendes Feld. Leider passieren Dinge dort sehr schnell. Wenn ich heute etwas schreibe, dauert es so lange, bis es gedreht ist, dass es schon keiner mehr nachvollziehen kann, wenn wir es ausstrahlen.  

Stromberg-Fans betteln Sie im Internet ja förmlich an, die Serie fortzusetzen. Sie schreiben, nie hätten sie „den Papa“ so dringend gebraucht wie heute. Werden Sie da als Autor nicht schwach? 

Na ja, die Leute, die das jetzt fordern, sind dann dieselben, die bei einer neuen Staffel sagen, was ist das denn? Das ist ja die größte Scheiße des 21. Jahrhunderts. Wir haben nie ausgeschlossen, dass wir ihn irgendwann wiederbeleben könnten. Aber im Augenblick ist es nicht zwingend. Schon gar nicht mit einer politischen Agenda oder der Haltung: Jetzt muss man der Ampel was entgegensetzen. 

Ihre aktuelle Serie „Frau Jordan stellt gleich“ erzählt vom Alltag einer Gleichstellungsbeauftragten. Müssen sich Strombergs Fans damit abfinden, dass die Zeit der „Strombergs“ ein für alle mal vorbei ist? 

Nö, das glaube ich nicht. Der war ja nie richtig weg. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass es schwieriger geworden ist, kontroverse Figuren in den Vordergrund zu stellen. 

Aber wenn der Papa heute so Sätze sagen würde wie: „Weiber. Nach außen Frau Merkel, nach innen Ferkel“, hätte er vermutlich gleich ein paar empörte Gleichstellungsbeauftragte am Hals.  

Ach, bei „Frau Jordan stellt gleich“ geben wir uns auch Mühe, kontroverse Themen zu bearbeiten. Und da hält sich das mit den Shitstorms in Grenzen. Ich glaube nicht, dass das so wahnsinnig dramatisch wäre. 

Was macht Sie da so sicher?

Ich war ja damals bei „Harald Schmidt“ für die Polen-Witze zuständig. Da gab es auch viel Ärger. Oberstudienräte haben sich beschwert. Der polnische Botschafter hat angerufen. Aber das gehört ja mit dazu. Wenn es allen egal ist, wäre es auch nicht gut. 

In einem Interview haben Sie mal gesagt, 78 Prozent der Figur seien von Ihnen, den Rest gebe Christoph Maria Herbst dazu. Was unterscheidet Ralf Husmann von Bernd Stromberg?  

Das sind diese letzten 22 Prozent. Ich gehe eigentlich bei allen meinen Serienfiguren von mir aus, auch bei Frau Jordan, obwohl das ja eine Frau ist. Ich glaube, ich bin mental näher am Stromberg als Christoph Maria Herbst, versuche das aber zu therapieren, indem ich die Serie schreibe. 

Was sagt Ihre Frau dazu? Hat sie schon mal gesagt, sie finde etwas total daneben?

Das sagen alle ständig. Ich merke das immer, wenn ich mich unter normalen Menschen bewege. Da muss ich immer erst einen Gesprächston einpegeln, damit nicht alle sofort denken: „Was ist das denn für ein Idiot?“ 

Diese Empathiefähigkeit unterscheidet Sie schon mal vom Papa.

Ach, ich finde gar nicht, dass der so wahnsinnig unempathisch ist. Er kriegt viele Dinge bloß nicht so richtig eingeordnet. Meine Idee war jemand, der das Gute will und das Böse schafft, aber eigentlich nur auf der Suche nach Zuneigung ist. Bernd ist keiner, der einfach nur raufhaut und Diktator spielen will. 

Hat er jetzt für die Impfspots auch schon selbst Kloppe gekriegt?

Ich bin nicht bei Twitter, Facebook oder Instagram, deswegen kriege ich das gar nicht mit. Zum Glück. Ich finde nichts deprimierender, als Kommentare zu lesen. Egal ob positive oder negative. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt.

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