Schriftstellerverband PEN - Destruktives Schmierentheater

Der PEN zerlegt sich selbst. Bei der Mitgliederversammlung des Schriftstellerverbandes in Gotha hat dessen bisheriger Präsident Deniz Yücel erst einen Abwahlantrag überstanden. Und ist dann mit einem Affront zurückgetreten: „Ich will nicht Präsident dieser Bratwurstbude sein.“

Rücktritt nach Bestätigung: Deniz Yücel war Präsident der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrums Deutschland. / dpa Martin Schutt
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Ulrike Moser ist Historikerin und leitet das Ressort Salon bei Cicero.

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Fast wollte man sich freuen,  wo doch gerade Uwe Tellkamp den Literaturbetrieb mit seinem unlesbaren, raunenden, ziegelsteindicken Roman „Der Schlaf in den Uhren“ in ein delirierendes Wachkoma versetzt hat, dass wenigstens bei den Literaten noch etwas Halligalli ist. Wenn man denn wüsste, was da gerade in Gotha bei der Mitgliederversammlung der Schriftstellervereinigung PEN aufgeführt wurde. Ein shakespearesches Königsdrama? „Denver-Clan“? (Für die Jüngeren: Das war eine amerikanische Familienserie der 80er Jahre, in der es wirklich nur um Intrigen, Verrat und andere Fiesheiten ging.) Oder eine Burleske?

Eklat mit Ansage

Dass es hoch her gehen würde im thüringischen  Gotha, das war absehbar. Schließlich sollte dort auch über den Abwahlantrag gegen PEN-Präsidenten Deniz Yücel entschieden werden, der von fast fünfzig Mitgliedern unterzeichnet worden war. Dass die Atmosphäre aber dermaßen aufgeheizt, destruktiv und vergiftet sein würde, erschüttert dann doch. Eine dünne Mehrheit stimmte für den Verbleib von Yücel im Amt. Der dann eine halbe Stunde später überraschend mit einem Wumm vom Amt zurück- und gleich noch aus dem PEN austrat und verkündete: „Ich will nicht Präsident dieser Bratwurstbude sein.“

Dass es mit dem Welt-Journalisten Yücel an der Spitze im PEN keine biedermeierliche Beschaulichkeit geben würde, sondern durchaus etwas lauter werden könnte, dürfte bei seiner Wahl im vergangenen Oktober, wo er eine überwältigende Mehrheit erhielt, jedem klar gewesen sein. Aber man entschied sich für ein prominentes  Gesicht, für einen politischen Kopf, für mehr mediale Außenwirkung und Debatte. Und nahm hin, dass Yücel kein ausgleichender und moderierender Charakter ist. Tatsächlich ist der PEN mit Yücel an der Spitze auch im positiven Sinne sichtbarer geworden in der Öffentlichkeit, etwa mit einem „Writers in Exile“-Programm, das verfolgten Schriftstellern hilft. Das alles weckte die Hoffnung auf eine Modernisierung und Verjüngung der überalterten Schriftstellervereinigung.

Wie sehr es von Anfang an nach Yücels Wahl im PEN hakte, rumpelte, schwelte und zündelte, erfuhr die Öffentlichkeit, als Yücel auf dem Literaturfestival lit.Cologne am 15. März eine Flugverbotszone über der Ukraine und militärischen Beistand für das Land durch die Nato gefordert hatte. Die früheren PEN-Präsidenten Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske sahen in den „öffentlichen militärstrategischen Äußerungen“ einen Verstoß gegen die Charta des PEN, gegen das „Ideal einer in Frieden lebenden Menschheit“ und forderten Yücel daraufhin auf, sein Amt niederzulegen.

Und dann ging das Elend erst wirklich los, dann wurde so richtig schmutzige Wäsche gewaschen. E-Mails wurden veröffentlicht, durch die bekannt wurde, dass Yücel ihm unliebsame PEN-Mitglieder als „Flusspferde“ oder „Silberrücken“ bezeichnet hatte. Das PEN-Mitglied Petra Reski warf ihm „Mobbing“ und „Verschlagenheit“ vor. Yücel wurde ein „ziemlich herrischer Umgangston“ zur Last gelegt. Von einem „Erschrecken über Umgangsstil, Sprache und Herrscherallüren“ ist die Rede. Dass sich auch die Gegenseite Yücels nicht durch Feinsinnigkeit und ziselierte Wortwahl auszeichnet, war gestern in Gotha zu erleben, wo Yücel mit unflätigen Buh-Rufen und Beleidigungen empfangen wurde.

Showdown als Schmierentheater

Der Wunsch nach Einigung oder Versöhnung war  von keiner Seite wirklich zu erkennen. Und auch Yücel eröffnete keine Perspektive, machte keine Angebote. Er forderte Zustimmung zu seiner Person ein, ohne wenn und aber: „Ich habe es nicht nötig – take it or leave it, PEN.“ Das ist selbstgerecht, arrogant und auch ein wenig selbstmitleidig. Dass er dennoch eine Mehrheit hinter sich versammeln konnte, reichte ihm offenbar nicht. Zumal er auf Twitter, wo er die Gründe für seinen Rücktritt darlegte, noch einmal ordentlich austeilte. Der PEN sei „dominiert von Spießern und Wichtigtuern Ü 70“. Und dass es „wichtigeres“ gebe als diese Vereinigung.

Der Showdown hat sich als Schmierentheater erwiesen; von diesem Tag wird sich der PEN so schnell nicht erholen. Es hat nur Verlierer gegeben. Und wohin der Weg führt, ist völlig offen. Man kann nur hoffen, dass dem PEN nicht widerfährt, was unserer Rezensent Johann Michael Möller dem Schriftsteller Uwe Tellkamp attestiert: ein „redseliges Verstummen“.

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