
- Absturz in düsteres Raunen
Neunhundert Seiten, die kein Ende nehmen wollen: Uwe Tellkamps lange angekündigter Roman „Der Schlaf in den Uhren“ ist das redselige Dokument des literarischen Verstummens. Doch inmitten des endlosen Stroms düsteren Raunens finden sich auch einige starke Passagen.
Eine der schönsten Passagen dieser lange erwarteten Fortsetzung von Uwe Tellkamps Erfolgsroman „Der Turm“ ist die Begegnung mit der Welt des Dresdner Malers und Bildhauers Hermann Glöckner. Sie findet sich fast am Ende der 900 Seiten, die kein Ende nehmen wollen und auch den gutwilligsten Leser ertrinken lassen in einer Flut von Namen, Ortswechseln, Erinnerungsfetzen und apokryphen Zitaten, die sich nur selten zu einem Erzählstrom verbinden und über weite Strecken allenfalls eine vage Vorstellung davon hinterlassen, was der Autor damit denn will. „Lava“, wie der Roman ursprünglich hatte heißen sollen, wäre sicher der passendere Titel gewesen. „Schlaf in den Uhren“ heißt der Roman jetzt, was man sich ziemlich ungemütlich vorstellen muss, allein wegen der vielen Zahnräder und der ständigen Drehung im Uhrzeigersinn.
Aber das Uhrwerk ist womöglich doch die richtige Metapher für eine Ordnung, die sich zwar fortbewegt, aber sich in Wahrheit doch nur im Kreise dreht. Auch in der Vorstellungswelt dieses Autors. Erinnerung geht in die Gegenwart über, die Unterschiede zwischen östlichem und westlichem Leben verwischen. Am Ende scheint alles gleich. Und von denselben bösen Mächten versaut. Die neue, die „trevische“ Gesellschaft, wie Tellkamp sie nennt, unterscheidet sich kaum von der alten; auch der neue Turm steht über den Labyrinthen eines düsteren unterirdischen Reiches. Mit der trügerischen Sehnsuchtswelt kehrt die alte Hölle nur wieder. Nur diesmal hat man sein Laguiole-Messer dabei.