Reform der Lehrerausbildung - Schafft den Beamtenstatus ab!

Deutschlands Bildungssystem ist marode. Statt Lehrer mit noch mehr Geld zuzuschütten, wie die Bundesbildungsministerin vorschlägt, sollte der Lehrberuf für Anwärter ohne Abitur geöffnet und der Beamtenstatus durch Leistungsanreize ersetzt werden.

Neue Lehrkräfte mit der Lupe suchen? Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Gideon Böss ist Roman- und Sachbuchautor und hat unter anderem über Religionen in Deutschland und Glücksversprechen im Kapitalismus geschrieben.

So erreichen Sie Gideon Böss:

Anzeige

Das deutsche Bildungssystem ist mit einem schwerreichen Fußballverein zu vergleichen, der trotz eines sündhaft teuren Kaders immer nur im unteren Mittelfeld landet. Zwar bezahlt kaum ein Land seinen Lehrern mehr Geld, doch spiegelt sich das in keiner Weise im Zustand des Bildungssystems wider. Deutschland fällt immer weiter zurück und verliert die Spitzengruppe aus den Augen. Für ein Land, dessen Wohlstand nicht in natürlichen Ressourcen gründet, sondern in der Leistungsfähigkeit seiner Bürger, ist das eine alarmierende Entwicklung.  

Auch deswegen hat Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nun laut über Reformen nachgedacht. Leider bewegt sie sich dabei innerhalb der Denkweise, die Deutschlands Bildungsabstieg erst möglich gemacht hat. Sie will das Problem unter anderem dadurch angehen, dass engagierte Lehrer mehr Geld bekommen sollen. War Geld aber bisher wirklich das Problem gewesen?

Mit 84.000 Euro Jahreseinkommen sind Deutschlands Lehrkräfte weit über dem OECD-Durchschnitt von 46.000 Euro, während sie bei den Unterrichtseinheiten mit 641 Stunden deutlich unter dem internationalen Durchschnitt von 711 Stunden liegen. In Deutschland verdienen Lehrer also gut und sind zusätzlich vom Tag ihrer Verbeamtung an bis zum Lebensende abgesichert. Ein weiteres Privileg, von dem die meisten Lehrer auf der Welt nur träumen können. Man sollte darum annehmen, dass es keine weiteren finanziellen Anreize braucht, um seinen Job gut und gerne zu machen. Wenn überhaupt, wäre wohl eher eine Reduzierung oder Einbehaltung von Gehalt sinnvoll, wenn jemand seiner Arbeit nur lustlos nachgeht.  

Lehrer als Ausbildungsberuf

Deutschlands Schulen sind weltweit eigentlich nur noch im Lehrergehalt spitze, davon abgesehen sieht es düster aus. Warum unter diesen Umständen ausgerechnet das Ausschütten von noch mehr Geld über die Lehrer die Krise lösen sollte, bleibt das Geheimnis der Bildungsministerin. Dabei wäre es Zeit für eine wirklich mutige Reform, die zwei Schritte umfassen sollte.

Zum einen die Abschaffung des Beamtenstatus, der ein lehrbuchhaftes Beispiel für falsche Anreizsetzung ist. Selbst faule Lehrer können praktisch nicht mehr aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, sobald sie es einmal hineingeschafft haben. Anstelle einer Karriereleiter gibt es eine Karriererolltreppe, die jeden sanft durch das Berufsleben schiebt – ganz gleich, ob sich eine Lehrkraft nun besondere Mühe gibt oder nicht.

Das eigene Engagement und die Karriererolltreppe sind zwei getrennte Ereignisse, die sich nicht gegenseitig beeinflussen. Das würde sich durch die Abschaffung des Beamtenstatus ändern, wovon die Schüler profitieren würden, die im Durchschnitt motiviertere Pädagogen vor sich hätten. Denn in diesem Fall könnte die ursprüngliche Idee von Stark-Watzinger sehr wohl zum Einsatz kommen, dass besonders gute Lehrer auch entsprechend besser bezahlt werden sollten. Noch wichtiger wäre aber, dass diese leistungsgerechtere Bewertung bei gleichzeitigem Verlust des Beamtenstatus jene Lehrer unter Druck setzen würde, denen bisher kaum beizukommen ist, wenn sie innerlich schon Jahre oder Jahrzehnte vor der Pensionierung gekündigt haben.   
 

Mehr zum Thema Schule:


Dass der Wegfall des Beamtenstatus dafür sorgen würde, dass weniger statt mehr junge Menschen Lehrer werden wollen, ist unwahrscheinlich. Zumal der zweite Teil dieser Reformidee die Zahl potenzieller Interessenten erheblich erweitern würde. Aus dem Lehramtsstudium sollte künftig nämlich ein Ausbildungsberuf werden, für den der Realschulabschluss reicht. Es gibt keinen Grund, warum Lehrer zwingend an der Universität ausgebildet werden müssen. Dieser Beruf erfordert kein Expertenwissen wie etwa in der Wissenschaft, der Forschung oder Medizin. Was nicht zu schwer ist, um es Schülern beizubringen, ist auch nicht zu schwer, um es in einer Ausbildung zu erlernen.  

Kinder aus bildungsfernen Schichten

Der Lehrerberuf, künftig ohne Beamtenstatus, aber weiter mit hohem Gehalt, wäre damit für viele Zehntklässler eine interessante Überlegung. Nicht zuletzt, weil die Verdienstmöglichkeiten weit über denen der meisten anderen Ausbildungsberufe liegen würden. Profitieren würden davon überproportional viele Kinder aus bildungsfernen Schichten, in denen oft zu wenig Wert auf einen hohen Schulabschluss gelegt wird.

Die Folge sind frühzeitige Abgänge und eine berufliche Laufbahn, die weit unter den Fähigkeiten dieser jungen Männer und Frauen liegt. Ihnen würde mit der Ausbildung zum Lehrer eben der gesellschaftliche Aufstieg gelingen, der ihnen zu wünschen wäre und der ihren Talenten entspricht. Zugleich würde sich dadurch auch die Zahl der Lehrer mit Migrationshintergrund spürbar erhöhen, in denen Schüler mit Migrationshintergrund womöglich auch ein besonderes Vorbild sehen könnten. Womit idealerweise auch die Integrationsfähigkeit gestärkt werden würde.   

Gute Gründe für eine mutige Reform

Deutschland bildet zu wenige Lehrer aus und muss dieses Problem dringend beheben. Es kann sich Unterrichtsausfall und vernachlässigte Klassen schlicht nicht leisten und riskiert damit die Zukunftschancen der betroffenen Schüler. Die hier vorgeschlagenen Änderungen würden unterm Strich für mehr engagierte und motivierte Lehrer sorgen, da niemand mehr wegen des Beamtenstatus diesen Beruf ergreifen würde. Und sie würden deutlich mehr jungen Menschen aus bildungsfernen Familien die Möglichkeit geben, durch eine Ausbildung zum Lehrer sozial aufzusteigen.

Ein Versprechen, das Deutschland viel zu selten einlöst, das im Vergleich zu anderen westlichen Gesellschaften wenig soziale Durchlässigkeit aufweist. Es gibt also gute Gründe für eine mutige Reform. Was meinen Sie, Frau Stark-Watzinger, warum nicht künftig Lehrerausbildung statt Lehramtsstudium? 

Anzeige