Kurz und Bündig - Julia Zange: Die Anstalt der besseren Mädchen

Wo Mädchen draufsteht, ist momentan Musik drin, vor allem für die Buchbranche. Julia Zanges Romandebüt trägt das M-Wort gleich im Titel. «Die Anstalt der besseren Mädchen», so mutmaßt man sofort, könnte die Zielgruppen-Prosa für jene «Neuen deutschen Mädchen» sein, die gerade auf dem Sachbuchmarkt reüssieren.

Wo Mädchen draufsteht, ist momentan Musik drin, vor allem für die Buchbranche. Julia Zanges Romandebüt trägt das M-Wort gleich im Titel. «Die Anstalt der besseren Mädchen», so mutmaßt man sofort, könnte die Zielgruppen-Prosa für jene «Neuen deutschen Mädchen» sein, die gerade auf dem Sachbuchmarkt reüssieren. Nach ein paar Seiten muss man sich allerdings eine zweite Hypothese zulegen: Vielleicht ist dieser Roman das Killerkaninchen unter all den ebenso harmoniesüchtigen wie feminismusfernen Mädchen-Entwürfen. Ob sich die bekennenden 25- bis 35-jährigen Mädchen nach diesem Pastell-Inferno immer noch als solche bezeichnen würden? Julia Zange, Jahrgang 1983, fährt in gnadenloser Überzeichnung alles auf, was die rosa Klischeekiste zu verwöhnten Kindfrauen hergibt. Loretta ist Mitte zwanzig und lebt mit Malte zusammen in Berlin. Sie sammelt Tierfotos, mag postmoderne Kunst, Blumen und kleine flauschige Hundewelpen. Dabei wirkt sie selbst wie ein Rehkitz mit großen feuchten Augen – eines allerdings, das von fiesen Tollwutanfällen geschüttelt wird. Als sie schwanger wird und eine Tochter bekommt, ist klar, dass sich das Kind auf keinen Fall zu einer Loretta-Kopie entwickeln darf. Die überforderte Mutter flüchtet aus der Stadt und landet in einer bizarren Landkommune, eben der «Anstalt für bessere Mädchen»: ein Haufen zärtlicher Cousinen, die ihr beim Erwachsenwerden auch nicht helfen können. Loretta kehrt zurück zu Malte, der sie erziehen will, aber gleichzeitig ihre Unselbständigkeit und Zickenhaftigkeit zur eigenen Ego-Vergrößerung braucht. «Sie hat sich für ein Herrchen entschieden», steht auf der vorvorletzten Seite des Romans, und in einer genau dosierten Mischung aus Narzissmus und Selbsthass bezeichnet Lore das Baby als «kleine Nutte». In seinen besten Momenten gelingen dem Buch solche bitterbösen, sprachlich messerscharfen Szenen, die ein wenig nach Elfriede Jelinek klingen; in seinen schlechteren Passagen fuchtelt es allzu offensichtlich mit Rainald Goetz und mit barocken Blumendichtern. Julia Zange strapaziert jedes Klischee so lange, bis es an seiner eigenen Süßlichkeit erstickt; am deutlichsten wird das bei den David-Hamilton-artigen Erotik-Grotesken: «Die Mädchen lehnen am Kastanienstamm und saugen Taubnesselblüten aus, sie tragen nichts außer ihren Nachtslips, ihre Haut schimmert durchscheinend und blütenrosa.» Ähnlich wie die Katzen-Aquarelle des Malers Martin Eder, die als grauenhafter Kitsch den Kunstmarkt persiflieren (der dann trotzdem Unsummen dafür zahlt), bleiben auch Julia Zanges Mädchenmädchen ganz nah dran am dekonstruierten Objekt. Trotz der Masse an niederträchtig niedlichen Bambi-Bildern scheint der Roman aber am M-Fetisch kleben zu bleiben, fast so, als käme er wie seine Heldin nicht mehr vom rosa Trip runter. Man darf gespannt sein, wie sich Julia Zange nach diesem vieldeutig funkelnden Debüt in die Mädchen-Debatte einschalten wird.     

 

Julia Zange
Die Anstalt der besseren Mädchen
Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2008. 158 S., 15 €
 

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