Antisemitismus - Ist das Jüdische Museum ein anti-jüdisches Museum?

Der Bundestag hat in einem überparteilichen Beschluss die anti-israelische BDS-Kampagne verurteilt. Ausgerechnet das Jüdische Museum Berlin kritisiert das Parlament dafür. Es sei nicht das erste Mal, dass die jüdische Kulturstätte durch antizionistisch wirkende Aktionen auffalle, schreibt Elio Adler

Warum verteidigt das Jüdische Museum anti-israelische Kampagnen? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Elio Adler, 48, ist Gründer und Vorsitzender des Vereins „WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen“, der sich als eine zivilgesellschaftliche Stimme jüdischer Deutscher versteht. Im Mai wurde er als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ vom gleichnamigen Bündnis ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin. Foto: Privat

So erreichen Sie Elio Adler:

Anzeige

Manchmal denkt man, man hat sich auf Twitter verlesen. Man denkt, man habe in den 160 Twitter-Zeichen die entscheidende Negation oder das Wort überlesen, welches den absurden Inhalt eines Tweets um 180 Grad ins stimmige Gegenteil wendet. So ging es mir zunächst am 6. Juni 2019, als das Jüdische Museum Berlin seine dringende Leseempfehlung twitterte:

Daran hing ein Artikel der Tageszeitung, der den Bundestag, der vor kurzem, in einem überparteilichen Beschluss die anti-israelische „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“-Kampagne verurteilt hatte, eben dafür scharf kritisierte.

Anti-israelische Kampagne

Nachdem zuvor bereits viele Bundesländer, lokale Parteigliederungen, Verwaltungen, der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, die meisten Länderbeauftragten gegen Antisemitismus und sogar schon im Januar 2018 der Bundestag selbst der anti-israelischen BDS-Kampagne den Kampf angesagt hatten, war es dem Jüdischen Museum offenbar ein Herzensanliegen, die vermeintlich entlastenden Argumente der BDS-Sympathisanten zu verbreiten.

Ich hatte mich also nicht verlesen und muss gestehen, davon nicht überrascht gewesen zu sein. Denn bereits in der Vergangenheit hatte sich das Jüdische Museum Berlin unter anderem durch Einladungen von Befürwortern der BDS-Kampagne problematisch positioniert.

Sogar Linke und AfD sind gegen BDS

Nur hatte besagter Tweet hier eine neue Qualität: Es handelte sich um den Eingriff in eine politische Debatte, zum Nachteil von in Deutschland lebenden Juden. Denn wir sind es, die erleben, wie die BDS-Kampagne obsessiven Israelkritikern (einige kann man auch Antisemiten nennen) eine vordergründig politisch korrekte Plattform bietet. Somit erleben wir das Gegenteil von dem, was das Jüdischen Museums ausdrückt: „Der Beschluss der Parlamentarier hilft im Kampf gegen Antisemitismus nicht weiter“.

Doch. Tut er. Natürlich kann man die israelische Regierungspolitik kritisieren und ich kenne kaum ein Land, in dem dies so intensiv passiert wie in Israel. Die BDS-Kampagne ist jedoch etwas anderes und genau das hat der Bundestag parteiübergreifend erkannt. Sogar die Linke und die AfD haben sich mit eigenen anti-BDS-Anträgen eindeutig positioniert.

Vertrauen verspielt

Durch diesen Tweet hat auch das Jüdische Museum Farbe bekannt, denn der Tweet ist kein Zitat, sondern eine klare Meinungsäußerung. Damit hat es in eine politische Debatte eingegriffen und ist damit einer im Kern antisemitischen Kampagne zu Hilfe gekommen. Dies hätte nicht passieren dürfen, denn von einer wissenschaftlichen Einrichtung wie einem Museum darf man eine gewisse politische Neutralität erwarten. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schlussfolgerte zutreffend: „Das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft ist verspielt“.

Wichtig ist, diese neuerliche Entgleisung nicht ohne den Kontext anderer Vorkommnisse zu betrachten: Wir beobachten schon seit einer Weile eine merkwürdige Agenda, die so nicht weitergehen kann. So lud das Jüdische Museum Berlin im Oktober 2018 zum Beispiel zu einer Veranstaltung über „Islamophobie“ ein. Mit eingeladen: Aktivisten mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft und der anti-israelischen BDS-Kampagne.

Holocaustleugner empfangen

Auch die Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ war hoch umstritten, da sie in den Augen vieler Besucher ausgerechnet die jüdisch-israelische Perspektive auf Israels Hauptstadt Jerusalem zu wenig beleuchtete.

Am 8. März 2019 schließlich empfing der Museumsdirektor, Peter Schäfer, einen Repräsentanten des iranischen Regimes, Kulturrat Seyed Ali Moujani. Ein Regime, das regelmäßig den Holocaust leugnet, Israel mit Vernichtung droht und alle Werte, die unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausmachen, mit Füßen tritt. Über den Besuch wurde seitens der iranischen Botschaft ein Bericht veröffentlicht, laut dem Direktor Schäfer folgende Aussage getätigt haben soll:

„Sie (Moujani Anm. d. Red.) wiesen auch auf einen wichtigen Punkt hin, ein Paradigma welches heute nicht nur in Frankreich zu beobachten ist, sondern auch in Deutschland. Es betrifft die begriffliche Gleichsetzung von Antisemitismus mit dem Antizionismus, dieses sollte unbedingt Beachtung finden und unter die Lupe genommen werden. Ich war sehr froh, als ich hörte, wie Sie das mit der Grenze zwischen dem Islam und dem IS verdeutlicht haben.“

Gleichsetzung von IS und Zionismus

Hätte er dies wirklich so gesagt, würde er zustimmen, dass Antizionismus (also, dass man Juden das Recht auf territoriale Selbstbestimmung in einem eigenen Land verwehrt) und Antisemitismus nichts miteinander zu tun hätten. Eine beliebte Masche der Israelfeinde. Ferner würde dies bedeuten, dass er Zionismus für eine ebenso meuchelmordende Entartung des Judentums hielte, wie dies der Islamische Staat (IS) eine des Islam sei.

Das Jüdische Museum hatte dieser Darstellung auf Nachfrage nicht etwa heftig widersprochen, sondern lediglich die iranische Botschaft am 18.03.2019 gebeten, den Artikel zu entfernen. Erst nach dem Druck der vergangenen Tage, hat Direktor Schäfer nun in einem Spiegel-Interview klare Worte der Distanzierung gefunden.

Museumsleitung erfüllt eigenen Anspruch nicht

Nun ist man versucht, diese Vorkommnisse als Teil der Darstellung eines breiten Meinungsspektrums einordnen zu wollen. Das ist aber falsch: Veranstaltungen, in denen die Position der israelischen Regierung wiedergegeben wurde, sind nicht bekannt. Insofern kann beim Jüdischen Museum Berlin noch nicht einmal von einem ausgeglichenen Programm die Rede sein. Laut eigener Erklärung auf der Homepage ist die Mission des Museums, ein lebendiger Ort der Reflexion über die jüdische Geschichte und Kultur zu sein. Diesem Anspruch wird die Museumsleitung mit einseitigen Betrachtungswinkeln nicht gerecht.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat hier als Vorsitzende des Stiftungsrats eine Verantwortung, wenn sie verhindern will, dass das Jüdische Museum sich nicht weiter als ein anti-jüdisches Museum etabliert. Die Politik und das Jüdische Museum sollten nun ernsthaft überlegen, seine Ausrichtung zu ändern und personelle Konsequenzen zu ziehen.

Anzeige