„Hart aber fair“ über WM in Katar - Tschüss, Herr Plasberg!

Nach rund 750 Sendungen hat Frank Plasberg am Montagabend das letzte Mal „Hart aber fair“ moderiert. Der 65-Jährige verabschiedet sich mit einer Diskussionsrunde zur WM in Katar.

Frank Plasberg verabschiedet sich von Zuschauern und Mitarbeitern / Screenshot
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

In zwei Jahrzehnten politischen Talks kann einiges passieren. Gemessen daran, ist Frank Plasberg mit der Moderation von „Hart aber fair“ in den vergangenen 21 Jahren recht glimpflich davongekommen. Gut, im Jahr 2012 beschwerten sich die Zuschauer über einen Baumarkt-Talk, weil der zu seicht gewesen sein soll. Im Jahr 2015 gab es dann Ärger, weil die Sendung „Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?“ die immergleichen Dauerempörten wegen zu viel Humor auf die Barrikaden gehen ließ. Und vor drei Jahren stürmte eine angebliche Feministin die Bühne und redete wirres Zeug von irgendwelchen Bundesnachrichtendiensten, die im Internet Antifeminismus verbreiten würden.

Ansonsten aber konnten Frank Plasberg, der nur zwischendrin mal zwei Monate krankheitsbedingt von Susan Link vertreten wurde, und sein Team halbwegs störungsfreies Talk-Fernsehen machen. Rund 750 Sendungen sind es am Ende geworden, manche besser, manche schlechter. Und obwohl „Hart aber fair“ nie Plasbergs Namen trug, ist sein Gesicht untrennbar mit dem Talkformat verbunden. Man darf deshalb gespannt sein, was der gut halb so alte Louis Klamroth, 33, von Januar an aus „Hart aber fair“ als Plasberg-Nachfolger machen wird. Klamroth kommt von ProSieben und dürfte dem deutlich älteren ARD-Publikum kaum bekannt sein. Wenn ein Neuanfang, dann richtig, lautet wohl die Devise. Ob es auch die Siegerformel sein wird, muss sich zeigen. Mehr zum Generationenwechsel lesen Sie übrigens hier

Wie die Faust aufs Auge

Zuvor musste Frank Plasberg aber noch seine letzte Sendung moderieren. Es ging – wie könnte es kurz vor dem Auftaktspiel des Gastgebers gegen Ecuador auch anders sein – um die WM in Katar. Und obwohl das Wort „umstritten“ mittlerweile ja ziemlich inflationär für alles und jeden verwendet wird, wenn irgendwo nur irgendwie gegen den Zeitgeist gebürstet wird, passt es in Zusammenhang mit dieser Herbst-WM in der Wüste des Emirats doch wie die Faust aufs Auge. 

Über den Sinn und Unsinn dieser WM diskutierten am Montagabend Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die, das wird gerne vergessen, auch Sportministerin der Bundesrepublik ist, der ehemalige Fußballprofi Thomas Hitzlsperger, die ehemalige Bundesligaspielerin Tuğba Tekkal, Steffen Simon, Mediendirektor des Deutschen Fußball-Bundes, sowie Willi Lemke, Ex-Manager des Bundesligistin Werder Bremen. 

Die Rahmenbedingungen für diese Diskussion sind selbstredend gesetzt. Am Wochenende riefen zahlreiche Ultra-Gruppierungen via Spruchbannern in ihren Kurven und auf ihren Tribünen zu einem Boykott der WM auf. Es gibt eine Reihe Dokumentationen, die sich mit den nicht koscheren Vergabebedingungen an Katar genauso intensiv beschäftigen wie mit der Menschenrechtssituation im Emirat, insbesondere mit der Lage von Frauen, Homosexuellen und Gastarbeitern. Und natürlich fragt sich auch der gewöhnliche Fußballfan, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, den vorläufigen traurigen Höhepunkt einer Entwicklung im TV zu verfolgen, die im Profifußball schon vor Jahren eingesetzt hat: die von der Kommerzialisierung des Fußballs um jeden Preis. Im Fall von Katar sogar um den Preis toter Gastarbeiter. 

Andererseits kann man auch nicht aus seiner Haut. WM ist eben nur alle vier Jahre – und nicht wenigen Menschen im Land dürfte das wohlige Fußballgefühl noch präsent sein, das in Deutschland während des „Sommermärchens“ 2006 eingezogen ist, und die Euphorie acht Jahre später, als das DFB-Team in Brasilien durch das eine Tor von Mario Götze in der Verlängerung Weltmeister wurde. Was also tun mit dieser WM in Katar? Boykottieren? Politik vom Sport trennen? Oder sie gar als Chance sehen, dass sich in Katar die Dinge zum Besseren wegen dieser WM verändern könnten? 

Sport soll Brücken bauen

„Wir haben sehr schwere Jahre hinter uns in Deutschland“, sagt etwa Willi Lemke mit Blick auf die Corona-Pandemie und den russischen Überfall auf die Ukraine im Februar. Und weiter: „In so einer Zeit brauchen ich und viele andere Menschen auch etwas Positives.“ Der Sport solle nicht Gräben aufreißen, sondern Brücken bauen, findet Lemke – und lobte anschließend Thomas Hitzlsperger für seine Katar kritische Dokumentation „Katar, warum nur?“, die vor „Hart aber fair“ in der ARD ausgestrahlt wurde.

Dafür war Hitzlsperger, der nicht nur ehemaliger Fußballprofi ist, sondern auch einer der ersten populären Spieler, die sich öffentlich als homosexuell geoutet haben, nicht nur nach Katar gereist, sondern besuchte auch eine Witwe eines Gastarbeiters in Nepal. Er sagt am Montagabend bei „Hart aber fair“: „Diese Freude, die ich als Kind empfunden habe und auch all die Jahre, die ich selbst gespielt habe, die ist weg.“ Außerdem fordert er, Geld in Nepal zu investieren, um die Hinterbliebenen wenigstens finanziell zu entschädigen.

Auf Kriegsfuß mit der FIFA

Die ehemalige Bundesligaspielerin und Menschenrechtsaktivistin Tuğba Tekkal dagegen nimmt vor allem auch die FIFA in die Pflicht, also den Weltfußballverband, der die WM ja überhaupt erst in die Wüste entsandt hat. Tekkal sagt: „Der Druck muss erhöht werden.“ Vor allem mit FIFA-Präsident Gianni Infantino, der mittlerweile in Katar lebt, scheint Tekkal auf Kriegsfuß zu sein. Sie stört sich unter anderem daran, dass der FIFA-Präsident Kritik an Menschenrechtsverletzungen in einem Brief an die Verbände als „Moralvorträge“ bezeichnet hatte. Jemand, der sich so äußere, sagt Tekkal, lasse „keinen Zweifel daran, wie egal ihm das ist“. 

Und dann waren da ja noch Bundesinnenministerin Faeser und Steffen Simon, Mediendirektor des DFB. Faeser, erzählt sie, hadere derzeit noch mit einer finalen Entscheidung zur Frage, ob sie zur WM nach Katar reisen werde, betonte aber auch, dass es bereits Gespräche mit Katar gegeben habe, etwa zu den Rechten von Homosexuellen im Emirat, wo ihre sexuelle Orientierung als „haram“ gilt, als Sünde. Faeser sagt: „Wir haben zum einen die Rechte von LGBTQI-Menschen angesprochen und deutlich gemacht, wie wichtig die Einhaltung von Menschenrechten ist.“ Und weiter: „Meine Aufgabe als Innenministerin ist eben auch, diese Themen mit meinem Pendant dort zu besprechen.“ Schließlich sei es auch darum gegangen, dass deutsche Fußballfans sicher seien in Katar. 

Ein schlechtes Gewissen 

Steffen Simon wiederum, der den meisten Lesern wohl noch als Fernsehmoderator und Sportkommentator bekannt sein dürfte und seit Mai 2022 für den DFB arbeitet, räumt ein, dass diese WM sicherlich politischer sei als alle Fußballweltmeisterschaften davor. Muss er auch. Denn auch der DFB steht wegen der WM in Katar in der Kritik. Vorwürfe der „Doppelmoral“ waren in den vergangenen Monaten ebenso zu lesen und zu hören, wie Kritik daran, dass der DFB sich öffentlich nicht deutlicher geäußert habe gegenüber dem WM-Gastgeber. Selbst die Kapitänsbinde des DFB-Torwarts Manuel Neuer wurde kritisiert, da er mit dieser zwar ein Zeichen setzen wolle für Vielfalt, aber eben zu dezent angesichts der prekären Menschenrechtssituation im Emirat.
 

Das könnte Sie auch interessieren:


Plasberg wollte von Simon deshalb wissen, ob FIFA-Präsident Infantino wenigstens so etwas wie ein schlechtes Gewissen habe, wonach sich eine solche Vergabe nicht wiederholen dürfe. Simon sagt: „Infantino ist erst dazu gekommen, als das Kind längst im Brunnen lag.“ Er sagt aber auch, dass er Infantino – von Plasberg darauf angesprochen – nicht für einen „Aufräumer“ innerhalb der FIFA halte. Außerdem, so Simon, müsse zudem jeder Zuschauer selbst entscheiden, ob er die Spiele boykottieren wolle. Und immerhin, das ganz zum Schluss, äußert Willi Lemke dann noch einen gewissen Optimismus, dass sich in Katar mit der WM etwas zum Positiven verändern könne. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. 

Ein Stück Fernsehgeschichte geht zu Ende

Irgendwann geht diese letzte Plasberg-Sendung dann zu Ende – und ein bisschen Wehmut dürften sich selbst jene Zuschauer in den letzten Minuten nicht verkniffen haben können, die das Sendungskonzept zuletzt eher als überholt kritisiert und Plasberg in Diskussionen über die Corona-Maßnahmen etwa als zu parteiisch pro Regierung wahrgenommen haben. Denn natürlich endet mit dem Abschied von Frank Plasberg von „Hart aber fair“ am Montagabend auch ein Stück Fernsehgeschichte.

Und zwar so: Plasberg geht ein allerletztes Mal hinüber zu Brigitte Büscher, bei „Hart aber fair“ zuständig für die Zuschauerkommentare. Wie immer liest sie Nachrichten vor, die im Gästebuch oder in den sozialen Medien aufgelaufen sind. Dieses Mal sind darunter auch solche von Zuschauern, die sich von Plasberg verabschieden. Einer schreibt vom „Lebenswerk“ Plasbergs, andere haben Ideen für dessen Rente. Und dann betritt Louis Klamroth das Studio. Ein Einspieler folgt, mit Plasberg-Szenen aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Witze und Romantik sind zu sehen, Streits und Kontroversen ebenso. „Jetzt ist Frank 65 und hört auf“, sagt die Frauenstimme aus dem Off. Anschließend ein Blumenstrauß und das Publikum klatscht Standing Ovations. Auch Cicero sagt: Tschüss, Herr Plasberg!

Anzeige