Bald kommt der Frühling - Zeit für frische Kräuter

Im März beginnt unser Genusskolumnist stets mit der Bepflanzung seines Balkons und später auch des Gartens mit Kräutern. Seinen Geschmackshorizont hat das in den vergangenen Jahren beträchtlich erweitert. Außerdem macht es einfach viel Freude.

Ein kleiner Kräutergarten bedeutet pure Lebensqualität / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Noch haben Kaltwetterfronten und regnerisches Schmuddelwetter große Teile Deutschlands fest im Griff, doch mitunter lässt sich der nahende Frühling bereits erahnen. Für viele Menschen ist das die schönste Zeit des Jahres, denn sie signalisiert Aufbruch und Neustart, vor allem in der Natur. In Parks und auf Wiesen erfreuen die ersten Frühjahresblüher das Auge, und bald können wir auch die Düfte des Frühjahrs genießen, zum Beispiel die des Bärlauchs.

Allmählich kann und sollte man sich in dieser Zeit auch mit Kräutern befassen, die man jetzt anziehen und bald auch aussähen oder als Setzlinge pflanzen kann, auch auf dem Balkon. Natürlich kann man auch alles fertig kaufen, aber das Setzen, Pflegen und Ernten von Pflanzen hat eine hochsymbolische Bedeutung und kann ein Quell innerer Befriedigung sein.

Doch es geht auch noch um etwas anderes. Kräuter bieten ein nahezu unerschöpfliches Füllhorn an Aromen für die Verfeinerung von Speisen. Die manchmal an Wunderglauben grenzenden Heilsversprechen zu den gesundheitlichen Wirkungen von Kräutern lassen wir da mal außen vor. Sie sind vor allem für Tees relevant – schließlich futtern wir die Kräuter in der Küchenpraxis ja nicht löffelweise. Aber ganz frisch geerntete Kräuter, die quasi direkt aus dem Beet oder dem Topf heraus verarbeitet werden, haben geschmacklich in vielen Fällen ein ganz anderes Level als abgepackte Ware oder gar getrocknete Kräuter.

Finger weg von Fertigmischungen

Natürlich gibt es im Umgang mit Kräutern in der Küche etliche Irrwege. „Viel hilft viel“ ist einer davon, und „weniger ist mehr“ kommt der Sache schon wesentlich näher. Das betrifft sowohl die schiere Menge als auch die Kombinationen verschiedener Kräuter.

Ein weiterer Irrweg sind die überall angebotenen fertigen Kräuter- oder Gewürzmischungen, die entweder bestimmten Regionen („Provence“, „Italien“, „mediterran“, „asiatisch“ usw.) oder bestimmten Speisen wie Fisch, Geflügel, Wild, Curry oder Tomatensoße zugeordnet werden. Was weder der Vielfalt in den jeweiligen Regionen noch der Bandbreite der bezeichneten Produktgruppen entspricht. Teilweise ist es auch schlicht absurd, denn eine Gewürzmischung, die gleichermaßen passend für Lachs und Sardinen oder für ein Thai-Curry und einen indischen Lammtopf wäre, kann es nicht geben.

Individueller Geschmack ist entscheidend

Diese Mischungen entsprechen genormten Geschmacksstereotypen und verhindern nahezu, die faszinierende Welt der Kräuter und vor allem auch individuelle Vorlieben und Abneigungen wirklich zu entdecken. Mich kann man zum Beispiel mit Dill regelrecht davonjagen und auch mit Lavendel oder Salbei habe ich wenig am Hut. Auf der anderen Seite halte ich ein Leben ohne viel Knoblauch und Basilikum zwar für möglich, aber sinnlos. Gerade bei Kräutern sollte also der individuelle Geschmack der entscheidende Maßstab sein, auch wenn der bisweilen deutlich von den „Mainstream-Rezepten“ abweicht.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Mit Kräutern muss man sich also beschäftigen, wenn man sie wirklich genießen will. Das beginnt bei der Pflege der Pflänzchen. Es gilt den richtigen Standort (Sonne oder Halbschatten), den jeweiligen Platz- und vor allem Wasserbedarf, sowie den richtigen Erntezeitpunkt zu verstehen. Dabei sollte man nicht alles glauben, was man so liest. So wird zum Beispiel allgemein behauptet, dass Basilikum nur vor der Blüte genießbar ist, und die Blätter entsprechend früh verwendet werden sollen, weil sie sonst sehr bitter sind. Dabei haben gerade diese Bitternoten und vor allem die Basilikumblüten selbst ihren ganz eigenen aromatischen Zauber.

Auf die Basics kommt es an

Wenn man selbst Kräuter zieht oder auf dem Balkon oder Garten einpflanzt, hat man natürlich oftmals mehr, als man frisch verbrauchen kann. Da gilt es dann, sich mit den jeweils passenden Methoden zur Haltbarmachung zu beschäftigen, also trocknen, einfrieren, in Öl einlegen oder zur Aromatisierung von Öl und Essig verwenden. Auch bei der Verarbeitung gibt es Fallen. Manche Kräuter kann und sollte man ruhig mitkochen oder in die Vinaigrette geben, andere erst sehr spät hinzufügen. Manche sollte man fein hacken, andere nur grob gezupft verwenden. Manche passen sehr gut zusammen, andere stören sich regelrecht. Darüber kann man allerlei lesen, sollte es aber vor allem selbst ausprobieren.

Natürlich hat wohl kaum jemand die Möglichkeit, alle spannenden Kräuter im eigenen Garten oder auf dem Balkon zu kultivieren. Aber eine kleine Grundausstattung sollte es schon sein, viele Kräuter gedeihen auch auf dem Fensterbrett. Mein Vorschlag für ein Starter-Set: Basilikum, Estragon, Koriander, Liebstöckel, Majoran, Minze, Oregano, Petersilie, Rosmarin, Schnittlauch, Thymian. Für anständige Kartoffelsuppe, Bolognese, Kartoffel- und Erbsensuppe, Kräuterquark und Tomatensalat reicht das schon mal. Und nicht vergessen: In ein paar Wochen in den Wald gehen und frischen Bärlauch pflücken.

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