RTL-Skandal um falschen Petry-Tweet - Ein Moderator sieht rosa

Der RTL-Moderator Maurice Gajda fälschte eine Twitternachricht der Ex-AfD-Politikerin Frauke Petry. Die wehrte sich gerichtlich. Nun hat der Sender Konsequenzen gezogen.

„Explosiv“-Moderator Maurice Gajda hat Frauke Petry rassistische und homophobe Aussagen vorgeworfen, doch die waren wahrscheinlich frei erfunden / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Jetzt hat auch RTL seinen Medienskandal. In der Sendung „Explosiv Weekend“ lief dort am 5. August ein Beitrag über den deutsch-vietnamesischen Sänger Trong Hieu, der beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) auf Platz vier im deutschen Vorentscheid landete. „Explosiv“-Moderator Maurice Gajda trat in dem Beitrag als Reporter auf, traf den Sänger und dessen Freunde.

Vor der Kamera las Gadja ihnen eine abfällige Äußerung der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry vor, die – nach allem, was bisher bekannt ist – offenbar frei erfunden war. Petry ließ das nicht auf sich sitzen. Nun musste RTL gravierende Fehler einräumen und hat den Moderator vor die Tür gesetzt.

„Rosa gefärbter Asiate“

Besonders dreist ist, dass Gajda die höchstwahrscheinlich selbst ausgedachte Aussage Petrys nicht nur mündlich wiedergab, sondern grafisch als Twitternachricht dargestellt einblendete. „Ich glaube kein normaler Deutscher will einen rosa gefärbten Asiaten beim ESC sehen“, war für die RTL-Zuschauer so zu lesen, als handle es sich um ein Bildschirmfoto von Petrys Twitter-Profil. Doch das war es nicht. Es war eine Fälschung.

Screenshot aus dem RTL-Beitrag: Moderator Gajda liest Sänger Trong die gefälschte Twitternachricht vor.​​​​

Das kam heraus, weil Frauke Petry selbst offensiv an die Öffentlichkeit ging und Journalisten des Onlinemagazins Apollo News kritisch nachbohrten. Ihnen gegenüber räumte RTL zunächst ein, dass die in dem Beitrag eingeblendete Twitternachricht grafisch nachgestellt wurde, hielt aber daran fest, dass der Inhalt korrekt wiedergegeben worden sei.

„Unser Reporter hat den Tweet im März gesehen und wortgetreu notiert. Er verbürgt sich dafür. Der Tweet wurde anschließend von Frauke Petry gelöscht, was wir im Beitrag auch erwähnt haben“, erklärte der Privatsender. „Die grafische Umsetzung im Design des Twitter-Profils von Frauke Petry verstößt allerdings gegen unsere journalistischen Guidelines. Dafür entschuldigen wir uns.“

Es gibt keinen Beleg

Frauke Petry reichte das nicht. Sie wehrte sich mit juristischen Mitteln gegen das ihr untergeschobene Zitat. RTL hat inzwischen klein beigegeben und eine entsprechende Unterlassungserklärung unterzeichnet. Maurice Gajda hält hingegen noch an seiner Version fest. Der Streit zwischen ihm und Petry wird wohl vor Gericht geklärt.

Sein bisheriger Auftraggeber verkündete am Donnerstag, „die Zusammenarbeit mit dem freien Reporter und Moderator Maurice Gajda“ fristlos zu beenden. Die internen Prüfungen hätten „schwere Verfehlungen von Maurice Gajda bei der Erstellung des Beitrags ergeben, die mit den journalistischen Grundsätzen und Richtlinien unseres Hauses unvereinbar sind. Zudem konnte bei den weitreichenden Prüfungen bisher auch keinerlei Hinweis darauf gefunden werden, dass es den in dem Beitrag nachgebauten Tweet so jemals gegeben hat.“

„Pinke Herren“

Was es hingegen gab, ist eine andere Twitternachricht von Frauke Petry zum ESC. In der hat sie sich nicht über den Sänger Trong, sondern über die Band „Lord of the Lost“ geäußert, nachdem diese den deutschen Vorentscheid gewonnen hat. „Kann mir nicht vorstellen, dass normale Bürger von diesen pinken Herren vertreten werden wollen“, twitterte Petry über die in hautengen Fetischkostümen auftretende Band, die später beim eigentlichen Wettbewerb auf dem letzten Platz landete.

Petry hat diesen Tweet inzwischen gelöscht. Die Unterscheidung zwischen „normal“ und „pink“ war ihr im Nachhinein wohl auch nicht mehr ganz geheuer. Gut möglich, dass sich RTL-Moderator Gajda, der selbst offen homosexuell lebt, darüber geärgert hat. Doch wie daraus der Tweet über den „rosa gefärbten Asiaten“ wurde, bleibt sein Geheimnis. War es ein Versehen? Falsche Erinnerung? Oder war es Absicht, also eine gezielte Täuschung?

Trickkiste der Desinformation

Fest steht: Journalistisch sauber war es nicht. Wer jemanden wegen einer Äußerung öffentlich kritisiert, ihm Homophobie und Rassismus unterstellt, muss belegen können, dass es diese Äußerung gab. Wenn man das nicht belegen kann, verbreitet man die Äußerung nicht. So einfach ist das. Was man auf keinen Fall machen darf: den fehlenden Beleg selbst basteln, indem man eine Twitter-Nachricht fälscht.

Untergeschobene und verfälschte Zitate sind Werkzeuge aus der Trickkiste der Desinformation. Sie verbreiten sich in den Social-Media-Netzwerken heute sehr schnell. Die großen, redaktionell arbeitenden Medienhäuser – ob öffentlich-rechtlich oder privat – müssen dem gegenüber auf verlässliche, überprüfte Informationen und auf Glaubwürdigkeit setzen. Sonst haben sie weder eine Berechtigung noch eine Zukunft.

Journalistenberuf zieht Hochstapler an

Der Beruf des Journalisten hat immer schon auch etwas Halbseidenes. Er zieht Gesinnungstäter und Hochstapler an. Umso wichtiger ist, dass diejenigen Verantwortungsträger, die ständig von Professionalität und hohen Standards reden, im Alltag auch dafür sorgen, dass sie durchgesetzt werden.

Und es ist wichtig, dass sich unterschiedliche Medien Konkurrenz machen und gegenseitig auf die Finger schauen. Das heißt: Fehler und Fälschungen offenlegen. Politische Scheuklappen, wenn es um die vermeintlich gute Sache geht – nämlich gegen Rechtspopulisten oder für rosa Asiaten – sind falsch.

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