Fatina Keilani, der Quattromob und die Tagesschau - Natürlich wird Antirassismus zum Geschäftsmodell

Fatina Keilani schrieb im Tagesspiegel, der Kampf gegen Rassismus werde für manchen zum Geschäftsmodell. Eine Videoreihe der Tagesschau beweist, warum sie damit Recht hatte und warum „Antirassismus-Berater“ die Priester der Moderne sind.

Unsere „Demokratieabgabe“ bei der Arbeit / Foto: Tagesschau
Anzeige

Autoreninfo

Jakob Arnold hospitierte bei Cicero. Er ist freier Journalist und studiert an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften. 

So erreichen Sie Jakob Arnold:

Anzeige

Es gibt diffuse Ängste. So etwa die unter Kindern anzutreffende Lachanophobie. Sie beschreibt die panische Angst vor Gemüse. Oder die – und jetzt müssen die Betroffenen ganz stark sein – Sesquipedalophobie. Wer darunter leidet, gruselt sich vor langen Wörtern. Mich hat eine andere Sorge fest im Griff: Die Gerascophobie. Die Angst vorm Älterwerden.

Aber nicht wie Sie denken. Klar, die Ampulle des ewigen Lebens würde ich lieber jetzt als in 70 Jahren herunterschlucken, aber darum geht es nicht. Nein, die Sorge rührt woanders her: Mit jedem Tag verwandle ich mich mehr und mehr in das größte aller Schreckgespenster: Ich werde ein alter, weißer Mann. Dieses Etikett wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Alles, was man sagt, jedes vorgebrachte Argument wird wertlos: Was hast du mir schon zu sagen, du alter weißer Mann?

Ein vernünftiger alter, weißer Mann betritt das Minenfeld „Rassismus“ nicht einmal mit zehn Meter hohen Stelzen. Zu groß die Gefahr, von den Explosionen erfasst zu werden. Zum Glück gehöre ich (noch) nicht zur besagten Kohorte: Ich bin ein junger, weißer Mann. Das geht vielleicht gerade so noch durch. Also dann.

Der Kampf gegen Rassismus als Geschäftsmodell

Am 15. Januar schrieb Fatina Keilani im Tagesspiegel über den Kampf gegen Rassismus. In ihrem Text stellt sie die These auf, Weiß-Sein werde zum Makel gemacht, und der Kampf gegen Rassismus sei für manchen zum Geschäftsmodell geworden. Die Resonanz hatte es in sich. Unter der Ägide der „Quattromilf“ formierte sich auf Twitter der „Quattromob“. (Sie nennen sich selbst so.)

Keilani half nicht einmal ihr Migrationshintergrund und ihr ausländisch klingender Name. Wenn der Mob einmal ins Rollen kommt, lässt er sich so leicht nicht mehr von störenden Fakten aufhalten. Die Milf hat gesprochen, ihr Urteil: Keilani verfolgt ein „rassistisches Narrativ“.

These kaum begründet

Das einzige, was man Keilani vorwerfen kann, ist, dass sie ihr Versprechen nicht einhält. Ihre These, Antirassismus werde zum Geschäftsmodell, begründet sie kaum bis gar nicht. Dabei ist die These richtig, weshalb es sich lohnt, an ihre Beobachtungen anzuknüpfen. „White Saviourism“ würde man das wohl in Antirassismus-Zirkeln nennen.

Dass Antirassismus zum Geschäftsmodell geworden ist, beweist ein kürzlich erschienener Beitrag der Tagesschau so wunderbar anschaulich. Der öffentlich-rechtliche Nachrichtenkanal lud auf YouTube eine Videoreihe unter dem Namen „Wie rassistisch bist du? Das Experiment“ hoch. Und nein; es handelt sich hierbei nicht um eine False-Flag Operation der CDU-Landtagsfraktion aus Sachsen-Anhalt, die damit Argumente gegen den Rundfunkbeitrag einschleusen wollte. Die Videos sind echt.

Wie rassistisch bin ich eigentlich?

Über drei Teile erkunden die weißen Teilnehmer in der Sendung, wie rassistisch sie denn nun genau sind. Dass sie überhaupt Rassisten sind, steht schon vor der Untersuchung fest – sie sind schließlich weiß. Ihnen werden Fragen gestellt, und je nachdem, ob und wie sehr sie den Fragen zustimmen, lässt sich der Grad des in ihnen schlummernden Rassismus bestimmen.

So weit, so ärgerlich, dass unsere Demokratieabgabe derart verplempert wird. Doch es kommt noch härter. Statt dass sich die Teilnehmer ob ihres grassierenden Rassismus‘ lediglich selbst geißeln, kommentieren eine „Antirassismus-Beraterin“ und ein „Diversity Trainer“ das ganze Geschehen auch noch. Womit man mit diesen Jobs seine Brötchen verdient? Mit „Workshops“. Oder in anderen Worten: Sie haben den Antirassismus zum Geschäftsmodell gemacht. Wie rassistisch ist eine Gesellschaft, in der man gut davon leben kann, darüber zu unterrichten, wie sehr man unterdrückt wird?

Aber ist das ein Problem? Geschäftsmodelle gibt es viele. Irgendwie muss man sein Geld verdienen. Es lohnt daher ein genauerer Blick auf die Inhalte der Workshops. Wie passend, dass der Beitrag der Tagesschau einen guten Überblick über diese liefert.

Was lernt man im Antirassismus-Workshop?

Erste Lektion: Komplimente gehen gar nicht. Wer etwa einen nicht-weißen Mitbürger für seinen exotischen Kleidungsstil lobt oder feststellt, dass seine Frisur gerade absolut en vogue ist, handelt damit rassistisch. Denn: Allein damit stellt man sein Gegenüber als anders und fremd dar. Beim Rassismus spiele es keine Rolle, mit welcher Intention etwas gesagt wird. Wenn sich der Rezipient rassistisch verletzt fühlt, dann war es rassistisch.

Wer sich nach dem Erhalt eines Kompliments rassistisch verletzt fühlt, der muss es schon wollen. Und überhaupt: Es stimmt nicht, dass Rassismus kontextunabhängig ist. Die Intention hinter dem Gesagtem spielt für dessen Bewertung die Hauptrolle. Wer ohne böse Absicht mit einem Klischee einen Witz macht, ist nicht deswegen ein Rassist, weil sich der Zuhörer davon verletzt fühlt. Würde sich der Zuhörer nicht verletzt fühlen, wäre es dann nicht rassistisch? Dann käme es nur auf die Laune des Gegenübers an. Nach diesem Maßstab könnte eine Aussage am Dienstag rassistisch sein und am Donnerstag nicht.

Europäische Geschichte zu weiß

Nächste Lektion: Die Antirassismus-Beraterin führt die Teilnehmer vor eine Bildergalerie einflussreicher Figuren der europäischen (Zeit-)Geschichte. Sie sehen unter anderem Margaret Thatcher, Albert Einstein und eine römische Büste. (Ist das vielleicht sogar Marcus Tullius Cicero?) Eine Probandin erkennt geistesgegenwärtig: „Es ist überhaupt kein Schwarzer vertreten. Das sind alles weiße Personen. Was soll das?“

Ja, was soll das? Was soll es uns über aktuellen Rassismus sagen, dass bis ins 21. Jahrhundert hinein Europa maßgeblich von Weißen gestaltet wurde? Wen überrascht das bei einem Kontinent, der bis vor kurzem fast ausschließlich von Weißen bewohnt wurde? Einstein war angesehener Wissenschaftler, weil er ein Genie war, nicht wegen seiner Hautfarbe. Zumal Einstein als Jude, der wegen der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus Deutschland in die USA auswandern musste, ein denkbar unsinniges Beispiel für Privilegiertheit darstellt.

„Schwarze Menschen sind sportlicher als weiße Menschen.“

Im zweiten Teil der Videoreihe übernimmt der Diversity Trainer und „Vorurteilsforscher“. Die Teilnehmer müssen sich zur folgenden Aussage positionieren: „Schwarze Menschen sind sportlicher als weiße Menschen.“ Der Diversity Trainer erklärt: Wenn Sie dieser Aussage zustimmen, rücken Sie der Diagnose „Rassist“ ein weiteres Stück näher. Begründung: Schwarze wurden in der Kolonialzeit auf ihren Körper reduziert. Aber was sagt die Naturwissenschaft dazu?

Selbst die Zeit stellt nach der Frage, ob man das überhaupt sagen dürfe, fest, dass einer von ihr zitierten Studie zufolge, „viele Afroamerikaner deutlich mehr Muskelmasse als Weiße haben“. Schwarze sind nachweisbar sportlicher als Weiße. Deswegen dürfte der letzte 100-Meter-Sprint-Weltrekord eines Weißen mittlerweile 62 Jahre her sein. Aber wer den Antirassismus auf seiner Seite weiß, lässt sich von der Wissenschaft nicht ins Handwerk pfuschen. Es wäre schließlich geschäftsschädigend.

Der „Privilege Walk“

Abgerundet wird der Workshop mit dem „Privilege Walk“. Hierbei wird den Teilnehmern aufgezeigt, wie privilegiert sie sind. Dazu werden Ja-Nein Fragen gestellt. Für jedes „Ja“ geht es einen Schritt weiter in Richtung „Alter, weißer Mann“. Allein die erste Frage offenbart die Absurdität der Veranstaltung: „Alle meine Freunde sehen so aus wie ich.“ Was ist daran ein Privileg? Nach dieser Logik wäre der weiße Geringverdiener, der keine Freundschaften über sein Dorf hinaus pflegt, privilegierter als der schwarze Kosmopolit, der Freunde über den ganzen Globus verteilt hat.

Dass ein solch fanatischer Fokus auf Hautfarbe dazu beiträgt, langfristig potentielle Spannungen zwischen weißer und nicht-weißer Bevölkerung in Deutschland abzubauen, darf mehr als bezweifelt werden.

Die Priester der Moderne

Antirassismus-Berater sind die Priester der Moderne. Die Priester des Mittelalters haben Predigten auf Latein gehalten, obwohl ihre Zuhörer der Sprache nicht mächtig waren. Trotzdem wollte keiner der Bauern der Idiot sein, der aufsteht und „Hä?“ sagt. Genau so verhält es sich heute mit Antirassismus-Predigern, die uns erklären, warum es rassistisch ist, Schwarze für sportlich zu halten. Verstehen Sie diesen Artikel also als „Hä?“.

Und jetzt gibt es erstmal eine Woche Twitterpause.  

Anzeige