Debatte über Migration - Die wohlfeile Rede vom „Rassismus“

Der inflationär gebrauchte „Rassismus“-Vorwurf ist das Mittel der Wahl, um Kritik an verfehlter Migrations- und Integrationspolitik möglichst zu ersticken. Das zeigt auch die Debatte über die Silvesternacht in Berlin. Doch nicht jede nachteilige Ungleichbehandlung ist gleich eine Diskriminierung.

Antifa-Demonstration in Niedersachsen / dpa
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Autoreninfo

Uwe Steinhoff ist Professor am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong sowie Senior Research Associate im Oxford University Programme on the Changing Character of War. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Freedom, Culture, and the Right to Exclude – On the Permissibility and Necessity of Immigration Restrictions“.

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Soeben erschien der von der Ampelregierung in Auftrag gegebene „Lagebericht Rassismus in Deutschland“, welcher erwartbar Rassismus überall sieht – außer bei Migranten – und zu verstehen gibt, dass bestimmte Migrantengruppen gegenüber anderen vorzuziehen per se rassistisch sei. Solche unsachlichen Einschätzungen sind politisch gewollt. Der inflationär gebrauchte „Rassismus“-Vorwurf ist das Mittel der Wahl, um Kritik an verfehlter Migrations- und Integrationspolitik möglichst zu ersticken. Dementsprechend wurde natürlich auch jedweder Hinweis auf den offensichtlichen Migrationshintergrund der Randalierer und Gewalttäter der Silvesternacht von linker Seite sogleich als „rassistisch“ bezeichnet.

Der Vorstoß der CDU etwa, nach den Vornamen der an den Ausschreitungen Beteiligten deutschen Staatsbürger zu fragen, wurde auf Twitter gar als Gesuch nach einem Ariernachweis interpretiert. Freilich lässt sich ein solcher Spieß leicht umdrehen. Denn der Ariernachweis hat Ariern gegenüber Nichtariern Privilegien verschafft. Von daher stehen jene, die permanent nach „Diversität“ und Migrantenquoten rufen – was Migranten gegenüber anderen Bewerbern privilegieren würde – dem Geiste des Ariernachweises und der rassebasierten Diskriminierung näher als jene, die durch die Frage nach dem Vornamen lediglich kriminalstatistische Daten ermitteln wollen. 

Irgendwelche Privilegien werden durch solche Erhebungen nicht vergeben, sondern lediglich die Realität festgestellt. Und in der Tat erweist sich der „Rassismus“-Vorwurf als genau dies: als die Forderung, vor der Realität die Augen zu schließen, da sie nicht ins linke „Narrativ“ – um einen in diesem Milieu beliebten Ausdruck zu benutzen – der Segnungen der Migration passt.

Das Mantra vom „Generalverdacht“

Auch das Mantra, dass man bestimmte Gruppen von Migranten nicht unter einen „Generalverdacht“ stellen dürfe, ist je nach Interpretation entweder ein Strohmann oder falsch. Es ist ein Strohmann, wenn damit gemeint ist, man dürfe nicht alle Mitglieder einer bestimmten Nationalität oder Religion als Gewalttäter diffamieren. Denn dies tut ohnehin so gut wie niemand. Es ist hingegen falsch, wenn damit gemeint ist, Privatpersonen dürften in ihrem persönlichen Verhalten und der Staat bei seiner Kriminalitätsbekämpfungs- und Einwanderungspolitik keine statistischen Daten über Gruppen berücksichtigen.

Dies liefe nämlich darauf hinaus, Irrationalität moralisch verpflichtend zu machen. Eine derartige Verpflichtung gibt es im liberal-demokratischen Rechtsstaat aber nicht. Und da nun einmal in der Kriminalstatistik Afghanen, Iraker und Syrer bei Gewalttaten regelmäßig überproportional in Erscheinung treten, sind Deutsche keineswegs „rassistisch“, wenn sie ihre „Willkommenskultur“ bei diesen Gruppen stärker dämpfen denn bei Ukrainern beispielsweise. Sie sind vielmehr aus Erfahrung klug.

Was ist überhaupt Rassismus? 

Wie haltlos die gegenwärtig besonders von „woker“ Seite inflationär gemachten „Rassismus“-Vorwürfe sind, wird noch deutlicher, wenn man die Frage beantwortet, was Rassismus überhaupt ist. Aktivisten vermeiden die klare Definition eines von ihnen abwertend gebrauchten Begriffes unter anderem deswegen, weil sich dann herausstellen könnte, dass die mit ihm Attackierten gar nicht unter ihn fallen, sie selbst aber womöglich schon, oder – horribile dictu – die mit dem Begriff bezeichnete Sache nicht ganz so schrecklich ist, wie gern getan wird. 
 

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Analytische Philosophen hingegen diskutieren die Frage, was Rassismus ist und was schlecht an ihm ist, seit längerem. Auf die begriffliche Frage gibt es im Wesentlichen drei relativ plausible Antworten, da an ein intuitives und sprachliches Vorverständnis des Begriffs anknüpfend. Der ersten Definition zufolge ist Rassismus die Überzeugung, dass die Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen (sortiert nach relativ äußerlichen Merkmalen wie „Rasse“ oder Hautfarbe) den moralischen Wert einer Person mindert. Der zweiten Definition zufolge ist nicht die Überzeugung entscheidend, sondern die tiefsitzende Aversion oder auch die völlige inhumane Gleichgültigkeit gegenüber besagten Gruppen.

Recht auf Meinungsfreiheit

Rassismus im Sinne dieser beiden Definitionen ist in Deutschland von der Verfassung geschützt. Es gibt ein Menschenrecht auf Glaubens- und Gewissenfreiheit, kodifiziert in Art. 4 des GG. Man hat ein Recht, zu glauben was und zu hassen wen man will. Auch dann, wenn, wie in diesem Fall, der Glaube nicht der Wahrheit entspricht und der Hass unbegründet ist. Zudem hat man mit dem Recht auf Meinungsfreiheit auch das Recht, seinem Glauben und seinem Hass Ausdruck zu verleihen, selbst in Form von „Hetze“.

Solange jedenfalls, wie man unterhalb der Schwelle des in seiner jetzigen Form ohnehin unausgegorenen und illiberalen Straftatbestandes der Volksverhetzung bleibt. Deutsche Minister also, die ständig über „Hass und Hetze“ lamentieren, sollten sich lieber auf ihre wahren Aufgaben besinnen und das Recht auf Hass und Hetze gegen verfassungsfeindliche Infragestellungen oder gar Angriffe verteidigen.

Die dritte Definition verlässt die subjektive Innerlichkeit von Gedanken und Gefühlen und bezieht sich auf Taten und „Strukturen“. Oft wird hier auch von „rassistischer Diskriminierung“ gesprochen: Menschen werden also aufgrund einer entsprechenden Gruppenzugehörigkeit diskriminiert. Dazu, so mag man meinen, kann man doch kein Recht haben. 

Ungleichbehandlung ist nicht gleich Diskriminierung

Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass nicht jede nachteilige Ungleichbehandlung einer Gruppe von Menschen eine Diskriminierung im normativen Sinne darstellt, das heißt, eine ungerechte Ungleichbehandlung. Der soeben vorgelegte „Lagebericht Rassismus in Deutschland“ verkennt dies offenbar absichtlich und erklärt viele Phänomene zu „Rassismus“, die es nicht einmal im Sinne der von dem Dokument offiziell benutzten Definition sind. 
 

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Der als Beispiel angeführte Wunsch etwa, die Anzahl muslimischer Menschen in Deutschland zu begrenzen, wird keineswegs auf dem Glauben an „nicht veränderbare und angeblich minderwertige Eigenschaften und Verhaltensweisen“ von Muslimen fußen (religiöse Vorstellungen kann man schließlich aufgeben), sondern vielmehr auf dem Wissen, dass in dieser Gruppe bestimmte Vorstellungen (von denen einige sehr wohl minderwertig sind) häufiger vorkommen als in anderen, sowie auf dem Wunsch, die eigene Kultur zu bewahren. Und selbstverständlich haben Völker das Recht, zu diesem Zweck Migration zu beschränken. 

Anders gesagt, Menschen, die aufgrund ihrer Präferenz lieber Christen als Muslime ins Land lassen, verhalten sich nicht rassistischer oder diskriminierender als Frauen, die prinzipiell nur mit europäischen Männern schlafen und den nicht-europäischen Zuzug in ihr Schlafzimmer begrenzen möchten. Menschen haben ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und dürfen potentielle Sexualpartner ablehnen, ganz wie es ihnen beliebt. Völker haben ein auf Assoziationsfreiheit beruhendes Recht auf Migrationskontrolle. Natürlich werden beide Rechte von einer Reihe von woken Ideologen bestritten. Dies spricht aber nur abermals gegen die woke Ideologie.

Trügerische „Progressivität“   

Es spricht auch dagegen, Antidiskriminierungsgesetze durchweg als „progressiv“ zu feiern. Antidiskriminierungsgesetze sind Eingriffe in die Vertrags- und Assoziationsfreiheit. Zudem sind sie in der Privatwirtschaft auch zumeist unnötig. Linksautoritäre geben sich gern der Illusion hin, dass der gute Staat die bösen Kapitalisten dazu zwingen müsse, nur ja nicht zu diskriminieren, insbesondere nicht rassistisch. Ausgerechnet ein prominenter schwarzer amerikanischer Gelehrter weist jedoch darauf hin, dass es im Gegenteil gerade staatliche Institutionen sind, die zur Diskriminierung neigen.

Unternehmer nämlich sind auf die Besten und Produktivsten angewiesen, sonst gehen sie im Konkurrenzkampf leicht unter. Und so können es sich im kapitalistischen System zumeist und auf lange Sicht nur staatlich alimentierte Institutionen wirklich leisten zu diskriminieren. Dies erklärt, warum sich die vermeintlich antirassistischen, aber faktisch gegen weiße Männer, zunehmend auch weiße Frauen und ganz allgemein nicht hinreichend Linke diskriminierenden „Diversitätspolitiken“ in Deutschland vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Parteien, in durch Steuergelder finanzierten NGOs und in Universitäten ausbreiten. Und dies wiederum erklärt den Leistungsabfall bei gleichzeitiger selbstbeweihräuchender Ideologieproduktion.

Realitätserkenntnis ist nicht rassistisch

Zu eben dieser produzierten Ideologie gehört es, die sachliche Beschreibung sich durch Migration ergebender Probleme und den Hinweis auf kriminalstatistisch signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Migrantengruppen als rassistisch zu diffamieren. Im Lichte der drei plausiblen Definitionen ist dieser Vorwurf abwegig. Natürlich kann man sich „Rassismus“ so zurechtdefinieren, dass es sich dann sehr wohl um „Rassismus“ in dem neuen künstlichen Sinne handelt. Dann aber gibt es nicht nur ein Recht auf diesen „Rassismus“. Vielmehr wäre er geboten – als Mittel zur Erkenntnis der Realität. An der nämlich sollten verantwortungsvolle Politiker ihre Entscheidungen und Maßnahmen orientieren.
 

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