Corona-Spots der Bundesregierung - Leider geil

In Corona-Zeiten braucht es nicht viel, um ein Held zu werden. Einfach zu Hause bleiben, TV gucken, fertig! So stellt die Bundesregierung den Überlebenskampf in Corona-Zeiten dar. Für ihre Video-Serie „Besondere Helden“ erntet sie im Internet viel Kritik. Dabei sind die Clips feinste Satire.

Luise und Anton Lehmann haben 2020 im Kampf gegen Corona gedient / dpa
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Jakob Arnold hospitierte bei Cicero. Er ist freier Journalist und studiert an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften. 

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Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Ich bin beliebt, werde umgarnt. Und ich habe nicht einmal etwas dafür getan. Ich bin einfach nur 20 Jahre alt und damit: Zielgruppe.

Das gilt für den neuen Sportschuh, der aus jedem noch das letzte Quäntchen Cristiano Ronaldo herauskitzelt, für die neue Ökobank, die pro angelegte 50 Euro einen Frosch über die Straße trägt. Und es gilt eben auch für die Corona-Spots der Bundesregierung. Und um die soll es jetzt hier gehen.

„Unsere Couch war die Front“

Innerhalb von drei Tagen hat die Bundesregierung auf ihren Online-Kanälen drei Videos unter dem Titel „Zusammen gegen Corona“ beziehungsweise „Besondere Helden“ hochgeladen. Im Stile einer Geschichtsdoku à la Guido Knopp erzählen Großvater und Großmutter vom Krieg. Denkt man jedenfalls zuerst. Dramatische Musik, dramatischer Monolog. „Also fassten wir alle unseren Mut zusammen und taten, was von uns erwartet wurde.“ Die Pointe: „Wir taten…Nichts. Waren faul wie die Waschbären. Unsere Couch war die Front.“

Die Leute da draußen

Diese Spots sind ein soziologisches Fundstück. Sie geben einen genauen Einblick, wie sich gutverdienende Staatsdiener die „Leute da draußen“ (beziehungsweise in diesem Fall „da drinnen“) vorstellen. Bleibt doch einfach zu Hause. Dort ist es doch auch schön.

Mit geräumiger Wohnung und Netflix-Abo mag das auch so sein. Doch wo kommt das ganze Geld her? Viele junge Menschen sind seit Monaten in der Schwebe und finden keinen Job, weil kein Unternehmen in diesen Zeiten einstellen will. Sie stoßen finanziell schnell auf Grundeis und können nicht im idyllischen Katalog-Apartment wohnen. Ein Netflix-Abo ist leider nicht drin. 

Es sei denn natürlich, sie haben sich für den öffentlichen Dienst entschieden. Dann gibt es Monat für Monat das sichere Geld von Vater Staat. Alle anderen schauen in die Röhre. Die Welt könnte so schön sein, wenn wir alle für den Staat arbeiten würden; der feuchte Traum aller Kevin Kühnerts dieser Welt.

Wer genau ist die Zielgruppe?

Und überhaupt: Wen genau sollen die Spots ansprechen? Jan „Maske auf“ Böhmermann gefallen die Spots. Schön und gut, aber er befürwortet ohnehin jede Form staatlicher Regulierung. Die jedoch, die von den Spots zum Einhalten der Corona-Regeln bewegt werden sollen, regen sich nun nur noch mehr auf.

Und wie sie sich aufregen. Die Videos haben so viele Daumen nach unten vom Publikum erhalten, wären wir im alten Rom und die Spots ein Gladiator in der Arena YouTube; ihr Schicksal wäre schnell besiegelt.

Die Regierung kann machen, was sie will 

Die Bundesregierung hat auf den Online-Plattformen einfach einen schweren Stand. Ganz gleich, was sie produziert, es wird zerrissen. Wenn sie morgen ein Video hochladen würde, in dem angekündigt wird, dass jeder Bürger 200 Euro geschenkt bekommt, gäbe es trotzdem einen Daumen-Runter-Regen.

Und nach diesem Muster erscheint mir der Löwenanteil der Kritik. Ein Spot der Bundesregierung? Das muss ja ein propagandistisches Machwerk sein. Doch wo kommt in den Clips vor, dass die Bundesregierung die aktuell schwierige Situation gutheißt? Mir fällt dazu nur Wilhelm Busch ein, der bereits vor über 100 Jahren die Parole ausgegeben hat: „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß.“

Kategorische Kein-Spaß-Versteher 

Aber die gleichen Leute, die sich ständig aufregen, dass alle einfach keinen Spaß verstehen, wollen hier kategorisch keinen Spaß verstehen. Die gleichen Leute, die sich sonst zurecht darüber beschweren, wenn gut situierte Feuilletonisten sich zur reinen Selbstbeweihräucherung als Kämpfer gegen Diskriminierung und Retter der Unterdrückten aufspielen; spielen sich jetzt als Retter der Gastronomen, Künstler und Selbstständigen auf.

Genauso lächerlich ist die Kritik, dass doch nicht der Couchpotato-Lifestyle beworben werden soll.

Das wäre ja ein humorvoller Spot geworden: Dann sind wir zu Hause geblieben, haben uns auf den Hometrainer gesetzt, Geige geübt und zwischendurch immer Brokkoli genascht… Cool.

Die Clips sind einfach lustig 

So sehr auch ich den Reflex habe, Produktionen der Regierung ablehnend zu beäugen, in diesem Fall kann ich nicht anders, als einfach zu schmunzeln. Die Clips sind einfach lustig.

Der beste Beweis dafür ist, dass die Clips mit englischen Untertiteln versehen und schon millionenfach vom internationalen Publikum angeklickt und für lustig befunden wurden. Und in Sachen Comedy sollten wir Deutschen uns auf das Urteil unserer Nachbarn verlassen.

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