„Contra“ von Sönke Wortmann - Der bewegte weiße Mann

Seit Jahrzehnten ist Sönke Wortmann der Goldesel des deutschen Kinos. Auch mit seiner neuesten und politisch oft unkorrekten Komödie dürfte er wieder Millionen einspielen.

Auf dem deutschen Kino-Olymp: Sönke Wortmann / dpa
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Eigentlich will er Fußballprofi werden, doch dem 1959 in Marl geborenen Bergmannssohn Sönke Wortmann mangelt es, nach eigenem Bekunden, an Ehrgeiz. Beim Soziologiestudium streicht er später nach nur einem Semester die Segel. Erst an der Hochschule für Fernsehen und Film in München findet Sönke Wortmann seine Berufung. Mit Nebenrollen in der TV-Serie „Die glückliche Familie“ finanziert er, wie in einer realen Seifenoper, die Existenz.

Dann folgt eine Karriere wie im Märchen, mit Wortmann als Goldesel des deutschen Kinos. Sein Abschlussfilm „Drei D“ (1988) holt den Förderpreis auf den Hofer Filmtagen sowie die Nominierung für den Studenten-Oscar. Drei Jahre später avanciert sein Kinodebüt zum veritablen Kassenknüller: Das WG-Lustspiel „Allein unter Frauen“ lockt über eine Million Zuschauer. Mit „Der bewegte Mann“ folgt der große Coup: 6,5 Millionen Kinobesucher wollen die Verfilmung des schwulen Comics von Ralf König sehen, das Werk katapultiert sich in den Olymp der zehn erfolgreichsten deutschen Filme. 

Der verhinderte Profikicker hat die Champions League des Kinos erreicht – und ist gekommen, um zu bleiben. Mit seichten Bestseller-Adaptionen wie „Das Superweib“ mit Veronica Ferres scheffelt der Regisseur im Auftrag von Bernd Eichinger fleißig weiter Zuschauermillionen. Der Erfolgsproduzent ist clever genug, seinem Top-Talent kreative Freiheiten zu lassen. Ambitionierte Arthouse-Stoffe wie die Uni-Satire „Der Campus“ oder das Kiez-Drama „St. Pauli Nacht“ geraten zu willkommenen Auszeiten vom Kommerzkino, ähnlich wie Ausflüge ins Theater, wo Wortmann in seiner Heimat Düsseldorf Woody Allens „Bullets over Broadway“ inszeniert. 

Zynischer Prof und arabische Studentin

Nachdem ihm 2001 als Produzent mit der Kifferkomödie „Lammbock“ ein entspannter Kultfilm gelingt, besinnt sich der Künstler auf seine Kicker-Leidenschaft. Mit „Das Wunder von Bern“ zeichnet er 2003 ein Zeitbild vom Nachkriegsdeutschland, drei Jahre danach präsentiert er mit „Deutschland – Ein Sommermärchen“ eine gefeierte Doku über die WM. Vier Millionen Besucher zementieren den Ruf als profitabelster Künstler des deutschen Films.

Sein aktueller Comedy-Streich „Contra“ präsentiert sich als dialogstarke Satire über politische Korrektheit und akademische Arroganz. Erzählt wird vom selbstherrlichen Professor (Christoph Maria Herbst), der einer arabischen Erstsemesterstudentin (Nilam Farooq) helfen soll, einen Debattierwettbewerb zu gewinnen. Den Nachhilfejob übernimmt der Rhetorikprofi nur widerwillig. Es ist für ihn die einzige Chance, einem Disziplinarverfahren zu entkommen, hat der weiße alte Mann die junge Migrantin doch vor versammeltem Hörsaal samt gezückten Handys beleidigt. „In meinem Kulturkreis bedeutet Pünktlichkeit noch etwas!“, höhnt der Dozent. „Wenn Sie schon keine Burka tragen, können Sie sich auch gut kleiden“, spottet er später.

Gemeinsam reisen die beiden per Bahn quer durch die Republik, um an Debattierwettbewerben teilzunehmen. Wie es die eherne Kinoregel vorgibt, werden aus dem ungleichen Paar natürlich auch hier nach der Klärung chronischer Konflikte ziemlich beste Freunde. Bevor unter der harten Juristen-Schale der weiche Menschen-Kern erscheint, zelebriert der Hauptdarsteller mit bewährter „Stromberg“-Biestigkeit den zynischen Dozenten. 

Beinah zu viel politische Korrektheit

Besteht keine Gefahr, dass solche Sprüche unbeabsichtigte Schenkelklopfer auslösen könnten? „Beifall von der falschen Seite kann es immer geben“, gibt sich Sönke Wortmann nachdenklich. Allerdings bezweifle er, „dass die falsche Seite dieser Film überhaupt interessiert“. Gegen Verschwörungstheorien komme man mit Argumenten ohnehin nicht an. Die Leute wollten an ihrem Unwillen einfach nur festhalten, sagt Wortmann beim Gespräch in Zürich.

„Humor reduziert Ihre Glaubwürdigkeit und Seriosität“, warnt der Professor im Film seine Studentin. Für den Regisseur gilt solcher Rat nicht. Er lässt die fremden- und frauenfeindlichen Sprüche des arroganten Akademikers genüsslich als eitle Seifenblasen platzen. „Bisweilen ist mir die politische Korrektheit auch zu viel geworden“, gibt Wortmann zu Protokoll, im Kern jedoch gehe es um Respekt gegenüber Schwächeren, was einem keinesfalls als Dummheit ausgelegt werden sollte.

Für die im Trend liegende Löschkultur hat der Regisseur derweil kein Verständnis, für ihn ist das im Kern Zensur: „Cancel Culture widerspricht völlig dem, wofür unser Film ,Contra‘ einsteht. Es kann sein, dass man Filme von damals heute anders machen würde. Aber Filme entstehen eben in ihrer Zeit und in diesem Zusammenhang müssen sie auch gesehen werden.“ Ein perfektes Thema für den nächsten Debattierwettbewerb.

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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