Cancel Culture - Hans Carossa: Entsorgung eines Namenspatrons

Das Hans-Carossa-Gymnasium in Berlin-Spandau will sich seines Namenspatrons entledigen - weil er, obwohl selbst kein Nazi, in der Zeit des Nationalsozialismus publiziert hat. Widersprüchliche Persönlichkeiten sind als Namensgeber nicht mehr gerne gesehen, weil sie dem Reinheitsgebot heutiger Moral widersprechen.

„Konsequent dem Gebrauch der faschistisch durchsetzten Alltagssprache verweigert“: Hans Carossa im Jahr 1935 / dpa
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Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

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In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel kündigte der Schulleiter des Hans-Carossa-Gymnasiums in Berlin-Spandau, Henning Rußbült, an, dass sich seine Schule bis Herbst 2022 einen neuen Namen geben wolle. Die schulischen Gremien seien sich darin einig, dass Hans Carossa als Namenspatron nicht mehr zeitgemäß sei. Den Anstoß habe die Ausstellung über die „gottbegnadeten Künstler“ der NS-Zeit im Deutschen Historischen Museum gegeben, an der die „engagierte Mutter“ eines Schülers mitgewirkt habe.

Als Deutschlehrer habe ich über 30 Jahre lang die Gedichte von Hans Carossa im Literaturunterricht besprochen. Sie zählen zu den wertvollsten Zeugnissen der inneren Emigration deutscher Dichter während der NS-Herrschaft. Sie sind sprachlich und formal makellos und verkünden eine Botschaft, die über jeden moralischen Zweifel erhaben ist.

Hans Carossas „Verfehlungen“

Wenn man sich das Verhalten von Hans Carossa während der Zeit des Nationalsozialismus vergegenwärtigt, stößt man bei ihm auf dieselben Ambivalenzen, die alle Künstler aufweisen, die während der Schreckensherrschaft Hitlers in Deutschland geblieben sind. Sie unterlagen staatlichen Zwängen, denen sie (teilweise) nachgeben mussten, um überhaupt noch beruflich wirken zu können. Sie mussten mit den Wölfen heulen, sich mitunter auch instrumentalisieren lassen, weil die NS-Führung im Volk beliebte Schriftsteller, Maler, Musiker, Schauspieler zur Selbstdarstellung und Legitimation benötigte. Wer sich heldisch gebärdete, landete schnell im KZ, wo er wie so viele zu Tode gequält wurde.

Was könnte man Hans Carossa als verwerflich ankreiden? 1938 nahm er den Goethepreis der Stadt Frankfurt/M. an. 1941 ließ er sich zum Präsidenten der nationalsozialistischen „Europäischen Schriftstellervereinigung“ ernennen. Das Amt übte er allerdings in der Praxis nicht aus, den jährlichen Treffen blieb er fern. Für Hans Carossa spricht, dass er die Berufung in die Deutsche Akademie der Dichtung ablehnte. Er wurde bei Joseph Goebbels vorstellig, um die Entlassung des kranken jüdischen Schriftstellers Alfred Mombert aus der KZ-Haft zu erwirken. Mit Erfolg: Mombert konnte unbeschadet ins Schweizer Exil ausreisen. Beim Chef des Reichssicherheitshauptamts Ernst Kaltenbrunner bemühte er sich 1944 zusammen mit Gerhart Hauptmann um den im KZ Sachsenhausen einsitzenden Peter Suhrkamp, der dann tatsächlich wegen seiner schweren Lungenkrankheit in ein Krankenhaus verlegt wurde und die NS-Diktatur überlebte. Im April 1945 forderte Carossa den Oberbürgermeister von Passau in einem Brief auf, die Stadt kampflos an die anrückenden US-Truppen zu übergeben, um Blutvergießen zu vermeiden und die historische Altstadt vor der Zerstörung zu bewahren. Ein SS-Offizier verurteilte ihn wegen Defätismus in Abwesenheit zum Tode. Nur die schnelle unblutige Eroberung der Stadt durch die Amerikaner am 2. Mai 1945 rettete Carossa das Leben.

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Goebbels’ Künstlerliste

Im August 1944 stellte Propagandaminister Joseph Goebbels eine Liste deutscher Künstler zusammen, die vom nationalsozialistischen Regime wegen ihrer Wichtigkeit unter besonderen Schutz gestellt wurden. Diese Künstler waren zwar seit Ausrufung des „totalen Krieges“ 1943 wie alle Deutschen im wehrfähigen Alter dienstverpflichtet, vom Kriegsdienst waren sie aber freigestellt. Ihr „Künstlerkriegseinsatz“ (Goebbels) galt der mentalen Stärkung des Widerstandswillens der Deutschen angesichts der immer verheerenderen Bombardierungen deutscher Städte. Unter den Schriftstellern auf der Liste finden sich neben dem Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann noch Hans Carossa, Ina Seidel und Agnes Miegel, unter den Komponisten Richard Strauss und Hans Pfitzner, unter den Dirigenten Karl Böhm, Herbert von Karajan und Wilhelm Furtwängler, unter den Musikern Walter Gieseking, Wilhelm Kempff und Ellen Ney. Heutigen Kritikern gilt die Zugehörigkeit zur „Gottbegnadeten-Liste“ als Beleg für weltanschauliche Komplizenschaft und moralische Unterwerfung. Dabei waren die Beweggründe, weshalb die Künstler ihren Namen auf der Liste akzeptierten, banaler Natur: Ein Platz auf der Liste war ihre Lebensversicherung, weil er sie vor dem Fronteinsatz in Russland bewahrte. Als Hitler in den letzten Kriegsmonaten Kinder und Greise für den „Volkssturm“ mobilisierte, geriet, wie Quellen belegen, selbst der berühmte Wilhelm Furtwängler in Gefahr, im Häuserkampf gegen die Rote Armee eingesetzt zu werden. Hat die Nachkriegsgesellschaft mit den oben genannten Künstlern gebrochen? Keineswegs. Historiker wussten genau zu unterscheiden, wer nur als populäres Aushängeschild auf die Liste geriet und wer ein notorischer NS-Anhänger war. Von Hans Carossa kann man letzteres bestimmt nicht behaupten.

Carossas Motto: „Emigriere zu Hause“

Zum Glück gibt es persönliche Zeugnisse von Hans Carossa aus der Zeit der NS-Herrschaft, die seine weltanschauliche und moralische Haltung offenbaren. 1938 hielt er bei einer Versammlung der Goethe-Gesellschaft in Weimar eine Rede. Darin heißt es: „Die überirdische Stimme [Goethes], die uns zur Liebe, zur Schonung und Duldung, zum Verzicht auf Gewalt, zur Entsagung beruft, diese Erlöserstimme ist für jeden immer hörbar. (…) Bekennen wir uns, Gehende wie Kommende, zum Orden derer, denen alle Länder und Meere der Welt nicht genügen würden, wenn das Reich des Geistes und des Herzens unerobert bliebe.“ Die Anwesenden interpretierten diese Worte zu Recht als Bekenntnis gegen den bevorstehenden Eroberungskrieg.

 

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Während nach 1945 viele Mitläufer über ihre Verstrickung in das NS-Regime schwiegen oder sie herunterspielten, nahm Carossa zu seiner Rolle in vielen Gedichten und in seinem Lebensbericht „Ungleiche Welten“ (1951) selbstkritisch Stellung. Über dieses Buch schreibt der Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner: „Gäbe es nur dieses eine Buch von Carossa, es genügte, um ihm auf immer einen Logenplatz in der deutschsprachigen Literatur zu sichern.“

Görner hebt in seiner Würdigung Carossas hervor, dass sich der Dichter nach 1933 „konsequent dem Gebrauch der faschistisch durchsetzten Alltagssprache“ verweigerte. „Seine ästhetische Immunisierungsstrategie wirkte und seine dichterische Sprache erwies sich dem braunen Volksdeutsch gegenüber als unbedingt resistent.“ Carossa versuchte vor allem, das Schöne und Leise vor dem Lauten und Gewalttätigen zu retten. Eine Romanfigur – sein Alter Ego – lässt er sagen: „Welche Waffe hatte Mozart gegen die Kränkungen, die ihm ein Mächtiger dieser Welt zufügte? Keine andere, als dass er immer schönere Musik erschuf.“

Dichter der leisen Töne

Ein Beispiel für ein makellos-schönes Gedicht sei hier zitiert:

Der alte Brunnen

Lösch aus dein Licht und schlaf! Das immer wache
Geplätscher nur vom alten Brunnen tönt.
Wer aber Gast war unter meinem Dache,
Hat sich stets bald an diesen Ton gewöhnt.
Zwar kann es einmal sein, wenn du schon mitten
Im Traume bist, dass Unruh geht ums Haus,
Der Kies beim Brunnen knirscht von harten Tritten,
Das helle Plätschern setzt auf einmal aus,
Und du erwachst, — dann musst du nicht erschrecken!
Die Sterne stehn vollzählig überm Land,
Und nur ein Wandrer trat ans Marmorbecken,
Der schöpft vom Brunnen mit der hohlen Hand.
Er geht gleich weiter. Und es rauscht wie immer.
O freue dich, du bleibst nicht einsam hier.
Viel Wandrer gehen fern im Sternenschimmer,
Und mancher noch ist auf dem Weg zu dir.

Das handlungsarme Gedicht wirkt durch die Suggestivkraft seiner Bilder. Das Wasser des Brunnens steht für den Lebensstrom, der unaufhaltsam fließt. Die Sterne stehen für das kosmische Gesetz, in das wir ungeachtet aller politischen Verstrickungen eingebettet sind. Die Wanderer sind wir Menschen, die ihre Lebensreise vollenden – jeder auf seine Art. Die Gastfreundschaft, die der Sprecher des Gedichts mit väterlichem Gestus verkündet, erinnert an die zahlreichen biblischen Geschichten, in denen Gastfreundschaft als menschliches Gebot gepriesen wird. Das ganze Gedicht vermittelt ein Gefühl von Aufgehoben-Sein, und man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass es auch die Geborgenheit einschließt, die der christliche Glaube vermittelt. Die weit ausladenden, im fünffüßigen Jambus gestalteten Verse vermitteln das Gefühl von Ruhe und Sicherheit, das im Gedicht thematisiert wird. Man braucht nicht viel Fantasie, um zu ahnen, dass es gerade solche Verse waren, die den Menschen in Deutschland während der Schreckensherrschaft der NSDAP Trost vermitteln konnten. Daraus erklärt sich der Erfolg seiner Werke in der NS-Zeit, was von heutigen Kritikern, die vermutlich noch nie eine Zeile von Hans Carossa gelesen haben, als Beleg für seine Kumpanei mit dem NS-Regime gedeutet wird.

Wenn die Enkel der Kriegsgeneration heute den Antifaschismus praktizieren, den ihre Großväter versäumt haben, hat dies immer einen feigen Beigeschmack. Selbstgerecht urteilt man aus der Komfortzone der Demokratie über Versäumnisse von Menschen, die während der NS-Herrschaft bei der geringsten Unbotmäßigkeit ihr Leben verlieren konnten. Moralische Überheblichkeit hat immer schon die Urteilsfähigkeit getrübt.

Sehnsucht nach Reinheit

Der Philosoph Bernd Stegemann sieht in seinem Bestseller „Die Öffentlichkeit und ihre Feinde“ (2021) das Wesen der Cancel-Culture-Bewegung in der Suche nach Reinheit: „Die Reinheit bietet nicht nur eine Orientierung innerhalb der Vielfalt, sondern sie ist auch ein Schutzschild gegenüber den Widersprüchen.“ Denn: „Der Widerspruch ist eine Beleidigung für die Reinheit.“ Stegemann hält den Tilgungsfuror der Cancel Culture für einen Rückfall hinter den aufgeklärten Diskurs, der sich mit Widersprüchen auseinandersetzt, in archaische Denkmuster, die das Unerwünschte mit Bannflüchen belegen. Wie solche Ächtungs- und Tabuisierungstechniken funktionieren, konnte man in den letzten Jahren besonders gut an der Tilgung von Straßennamen und Namen von U-Bahn-Stationen studieren. Auch Schulnamen blieben davon nicht verschont.

Im Frühjahr 2015 wurde die Turnvater-Jahn-Grundschule in Berlin-Prenzlauer Berg umgetauft. Der Name des Begründers des Massensports in Deutschland, Friedrich Ludwig Jahn, war als Namenspatron nicht mehr gefragt. Stattdessen erhielt die Grundschule den Namen des Bierbrauers Bötzow. Eine fabelhafte Alternative! Was war passiert? Einige Eltern und Lehrer hatten an Jahns Gesinnung Anstoß genommen. Der Turnvater sei als Namenspatron in der heutigen Zeit nur noch „schwer vermittelbar“, weil er „nationalistisch“ gewesen sei. Friedrich Ludwig Jahn „Nationalismus“ vorzuwerfen, ist Ausdruck eines erschreckenden Unwissens über die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Für die geeinte deutsche Nation einzutreten, war im Deutschen Bund mit seinen 39 Einzelstaaten durchaus fortschrittlich, ein linkes Projekt, zumal das nationale Streben mit der Forderung nach einer demokratischen Verfassung und der Gewährung von Bürgerrechten einherging. Nach der Lesart der Jahn-Gegner wäre selbst ein Heinrich Heine ein „Nationalist“, weil er ein glühender Verfechter der nationalen Einheit Deutschlands war: „Ein einiges Deutschland tut uns not / Einig nach außen und innen“. Auch er verband diesen nationalen Kampf mit dem Eintreten für die Freiheit: „Die Freiheit ist eine neue Religion, die Religion unserer Zeit.“

Ich habe zwölf Jahre am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte unterrichtet. Unser Namenspatron war ebenfalls eine ambivalente Figur. Deshalb schrieben wir im Schulprogramm, dass sich die Schule nicht alle Eigenschaften ihres Namenspatrons zu eigen mache, schon gar nicht seine Drogenexzesse. Wir schätzen aber seine positiven Seiten: „Eigenschaften (…) wie Selbstbestimmung, Zivilcourage, politisches Engagement und der Einsatz für den Frieden können auch heutige Jugendliche ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden und ihn selbstbewusst zu gehen.“ Bei einem jährlich stattfindenden Projekttag zu Ehren John Lennons lernen die Schüler, sich mit den Brüchen in seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen.

Im selben Bezirk Spandau, in dem sich das Hans-Carossa-Gymnasium befindet, liegt die Bertolt-Brecht-Sekundarschule. Brecht war nun wahrlich eine gebrochene Persönlichkeit. Beim Volksaufstand in der DDR 1953 gab er nach außen den kritischen Zeitgenossen („Wäre es da / Nicht doch einfacher, die Regierung / Löste das Volk auf und / Wählte ein anderes?“), während er gleichzeitig an das Politbüro der SED devote Ergebenheitsadressen richtete. Der Umgang mit seiner Frau und seinen Geliebten ist aus heutiger Sicht mehr als grenzwertig. Seinen Charakter brachte Brecht treffend auf den Punkt: „In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.“ Die Schule hält gleichwohl an ihrem Namenspatron fest. Zu Recht! An ihm können die Schüler lernen, dass Künstler keine Engel sind, auch wenn sie vorzügliche Werke geschaffen haben.

Sind nicht alle Menschen in ihrem Verhalten widersprüchlich, prägt nicht Ambivalenz ihr Wesen mehr als Eindeutigkeit und Konsequenz? Warum will man als Namenspatrone von Schulen nur moralisch unanfechtbare Persönlichkeiten? Der Umgang mit ambivalenten Vorbildern ist für Schüler weitaus interessanter als die Beschäftigung mit rundgeschliffenen Charakteren, die nie in Anfechtungen gerieten. Erst die Brüche in der Biografie einer Person bieten Anlass, sich mit dem windungsreichen Werdegang, mit komplexen familiären und gesellschaftlichen Kontexten auseinanderzusetzen. Auch im Zeitalter des Glaubensverlusts könnte man ein kluges Wort der Bibel beherzigen: „Also wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen.“ (Lukas 15,7). Kurzum: Die Beschäftigung mit gebrochenen Persönlichkeiten der Geschichte ist pädagogisch wertvoll.

Unhistorisches Geschichtsverständnis

Das Phänomen des Cancel Culture ist inzwischen auch in Deutschland angekommen. In den historischen Seminaren unserer Universitäten durchkämmen junge Historiker beseelt vom moralischen Reinigungsfuror ganze Geschichtsepochen, um anstößige Figuren zu entdecken, die man aus der Gedächtniskultur verbannen kann. Ich halte es für ein geistiges Armutszeugnis, wenn intelligente Menschen historische Persönlichkeiten nicht mehr aus ihrer Zeit heraus verstehen können, sondern an sie die Messlatte der politischen Korrektheit von heute anlegen. Als Geschichtslehrer weiß ich, dass dieses eindimensionale Geschichtsverständnis inzwischen auch an unseren Schulen Einzug gehalten hat. Manche Lehrpläne für das Fach Geschichte haben sich von dem Anspruch, den Schülern die historischen Epochen in all ihren Facetten und Widersprüchen zu vermitteln, schon weitgehend verabschiedet. In Berlin werden die Inhalte des Faches Geschichte unter das Diktat des Gegenwartsbezugs gestellt: „Leitend (...) ist vor allem die Frage nach einer Bedeutsamkeit für die Gegenwart (...) der Lernenden“ (Rahmenlehrplan Gesellschaftswissenschaften). Nach der Betonung des Eigenwerts historischer Erkenntnisse sucht man in dem Plan vergebens. Dann muss man sich auch nicht wundern, wenn historische Gestalten nur noch mit der Elle des Gegenwärtigen gemessen werden.

Der Vorrang des Lebensweltbezugs verstößt gegen das wichtigste Axiom der Geschichtswissenschaft, wonach sich eine historische Epoche nur aus sich selbst heraus verstehen lässt. Dazu muss man sich aber ganz auf die Gegebenheiten der Zeit einlassen. Um geschichtliche Ereignisse zu verstehen, braucht man keine vordergründigen Aktualisierungen, die die Schüler häufig nur dazu verleiten, historische Bezüge zu verkürzen oder sie monokausal zu erklären. Wenn man von Gegenwartsproblemen ausgeht, ist man immer versucht, die Messlatte heutiger Demokratie- und Moralvorstellungen an vergangene Zeiten anzulegen, was zu falschen Urteilen führen muss. Das Ansinnen, die Namen anstößiger historischer Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Raum zu eliminieren, hat in diesem falschen Geschichtsverständnis seine Ursache. Ein fehlgeleiteter Geschichtsunterricht wird dazu führen, dass das geschichtliche Bewusstsein der Schüler noch weiter verkümmert. Ein guter Geschichtsunterricht ist aber ein wichtiger Beitrag zur Festigung unserer Demokratie.

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