Zusammenarbeit mit Rechten - Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!

Die Republik streitet nicht nur wegen des NPD-Skandals in Hessen über die Frage, ob man generell mit Rechten zusammenarbeiten darf. Dabei gilt: Je höher die politische Ebene, desto rigider die Moral. Und umgekehrt

Es gibt und es wird Zusammenarbeit geben / picture alliance
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Es klingt banal, aber so banal ist Kommunalpolitik nun mal oft genug. Auf die Frage, wie es kommen konnte, dass der bekannte rechtsextreme NPD-Politiker Stefan Jagsch einstimmig von CDU, SPD und FDP zum Ortsvorsteher des Ortsbeirates Altenstadt-Waldsiedlung in Hessen gewählt wurde, antwortete Norbert Szilasko, CDU-Mitglied in eben jenem Ortsbeirat, die Entscheidung sei aus der Not geboren gewesen: „Da wir keinen anderen haben – vor allem keinen Jüngeren, der sich mit Computern auskennt, der Mails verschicken kann.“

Als der Fall öffentlich wurde, schrillten deutschlandweit mit leichter Verzögerung die Alarmglocken, besonders bei den Parteioberen in Berlin. Auf Twitter und vor den Mikrofonen überboten sich die hauptstädtischen Führungskräfte in Beteuerungen, nicht mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten und gelobten, dafür zu sorgen, dass der Ortsbeirat die Entscheidung rückgängig machen werde. Den letzten Meldungen zufolge wird es darauf wohl auch hinauslaufen.

Zusammenarbeit findet längst statt

Warum dieser Fall so hohe Wellen schlug, liegt auch daran, dass derzeit das Berührungsverbot mit der AfD zur Debatte steht. Denn überall dort, wo die AfD inzwischen in Landtage und Kreistage eingezogen ist, wird die Strategie, die Generalsekretäre und Parteivorsitzende in Talkshows und auf Twitter gerne mit „klare Kante“ bezeichnen, immer mehr unterlaufen: Keine Zusammenarbeit mit der AfD. CSU-Chef Markus Söder gab gar zu Protokoll, bereits der „Kaffeeplausch in einem Kommunalparlament mit der AfD“ sei abzulehnen.

Dabei verwundert es wenig, dass CDU und CSU das generelle Spielverbot mit den Schmuddelkindern von rechts am lautesten fordern. Im Bundestag, in den Landtagen und erst recht auf kommunaler Ebene sind die AfD-Politiker oft genug Fleisch vom Fleische der christlichen Volksparteien. Im Gemeinderat des pfälzischen Dörfchens Frankenstein sind die Vertreter von AfD und CDU gar im Privatleben verheiratet – und wollen gegen die Übermacht der Freien Wähler eine Fraktionsgemeinschaft bilden.

ARD-Recherchen des Magazins „Report Mainz“ in Sachsen und Thüringen haben nun ergeben, dass in den wenigen Wochen, in denen die dortigen Kommunalparlamente existieren, bereits zwei CDU-Fraktionen Mehrheiten mit der AfD organisiert hätten. Sechs weitere CDU-Fraktionsvorsitzende halten es für wahrscheinlich, in Zukunft gemeinsam mit der AfD Mehrheiten zu organisieren. In mindestens 18 Kommunalparlamenten, so die ARD, gebe es Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD.

Bebauungspläne jenseits von Ideologie

Der NPD-Fall aus Hessen zeigt, wie banal es zuweilen in kommunalen Parlamenten zugeht – je kleiner, desto banaler sind die Entscheidungen, die gefällt werden. Es wundert deshalb auch nicht der erklärende Satz des hessischen CDU-Ortsbeiratsmitglied Norbert Szielasko: „Wir sind völlig parteiunabhängig im Ortsbeirat.“ Je lokaler die Probleme, desto unbedeutender werden Fragen der Ideologie. Wie stark sollen die Gebühren für den Kindergarten angehoben werden? Soll die neue Umgehungsstraße gebaut werden? Soll man ein neues Baugebiet ausweisen? Das sind die Fragen, mit denen man sich auf dieser Ebene beschäftigt.

Zurück zur Gretchenfrage: Mit der AfD oder ohne sie? Sicher, es gibt auch Fragen, bei denen die AfD ideologisch abstimmen wird – etwa wenn es darum geht, ein Flüchtlingsheim zu errichten oder nicht. Aber ist es nicht unausweichlich, dass man bei der pragmatischen Lösung kommunaler Probleme auch auf die Stimmen der AfD zurückgreifen wird? Zugespitzt gesagt: Spielt es bei der Abstimmung über den Bebauungsplan der neuen Wiese am Ortsrand eine Rolle, ob jemand Rassist ist oder nicht?

Grenzen realistischer definieren

In den neuen Bundesländern gibt es womöglich weniger Berührungsängste mit der AfD, zudem stellen sie hier seit den letzten Wahlen vielerorts bedeutende Fraktionen in den Gemeinderäten und Kreistagen. Wer sich in Thüringen unter Kommunalpolitikern umhört, hört vielerorts, man habe mit den Neulingen bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht, sie verhielten sich kooperativ. Zuweilen handelt es sich um ehemalige CDUler, die es erst in der AfD zu etwas gebracht haben. Jedenfalls kennt man sich – ob aus dem Sportverein oder beruflich.

Auf dieser Ebene gibt es und wird es Zusammenarbeit geben – egal wie laut es aus Berlin oder München „Wehret den Anfängen“ schallt. Sinnvoller wäre es, die Grenzen dieser Zusammenarbeit realistischer zu definieren als bisher der Fall ist.

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