Woche der Meinungsfreiheit - Toleranz unter Gleichgesinnten

Am Montag startet die „Woche für Meinungsfreiheit“, initiiert vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Ein wichtiges Thema. Doch leider hat man eine Chance vertan. Statt sich für Strittiges einzusetzen, wirbt man für Debatten im Rahmen des Gängigen und Bequemen.

Am Montag startet die „Woche für Meinungsfreiheit“
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Das Timing hätte kaum besser sein können. Nur wenige Tage nach der Aufregung um #allesdichtmachen und die teils überdrehten Reaktionen startet am kommenden Montag die „Woche der Meinungsfreiheit“. Hashtag: #MehrAlsMeineMeinung. Initiiert hat sie, samt dazugehöriger Charta, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Mit von der Partie sind unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung, das Goethe Institut, das PEN-Zentrum Deutschland, Reporter ohne Grenzen, zudem Verlage, Stiftungen und NGOs. „Gemeinsam“, so kann man aus der Homepage der Aktion lesen, wolle man „ein Bewusstsein schaffen und offen diskutieren“. 

Messen mit zweierlei Maß

Gewichtige Wort. Wäre der Börsenverein in der Vergangenheit auch schon immer genauso engagiert für das freie Wort und das freie Buch eingetreten, sie wären noch überzeugender. Gelegenheit dazu gab es in den letzten Jahren durchaus. Noch ganz frisch sind beispielsweise die Erinnerungen an die Frankfurter Buchmesse 2017, als sich der Börsenverein anlässlich der Präsenz rechter Verlage und damit einhergehender Ausschlussforderungen eher zögerlich für die Meinungsfreiheit engagierte und stattdessen Mitarbeiter vor einschlägigen Ständen demonstrierten.

Und auch die Reaktion im folgenden Jahr, als entsprechende Aussteller in eine dunkle Sackgasse am Rande des Hauptgeschehens platziert wurden, kann nicht unbedingt als gelungenes Engagement für Meinungsfreiheit gelten. Dies umso mehr, als linksradikale Zeitschriften und Verlage – zu Recht – sich ganz selbstverständlich in das Messegeschehen mischen. Nicht immer konnte man sich des Eindrucks erwehren, hier würde mit zweierlei Maß gemessen.

Eine herbe Enttäuschung

Doch darf man Institutionen wie dem Börsenverein nicht im Vorhinein jede Lernfähigkeit absprechen. Dies umso mehr, als die Diskussion rund um Political Correctness, Cancel Culture und Meinungsfreiheit in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen hat. Konnten sich analytisch Unbedarfte vor Jahren noch damit trösten, es träfe ja nur „die da“, zeigen die Aufreger der jüngsten Vergangenheit, dass inzwischen auch anscheinend Harmloses schnell in das Visier der Streiter für das richtige Meinen geraten kann.

Wer nun allerdings erwartet, dass sich die Initiatoren der „Woche der Meinungsfreiheit“ mutig für unkonventionelle Meinungen einsetzen, die den ausgetretenen Pfad des Gängigen verlassen, wird enttäuscht sein. So kann man auf den Kampagnenbildern neben einschlägigen Bekundungen für Pressefreiheit und gegen Zensur ein Statement von Susanne Fröhlich auf sich wirken lassen: Frauen in Führungspositionen seien schrecklich unterrepräsentiert, beklagt dort die Autorin. Das mag sein. Aber Mut, dies öffentlich zu sagen, braucht man hierzulande nun wirklich nicht. Im Gegenteil. Man wird dafür von allen Seiten hofiert. Und wenn Wolfgang Niedecken, also ein klassischer Repräsentant des Kulturbetriebes und der dort etablierten Gewissheiten, von sich behauptet, er würde gern zwischen allen Stühlen sitzen, ahnt man, dass die Diskussion kontroverser Meinungen, für die hier geworben wird, doch etwas eintönig sein könnte.

Kratzen an der Oberfläche

Es überrascht daher nicht, dass die mit der Woche der Meinungsfreiheit lancierte Charta an der Oberfläche bleibt und die wirklich heiklen Punkte meidet. „Hass und Hetze“, heißt es etwa unter Punkt 5, „werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Mag sein. Nur: Wer entscheidet, was Hass und Hetze ist? Zumal in Zeiten, in denen dieser Vorwurf benutzt wird, um – man denke nur an die Kabarettisten Nuhr und Eckhart – Menschen zum Schweigen zu bringen, die nicht ins eigene Weltbild passen.

Die Initiatoren der Woche für Meinungsfreiheit haben eine Chance vertan. Das ist bedauerlich. Statt sich dafür einzusetzen, dass auch Unbequeme oder Widerspenstige sich äußern dürfen, werben sie für Meinungsfreiheit innerhalb des Korridors des täglich auf allen Kanälen gesendeten. Doch die eigentliche Bewährungsprobe für die beschworene Meinungsfreiheit kommt sicherlich. Spätestens bei der nächsten Buchmesse.

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