Katastrophale Wirtschaftspolitik - Die FDP muss dem Elend ein Ende setzen

Deutschland ist dabei, die industrielle Basis seines Wohlstands zu verlieren. Das kann nur verhindert werden, wenn Christian Lindner endlich ernst macht. Vor einem Koalitionsbruch darf er nicht zurückschrecken. Es gibt ein historisches Vorbild.

Fehlendes Verständnis: FDP-Politiker Buschmann und Lindner mit Wirtschaftsminister Habeck / dpa/Antje Berghäuser
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Das „Lambsdorff-Papier“ ging als Scheidungsschreiben der FDP an den sozialdemokratischen Koalitionspartner in die Geschichte der Bundesrepublik ein. Der liberale Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff hatte darin 1982 seine Vorstellungen einer „Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ formuliert.

Der Auftrag dazu kam von SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt, doch für dessen Partei war das Ergebnis eine Provokation. Denn Lambsdorff forderte eine grundlegende Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Statt wachsende Staatsausgaben durch mehr Schulden und höhere Steuern zu finanzieren, setzte er auf strikte Haushaltskonsolidierung, mehr Freiraum für die Privatwirtschaft und eine „relative Verbilligung des Faktors Arbeit“, also ein Zurechtstutzen des wuchernden Wohlfahrtsstaats.

Ende der sozialliberalen Koalition

In der SPD kamen diese Ideen – auf die zwei Jahrzehnte später auch Gerhard Schröder setzte – überhaupt nicht gut an. 1982 zerbrach die sozialliberale Koalition, die FDP wandte sich CDU und CSU als neuen Koalitionspartnern zu. Lambsdorff blieb unter Kanzler Helmut Kohl bis 1984 Wirtschaftsminister und konnte einen Teil seiner Vorstellungen umsetzen. Mit Erfolg. Der nach der Ölpreiskrise ins Stocken geratene deutsche Wirtschaftsmotor lief wieder.

Warum dieser Blick in die jüngere Historie der Bundesrepublik? Weil es Parallelen zur heutigen Lage des Landes gibt. Mit dem Ukrainekrieg und dem Stopp russischer Gaslieferungen erlebt Europa eine Energiekrise, die inzwischen zwar abgemildert, aber noch lange nicht ausgestanden ist. Gleichzeitig ist der deutsche Wohlfahrtsstaat aufgrund der demografischen Entwicklung und einer verantwortungslosen Migrationspolitik kaum mehr zu finanzieren.

Grüne und SPD halten an alten Ideen fest

Doch die beiden linken Koalitionspartner der FDP halten stur an ihren Ideen fest, als wäre alles beim alten: Atomkraftwerke abschalten, um Energie noch knapper und teurer zu machen. Und Steuern oder Abgaben erhöhen, um im Namen der sozialen Gerechtigkeit Transferzahlungen zu verteilen.

Es wird immer deutlicher: Bei den Grünen und in weiten Teilen der SPD fehlt es am grundlegenden Verständnis volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Es sind Leute am Werk, die meinen, das Geld, von dem sie leben und das sie für allerlei gesellschaftspolitisch unglaublich wichtige Projekte ausgeben, falle vom Himmel. Dass Deutschland gerade dabei ist, die industrielle Basis seines Wohlstands im Rekordtempo zu zerstören, ist ihnen entweder egal oder sie bekommen es gar nicht mit. Noch schlimmer: Der eine oder andere mag es klammheimlich sogar begrüßen.

FDP ist aufgewacht

Die FDP ist seit Robert Habecks Wärmpepumpen-Putsch zum Glück aufgewacht. Jetzt hat auch der zunächst noch zögerliche Christian Lindner erkannt, dass es an ihm ist, den Lambsdorff zu spielen. Der Finanzminister muss sich mit den Grünen sowie dem industriefernen Teil der einstigen Arbeiterpartei SPD anlegen, um liberale Wirtschaftspolitik durchzusetzen. Und zwar mit einer Konsequenz, die nicht vor dem Koalitionsbruch zurückschreckt. Anders kann er dem Elend kein Ende setzen.

Eine gerade veröffentlichte Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums stiftet in dieser Hinsicht Hoffnung. Es ist noch lange kein „Lambsdorff-Papier“, denn es geht um eine Detailfrage, nicht um Grundsätzliches. Dennoch klingt das Grundsätzliche darin an. Und Christian Lindner macht sich die Empfehlungen seines Beirats ausdrücklich zu eigen:

 

Lindners Beirat nimmt Habecks Plan auseinander

Lindners Beirat, dem Ökonomen wie Lars Feld und Clemens Fuest angehören, nimmt in seiner Stellungnahme den Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck, die energieintensive Industrie durch einen staatlicherseits auf sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelten Strompreis im Land zu halten, auseinander. Statt auf Subventionen sollte die Regierung auf eine „Ausweitung des Energieangebots“ setzen, fordern die Volkswirte. Mit Habecks Industriestrompreis würden „Mittel, die zum Ausbau der Infrastruktur dringend notwendig sind, (...) gleichsam in die Verwaltung des Mangels gesteckt anstatt in die Behebung des Mangels.“

Und dann wagen sie noch einen Blick über das Stromproblem hinaus: „Politik sollte über die Energiekosten hinaus die Standortbedingungen für die Industrie in Deutschland attraktiver gestalten, sei es bei der Gewinnung von Fachkräften, beim Abbau unnötiger Bürokratie, der Digitalisierung der Verwaltung oder der Gestaltung des Steuersystems.“

„Ottos Erben“ formieren sich innerhalb der FDP

Auch innerhalb der FDP tut sich etwas. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten, denen die marktwirtschaftliche Ausrichtung wichtig ist und die daher mit der Ampelkoalition fremdeln, trifft sich regelmäßig während den Sitzungswochen.

Nach außen hin treten sie nicht offen auf, anders als etwa der „Seeheimer Kreis“ in der SPD oder die „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ innerhalb der CDU/CSU. Deshalb ist nicht klar, wer alles Mitglied der Gruppe ist. Nur so viel: Neben Linda Teuteberg, Wolfgang Kubicki und Frank Schäffler sollen auch Staatssekretäre und eine Ministerin mit dabei sein.

Interessant ist: Sie nennen sich „Ottos Erben“ und meinen Otto Graf Lambsdorff, den Verfasser des wirtschaftsliberalen Scheidungsbriefs an die SPD.

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