Ideologische Steuerung der Wirtschaft - Queerer Wein und Bankenaufsicht

Das Familienministerium in Rheinland-Pfalz prämiert in Zukunft Queer-Weine. Diese Provinzposse ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Auf unterschiedlichen Ebenen versucht die Politik, das Wirtschaftsleben ideologisch auf Linie zu bringen. Die schärfste Waffe dabei ist die Bankenaufsicht. Queerer Wein ist im Vergleich dazu harmlos.

Selbst Kenner dürften keinen Unterschied zwischen queeren und nicht-queeren Weinen herausschmecken / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Die Kategorie „Dinge, die kein Mensch braucht“ wurde in der vergangenen Woche um eine grandiose Idee bereichert. Neben so sinnigen Sachen wie Bananenschneidern oder Maiskolbenhaltern gibt es nun auch queeren Wein. Darauf hat die Welt gewartet.

Entwickelt wurde die Idee im Hause von Katharina Binz, Familienministerin im eigentlich recht bodenständigen Rheinland-Pfalz. Dort verfiel man auf den innovativen Gedanken, einen „QueerWein“-Wettbewerb auszuloben. Die Initiative richtet sich an lesbische, schwule, bisexuelle und intergeschlechtliche Winzer in Rheinland-Pfalz. Mitmachen können Weingüter, bei denen Nicht-Heterosexuelle „in verantwortungsvoller Position“ tätig sind – was immer das genau heißt. Unter den Bewerbern sollen bei einer Verkostung schließlich zwei Gewinner bestimmt werden, die dann am 18. Mai (in Rheinland-Pfalz Verfassungstag) gekürt und deren Weine an „Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Politik und Gesellschaft“ versandt werden sollen. Das Familienministerium selbst will 500 Flaschen der Sieger-Weingüter kaufen.

Kaum etwas fällt leichter, als sich über die Initiative von Frau Binz lustig zu machen. QueerWein – das ist genau das, was uns allen immer schon gefehlt hat. Doch der naheliegende Spott und die unfreiwillige Komik dieser Provinzposse überdecken leicht das eigentlich Problematische an der ganzen Sache: die ideologische Ausrichtung und Anpassung immer weiterer Teile des Wirtschaftslebens durch die Politik.

Auf politische Anliegen verpflichtet

Mit Vorschriften, Verordnungen und der Auslobung von Preisen versuchen einschlägig positionierte politische Akteure seit Jahren, Unternehmer und Konzerne auf ihre ideologischen Anliegen zu verpflichten. Und das mit immer größerem Erfolg. Das Gendersternchen nicht nur im Stellenangebot, sondern auch in der Werbung, das demonstrative Unterstützen entsprechender gesellschaftspolitischer Kampagnen, die divers durchgestylte Kampagne, das penetrante Green Marketing: Schon die Eigenlogik des kapitalistischen Systems sorgt dafür, dass sich die Wirtschaft umgehend gesellschaftlichen Trends anpasst. Links, woke und nachhaltig zu sein, ist stylisch. Und welches Unternehmen, das auf sich hält, will nicht hip und auf der Höhe des Zeitgeistes sein? Dass man sich damit zum Erfüllungsgehilfen radikaler politischer Anliegen macht und im Zweifelsfall an dem Ast sägt, auf dem man sitzt, scheint in den Chefetagen keine Besorgnis auszulösen, im Gegenteil. Man hat den Eindruck, die Führungskräfte der großen Unternehmen und Konzern genießen es geradezu, endlich mal auch zu den Guten zu gehören und das Image des skrupellosen Kapitalisten ablegen zu dürfen.

Doch nicht nur die Gesetze des Marktes und wohlfeile Preise bringen die Wirtschaft auf Linie. Das mächtigste ideologische Steuerungsinstrument in der Hand des Staates ist die Bankenaufsicht, also die Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (BaFin) und EZB. Ende Dezember 2019 veröffentlichte etwa die BaFin ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“.

Dass dieses Merkblatt mehr war als nur eine Gedächtnisstütze, sondern ein Wink mit dem Zaunpfahl, war jedem in der Branche Verantwortlichen sofort klar. Merkblätter dieser Art zeichnen auf, wo die Überlegungen der Bankenaufsicht hingehen, und erfahrungsgemäß folgen in absehbarer Zeit regulatorisch verbindliche Schritte. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, da an dem Thema Nachhaltigkeit derzeit auch die Aufseher der EZB arbeiten.

Ein Unternehmen ohne Quoten wird zum Bilanzrisiko

Nachhaltigkeit basiert nach der Vorstellung der BaFin auf drei Säulen: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Letztere umfasst das, was man im Geschäftsdeutsch Compliance nennt. Spannend sind jedoch Umwelt und Soziales. Hier geht es ausdrücklich um Klimawandel, Artenvielfalt, Diversität, Inklusion und Minderheiten.

Über die Definition möglicher Bilanzrisiken hat die Bankenaufsicht so die Möglichkeit, das Kreditportfolio der Banken und damit die Gesamtfinanzierung des wirtschaftlichen Handelns ideologisch zu steuern. Ein Unternehmen, das etwa nicht umfassend Quoten für seine Führungspositionen einführt, wird damit zum Bilanzrisiko. Selten wurde weltanschaulicher Druck eleganter aufgebaut.

Vor diesem Hintergrund sind Queer-Weine eine Belanglosigkeit. Allerdings zeigt diese Initiative unfreiwillig deutlich, mit welchem Nachdruck diese Gesellschaft weltanschaulich auf Linie gebracht werden soll. Übrigens: Weine und Sekte, die von schwulen oder lesbischen Winzern und Winzerinnen kommen, gibt es schon lange. Das ist nicht neu, kann sehr lustig sein und bleibt jedem Unternehmer selbst überlassen. Doch der Eingriff staatlicher Stellen zwecks weltanschaulicher Gesellschaftssteuerung hat einen unguten Beigeschmack.

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