Wahlwiederholung in Berlin - Nächster Denkzettel für das Ampel-Gehampel

Bei der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin wurden die Ampel-Parteien SPD und FDP von den Wählern abgestraft, CDU und AfD legten kräftig zu. Als kleiner Sieger kann sich die Linke feiern.

Wahlhelfer in der Berliner Max-Schmeling-Halle / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Stimmung und Stimmen sind zweierlei. Doch die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin hat gezeigt, dass die Demoskopen offenbar richtig liegen: Die Ampel-Parteien SPD und FDP wurden von den Wählern abgestraft, CDU und AfD legten kräftig zu. Die Grünen hingegen konnten sich in jenen 455 von 2.256 Wahlbezirken, in denen die Pannenwahl von 2021 jetzt wiederholt werden musste, sogar leicht verbessern. Auch das liegt im demoskopischen Bundestrend. Die Wähler der Grünen sind mit dem Ampel-Gehampel insgesamt zufriedener als die der anderen Koalitionäre.

Die leichten Zugewinne der Grünen wurden von manchen Kommentatoren schnell als Ergebnis der Großdemonstrationen „gegen rechts“ bejubelt. Allerdings wurde jetzt in sehr vielen Hochburgen der Grünen gewählt. In den 455 Wiederholungs-Bezirken waren die Grünen schon 2021 mit 27,1 Prozent stärkste Partei; jetzt legten sie 0,5 Punkte zu. 

Ein genauer Blick auf die Zahlen widerlegt jedoch die „politisch korrekte“ Interpretation dieses Ergebnisses als Resultat der gegen die AfD gerichteten Massendemonstrationen. Den größten Sprung machte nämlich ausgerechnet die in Teilen rechtsextremistische Höcke-Partei. Sie kletterte in den Bezirken, in denen gewählt wurde, von 7,0 auf 12,6 Prozent, ein Plus von 80 Prozent. Die AfD war auch die einzige Partei, die trotz deutlich gesunkener Wahlbeteiligung absolut an Stimmen zugelegt hat.

AfD-Anhänger kümmern sich kaum um Gegenwind

Wie wenig sich potentielle AfD-Anhänger um Gegenwind kümmern, zeigt das Ergebnis im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf. Dort stand für die AfD Birgit Malsack-Winkemann auf dem Stimmzettel. Die ehemalige Richterin konnte freilich keinen Wahlkampf machen, weil sie unter dem Verdacht in Untersuchungshaft sitzt, zusammen mit Heinrich XIII. Prinz Reuß und anderen „Reichsbürgern“ einen Staatsstreich geplant zu haben. Gleichwohl erhöhte sich ihr Anteil bei den Erststimmen auf 9,3 (5,3) Prozent. 
 

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Dies alles erinnert an die Landratswahl im thüringischen Kreis Saale-Orla vor vier Wochen. Dort war die Wahlbeteiligung in der Stichwahl deutlich angestiegen, was ebenfalls als Erfolg der von den meisten Medien massiv unterstützten Anti-AfD-Demonstrationen gefeiert wurde. Tatsächlich hatte der AfD-Bewerber von der höheren Wahlbeteiligung viel stärker profitiert als der CDU-Kandidat. Der gewann zwar, vereinte auf sich aber nicht wesentlich mehr Stimmen, als er sowie die Mitbewerber von SPD und Linken im ersten Wahlgang zusammen erhalten hatten. 

Die CDU hatte gehofft, das ein oder andere Direktmandat gewinnen zu können. Das gelang ihr nicht. Ohnehin konnten alle 12 Wahlkreissieger von 2021 ihre Mandate verteidigen. Gleichwohl war die Union mit ihrem Slogan „Zeig der Ampel das Stopp-Zeichen!“ erfolgreich. Die CDU erhöhte ihren Stimmenanteil um ein gutes Drittel auf 20,6 (13,7) Prozent. Die CDU-Gewinne korrespondieren mit den schweren Verlusten der Kanzlerpartei. Die SPD liefen die Wähler in Scharen davon oder blieben zu Hause. So wurde die SPD nur noch von 14,6 Prozent gewählt, nach 22,4 Prozent im September 2021. Die Berliner Genossen können sich damit trösten, dass sie damit auf dem niedrigen Niveau der Bundespartei angekommen sind.

Freie Demokraten zahlen den höchsten Preis

Bei der FDP reihte sich diese Teilwahl nahtlos ein in die Serie von katastropalen Landtagswahlergebnissen. Sie landete bei demütigenden 3,3 Prozent, nachdem sie 2021 9,0 Prozent erreicht hatte. Auch hier haben die Berliner die Demoskopen bestätigt; die Freien Demokraten zahlen für ihre Beteiligung an der Ampel den höchsten Preis. 

Als kleiner Sieger kann sich die Linke feiern. Während sie nach der Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe um ihre Existenz bangen muss, machten ihr die Wähler jetzt etwas Hoffnung. Ihr Stimmenanteil stieg leicht auf 12,6 (11,9) Prozent an. Allerdings durfte das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ jetzt nicht antreten. Denn auf den Stimmzettel mussten dieselben Parteien und Kandidaten stehen wie 2021, als der rot-grün-rote Senat sich als unfähig erwiesen hatte, eine Wahl parallel zu einem Marathonlauf zu organisieren.

Unfreundliches Wetter, wenig Einfluss

Allzu große Rückschlüsse auf die bundespolitische Stimmung erlaubt dieses Wahlergebnis indes nicht. Die Berliner wussten, dass sich durch diese Teil-Wahl – sie betraf knapp 1 Prozent aller wahlberechtigten Deutschen – an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag schon rein rechnerisch gar nichts ändern konnte. Das dürfte die Wahlbeteiligung ebenso gedämpft haben wie das unfreundliche Wetter und die Tatsache, dass der Wahlsonntag zugleich der letzte Tag der Berliner Winterferien war. Am Sonntag ging nur jeder Zweite zur Wahl gegenüber 75 Prozent 2021.

Die geringe Wahlbeteiligung sorgte dafür, dass Berlin vier Mandate verlor. Je ein über die Landesliste gewonnenes Mandat von SPD, Grünen und Linken ging an andere Bundesländer. Die FDP verlor ein Berliner Mandat. Dadurch verringerte sich die Zahl der Bundestagsabgeordneten von 736 auf 735. Das alles sind Folgen eines durch Ausgleichsmandate höchst komplizierten und für Nicht-Spezialisten unverständlichen Wahlsystems.

Seltsame Kommentare, auch in den Medien

Da nur 20 Prozent der Berliner am Sonntag wählen durften und nur 10 Prozent zur Wahl gingen, hat sich am Gesamtergebnis für Berlin nichts Gravierendes verändert. Die SPD bleibt in der Hauptstadt stärkste Partei mit 22,2 (23,4) Prozent vor den Grünen mit 22,0 (22,3) Prozent. Die CDU verbesserte sich auf 17,2 (15,9) Prozent. Die AfD kam auf 9,4 (8,4) Prozent, die FDP fiel auf 8,1 (9,0) Prozent zurück. 

Die geringen Verschiebungen im Gesamtergebnis zogen seltsame Kommentare nach sich. Berlins ehemalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey jubelte, die SPD sei stärkste Partei geblieben. Der Deutschlandfunk berichtete in seinen Nachrichten so: „Nach Auszählung aller Stimmen verzeichneten CDU und AfD leichte Zugewinne, während die Ampelparteien hingegen etwas an Boden verloren“. Man merkt die Absicht.

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