Wahlkampfauftakt von CDU und CSU - Mit Angriffslust in die Aufholjagd

Der offizielle Wahlkampfstart der Union zur Bundestagswahl musste ein Befreiungsschlag werden. Denn die Unzufriedenheit mit dem Kanzlerkandidaten nahm zuletzt bedrohliche Ausmaße an. Im Berliner Tempodrom zeigten sich Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder am Samstag aber kampfeslustig. Und die Kanzlerin war auch noch da.

Armin Laschet und Markus Söder am Samstag im Berliner Tempodrom / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Nach der bisher enttäuschenden und von sinkenden Umfragewerten geprägten Performance der Union im Bundestagswahlkampf war dieser Auftritt mit höchsten Erwartungen verbunden. Er musste zu einem Signal dafür werden, dass CDU und CSU und insbesondere deren gemeinsamer Kanzlerkandidat noch kampfeswillig sind; dass beide Parteien endlich Geschlossenheit demonstrieren und nicht tatenlos dabei zusehen, wie die Sozialdemokraten mit Olaf Scholz immer weiter aufholen und am Ende eine Regierungsbildung gegen Christdemokraten und Christsoziale möglich werden würde. Kurzum: Es war ein Befreiungsschlag nötig – nach innen wie nach außen.

Und es bleibt festzuhalten nach diesen gut zweieinhalb Stunden „offiziellen“ Wahlkampfauftakts im Berliner Tempodrom: Das Vorhaben ist geglückt. Mit Armin Laschet, Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder und nicht zuletzt auch der Bundeskanzlerin hat die Union endlich zur notwendigen Betriebstemperatur gefunden, um jetzt vielleicht noch eine Trendwende zu schaffen. Dafür war es auch allerhöchste Zeit, denn mit der unmittelbar bevorstehenden Möglichkeit zur Briefwahl ist keineswegs der 26. September das allesentscheidende Datum. Woraus sich die Frage ergibt, ob es nicht schon zu spät ist für ein öffentlichkeitswirksames Feuerwerk wie das heutige, das wohlgemerkt wegen Corona vor nur gut 100 unmittelbar anwesenden Zuschauern stattfinden konnte.

Besserer Auftritt als vor einer Woche

War Armin Laschet am vorigen Samstag bei der Jungen Union in Hessen noch mit etwas ungelenken Präliminarien zu seiner eigentlichen Rede hingestolpert, gelang ihm das im Tempodrom weitaus besser; rhetorisch und von der Körpersprache her souveräner – und mit einem starken Fokus auf der Innen- und Sicherheitspolitik. Nach unvermeidlichen Dankesworten in Richtung der Regierungschefin („Es waren 16 stürmische Jahre, und wir sind froh, dass Angela Merkel in dieser Zeit Kanzlerin war“) ging er sogleich auf die Situation in Afghanistan ein und verband dies mit harscher Kritik an Heiko Maas: Er erwarte, dass Deutschlands Außenminister den Leuten vor Ort helfe; auch hätten die afghanischen Unterstützer die Solidarität der Bundesrepublik verdient.

Rücktrittsforderungen an Maas wolle er zwar ausdrücklich nicht erheben, so Laschet. Gleichwohl könne es nach dem Fall von Kabul kein „Weiter so“ in der deutschen Außenpolitik geben. Nach den Terrorattacken auf die Olympischen Sommerspiele in München 1972 etwa habe die Bundesrepublik mit dem Aufbau der Spezialeinheit GSG 9 reagiert. Wie die konkreten Konsequenzen diesmal auszusehen hätten, blieb offen – Laschet kritisierte allerdings mit deutlichen Worten die Haltung der SPD in puncto Drohnen sowie die in der Vergangenheit unklare Haltung der Grünen zum Thema Auslandseinsatz. So habe deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei der letzten Verlängerung des Afghanistan-Mandats mit Enthaltung votiert, was ein Ausweis der Orientierungslosigkeit sei.

Laschet als Law-and-Order-Mann

Mit Blick auf die innere Sicherheit gab Laschet den Law-and-Order-Mann und verwies auf seine harte Linie in Nordrhein-Westfalen. Er erinnerte an den Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri, der trotz zahlreicher Identitäten und vieler Hinweise auf sein Gefährdungspotential nicht aus Deutschland abgeschoben worden sei. Gefährder aber hätten die Bundesrepublik zu verlassen; Einschränkungen wegen der Situation in bestimmten Herkunftsländern machte Laschet nicht. Auch gegen die Clankriminalität versprach der CDU-Vorsitzende eine harte Linie: Man werde solche Strukturen „zerstören“.

Um seine Agenda durchzusetzen, versprach Laschet optimale Ausrüstung für die Einsatzkräfte, das Ausnutzen sämtlicher gesetzlichen Möglichkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung sowie volle Rückendeckung für die Polizei. Auch die Vorratsdatenspeicherung sei ein probates Mittel. Die Linkspartei bezeichnete Laschet als „sicherheitspolitisch unverantwortlich“ – was aus seiner Sicht offenbar auch für Teile der SPD gilt. Kevin Kühnert und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken erinnerten ihn derzeit an die Asterix-Figur Troubadix, jenen Sänger mit der schrecklichen Stimme, den die Dorfgemeinschaft während Festivitäten stets mit einem Tuch um den Mund an einen Baum fesselt.

Den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz rief Laschet dazu auf, eine mögliche Koalition mit der Linkspartei auszuschließen – genauso, wie CDU und CSU es bei der AfD machten. Ansonsten umriss er mit den bekannten Punkten seine wirtschaftspolitische Agenda: keine Steuererhöhungen, keine Rückkehr zur alten Schuldenpolitik, vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Klimaschutz unter der Maßgabe, dass die Bundesrepublik ein Industrieland bleibe und der Wohlstand nicht gefährdet werde. Anderenfalls würde sich die klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands ins Gegenteil verkehren und im Ausland als abschreckendes Beispiel wahrgenommen werden.

Er werde „dafür kämpfen, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“, beendete Armin Laschet seinen Auftritt, der mit begeistertem Applaus und Jubelrufen quittiert wurde. Das war zwar auch nicht anders zu erwarten gewesen, weil das Publikum aus Unionsanhängern bestand. Aber die schienen doch einigermaßen erlöst, weil ihr Kanzlerkandidat die Erwartungen inhaltlich und rhetorisch offenbar erfüllt hatte. Auch die während der Veranstaltungen zugeschalteten oder für kurze Statements auf die Bühne geholten Wahlkämpfer – Vize-Parteivorsitzende Silvia Breher oder die CDU-Spitzenkandidaten von Berlin (Kai Wegner) und Mecklenburg-Vorpommern (Michael Sack) – machten keine schlechte Figur.

Söder zeigt sich versöhnlich

Mit Spannung erwartet worden war natürlich auch die Rede von Markus Söder, der in letzter Zeit vor allem durch Sticheleien gegen Laschet aufgefallen war. Im Tempodrom stellte er sich allerdings deutlich hinter den Kanzlerkandidaten, den man gemeinsam „gegen viele unfaire Angriffe in Schutz nehmen“ werde. „Ich habe keinen Bock auf Opposition“, rief der CSU-Chef seinem Publikum zu und am Ende seines gewohnt engagierten Auftritts die Worte: „Ich will, dass Armin Laschet Kanzler wird – und nicht Olaf Scholz oder Annalena Baerbock!“ Der stürmische Applaus war zurecht voll einkalkuliert.

Gleichwohl erinnerte der bayerische Ministerpräsident daran, dass die bevorstehenden Wochen kein Spaziergang werden dürften und der Wiedereinzug ins Kanzleramt kein Selbstläufer sei. In diesem Moment war Söder der Frust über den bisherigen Verlauf des Wahlkampfs und die vielen Ungeschicklichkeiten Laschets deutlich anzumerken. An einer Stelle bemerkte er auch explizit, dass man anstatt der Diskussionen über ein Lachen zur falschen Zeit (gemeint war Laschets Fauxpax nach der Flutkatastrophe) lieber auf Inhalte setzen solle. Und nach dem obligatorischen Dank an Merkel, von der er in der Corona-Krise zuweilen gelernt habe, Linie zu halten, ließ Söder es denn auch an Inhalten nicht mangeln.

Bemerkenswert war da insbesondere ein Seitenhieb in Richtung der Vereinigten Staaten. Deren „überstürzter Abzug“ ohne Absprachen mit den Alliierten habe den Westen in „eine schwere moralische Krise“ gestürzt. Dennoch sei das 20-jährige Engagement am Hindukusch nicht völlig umsonst gewesen, es sei viel Aufbauarbeit geleistet worden. Mit Blick auf die Aufnahme afghanischer Ortskräfte in die Bundesrepublik sagte Söder, dass man ihnen helfen wolle, aber keine „Blankoschecks“ ausgestellt werden dürften.

Söder verteidigte seine restriktive Corona-Politik, mit der allein in Bayern 130.000 Menschenleben gerettet worden seien. Wie diese Zahl zustande kommt, verriet er allerdings nicht. Einen weiteren Lockdown schloss er aus, verlieh aber gleichzeitig seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Bundestag in der nächsten Woche die Verlängerung der epidemischen Lage beschließen werde: „Die vierte Welle ist da.“ Um beim Thema Pandemie noch einen Wahlkampf-Punkt gegen Olaf Scholz setzen zu können, warf er dem Bundesfinanzminister vor, die Auszahlung von Corona-Hilfen verzögert zu haben.

Merkel zieht Bilanz

In der Steuer- und Wirtschaftspolitik zeigte Söder sich auf einer Linie mit Laschet, ebenso beim Klimaschutz („eine moralische Frage“), der nicht „zurück in die Steinzeit“ führen dürfe. Die Grünen stünden in dieser Hinsicht „am linken Rand“, so der CSU-Vorsitzende. Deren Wahlprogramm trage denn auch nicht die Handschrift von Robert Habeck, sondern von Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter: „Und dann stellt Euch noch das Gesicht dazu vor!“

Angela Merkels Auftritt beschränkte sich mehr oder weniger auf ein paar freundliche Grußworte. Eigentlich, so die Kanzlerin, habe sie sich als aus dem Amt Scheidende überhaupt nicht in den Wahlkampf einmischen wollen. Ob die derzeit missliche Lage den Gesinnungswechsel veranlasst hat? Jedenfalls ließ die Kanzlerin ihre Regierungsjahre noch einmal kurz Revue passieren und kam, wenig überraschend, auf eine sehr positive Bilanz. Arbeitsmarkt, Staatsfinanzen, Eurorettung, Energiewende: alles tolle Erfolge aus Sicht der Kanzlerin. Das dürften zwar sogar im handverlesenen Publikum einige Zuhörer anders sehen. Aber von der Veranstaltung im Tempodrom sollte eben das eindeutige Signal der Geschlossenheit ausgehen.

Insofern: Mission erfüllt. Jetzt wird es für die Union nur noch darauf ankommen, auch noch den Rest des Landes zu überzeugen. Ein Spaziergang ist das in der Tat nicht.

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