Wahlkampf im Saarland - Die Kompetenz-Lücke

Im Saarland wird demnächst gewählt, und ausgerechnet der Ministerpräsident glaubte, aus diesem Anlass ein „Kompetenzteam“ präsentieren zu müssen. Was schon bei Armin Laschet nicht gutging, droht für Tobias Hans nun zum kompletten Fehlschlag zu werden. Denn eine seiner Auserwählten nahm unlängst an einer Corona-Demo teil. Aber das ist nicht alles.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Das Zusammenstellen eines „Kompetenzteams“ scheint so etwas wie der Kontraindikator zu politischer Kompetenz zu sein. Man erinnert sich mit Grausen daran, wie der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet Anfang September vorigen Jahres (und damit drei Wochen vor der Bundestagswahl) ein sogenanntes Zukunftsteam präsentierte, dem neben amtierenden Ministerinnen wie Dorothee Bär und Karin Prien sowie bekannten CDU-Politikern vom Kaliber eines Friedrich Merz oder einer Silvia Breher auch Nicht-Politiker wie der „Terror-Experte“ Peter Neumann oder sogar bis dahin gänzlich unbekannte Personen wie Joe Chialo präsentiert wurden. Letzterer übrigens als Musikproduzent für den Bereich „Kultur- und Kreativwirtschaft“.

Das Experiment ist bekanntlich grandios gescheitert, Laschet erntete für seine Aktion mehr Häme als Interesse und Zuspruch. Und zwar zu Recht. Denn das Schaulaufen mehr oder weniger Prominenter kam erstens viel zu spät und wirkte wie eine Verzweiflungstat. Zweitens suggeriert man durch die Präsentation eines Zukunftsteams ex negativo, dass amtierende Fachminister wie etwa Jens Spahn, der damals das Gesundheitsressort verantwortete, für nicht wirklich zukunftsträchtig befunden werden. Und drittens ist es ohnehin immer problematisch, wenn der Kandidat einer regierenden Partei sich mit einer solchen Mannschaft umgibt. Die Wähler könnten sich nämlich fragen, warum das vorgestellte Personal nicht längst an die Schalthebel der Macht gelassen wurde.

Ratlos bis panisch

Laschet hatte sich denn auch lange dagegen gewehrt, ein solches Team zusammenzustellen. Angesichts desaströser Umfragewerte überlegte er es sich – auch auf Druck von außen – dann in letzter Minute anders. Und wirkte dabei ratlos bis panisch. Das Schaulaufen geriet zum Desaster und war in der Tat ein Menetekel mit Blick auf den Wahltag. Im Cicero-Interview räumte der heutige Vize-CDU-Chef Carsten Linnemann unlängst auch unumwunden ein, seine Partei habe im zurückliegenden Wahlkampf so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Das „Zukunftsteam“ war zweifelsfrei einer von vielen der geschossenen Böcke. Shit happens.

Und weil man aus Erfahrung nicht notwendigerweise klug wird, hat sich nun Tobias Hans im entlegenen Saarland angeschickt, seinerseits ein Kompetenzteam vorzustellen. Für alle, denen es entgangen sein mag: Der 44 Jahre alte Hans gehört nicht nur der an der Saar in Regierungsverantwortung stehenden CDU an. Er ist sogar Ministerpräsident. Weshalb er an diesem Mittwoch also jene neun „Experten, die mit mir gemeinsam die Veränderungsagenda für das Saarland anpacken wollen“, der staunenden Öffentlichkeit vorführte angesichts der drohenden Frage, warum er deren Kompetenz jetzt erst entdeckt hat, bleibt einstweilen das Geheimnis von Tobias Hans. Armin Laschet lässt grüßen.

Soviel zur Kompetenz-Inkompetenz des saarländischen Ministerpräsidenten. Kleiner fun fact am Rande: Als einziger schon amtierender Landesminister wurde Peter Strobel nominiert, der aktuell das Ressort Finanzen verantwortet, aber künftig ausgerechnet für die Bereiche Wirtschaft, Bauen und Infrastruktur zuständig sein soll. Da muss bisher also eine gewisse Fehlallokation der Kompetenz des Herrn Strobel zu beklagen gewesen sein. Aber manches stellt sich halt erst auf Strecke heraus. Sei’s drum.

„Junge und erfahrene Köpfe“

Im Unklaren blieb derweil, welche Aufgaben für die einzelnen Kompetenzteamler eigentlich vorgesehen sind. Minister? Berater? Ein Posten als Staatssekretär? Nichts genaues weiß man nicht. Ihm sei es wichtig gewesen, „nicht nur Menschen aus der CDU zu präsentieren“, so Hans, sondern „junge und erfahrene Köpfe“ aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft. Warum auch nicht, schließlich ist die Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan mit ihrer NGO-Kompetenz ja auch als Staatssekretärin im Auswärtigen Amt vorgesehen. Mit solchen Kalibern konnte Tobias Hans am Mittwoch zwar nicht aufwarten, aber immerhin sind ein Virologe sowie eine Professorin für Fachdidaktik mit von der Partie.

Und nicht zu vergessen: Die Fotografin und Grafikdesignerin Marisa Winter, angestellt bei der Stadt Saarbrücken. Frau Winter hat zweifelsfrei den Vorteil, dass sie beim örtlichen Max-Ophüls-Filmfestival eine gewisse Rolle spielt, ebenso wie beim Günter-Rohrbach-Filmpreis – weshalb ihr vom saarländischen Ministerpräsidenten auch die Kompetenz für Kulturfragen zuerkannt wurde. Der Nachteil: Wie sich jetzt herausgestellt hat, war Marisa Winter im Januar Teilnehmerin an einer Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration, wo sie ohne Mundschutz unter einem Plakat fotografiert wurde mit der Aufschrift „Keine Zwangsinjektion“, „Pandemie-Lüge“ sowie „Gott wird euch richten sehr bald“. Für Tobias Hans als Fürsprecher einer allgemeinen Impfpflicht war das eher keine gute Nachricht.

Frau Winter zog sich denn auch schnell aus dem Kompetenzteam zurück (beziehungsweise wurde aus diesem herausgezogen) und beteuerte, als Kulturschaffende lediglich Interesse am Austausch mit den Demonstranten gehabt zu haben. Das ehrt sie. Für den Regierungschef ist das freilich aus nachvollziehbaren Gründen ein bisschen zu viel der Ehre – auf die kulturpolitische Kompetenz der Fotografin und Filmexpertin wird das Saarland wohl oder übel verzichten müssen (zumindest innerhalb einer Regierung). So schnell kann es gehen in aufgewühlten Corona-Zeiten.

Mangelnde Kompetenz-Kompetenz

Aber natürlich stellen sich jetzt auch Fragen nach der Kompetenz-Kompetenz des Tobias Hans. Warum hat er sich nicht vorher besser über den Background seiner Mittwochs-Entourage erkundigt? Beispielsweise bei Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt, in dessen Stadtverwaltung Marisa Winter beschäftigt ist. Wo doch der Saarbrücker OB sogar wie sein Landesvater Mitglied der CDU ist. Die beiden könnten einander nicht leiden, heißt es, und dass zwischen Hans und Conradt ein gewisses Konkurrenzverhältnis bestehe. Das mag stimmen oder auch nicht, Fakt ist: Der Versuch des Ministerpräsidenten, sich mit der Personalie Winter in der saarländischen Kulturszene beliebt zu machen, ging gründlich daneben.

Am 27. März wird im Saarland gewählt, und in den Umfragen liegt die SPD als derzeitiger Koalitions-Juniorpartner mit 35 Prozent fünf Punkte vor der CDU. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden die Sozialdemokraten an der Saar die nächste Ministerpräsidentin stellen – aller Voraussicht nach im Rahmen einer Ampel-Koalition. Die Christdemokraten scheinen mit Zukunfts- und Kompetenzteams einfach kein Glück zu haben. Vielleicht kommt am Schluss auch noch Pech dazu. Und zuvor ein bisschen Inkompetenz.

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