Vierkampf bei ARD und ZDF - Wer distanziert sich am besten?

Duelle, Trielle, Sommerinterviews – wer soll sich das alles anschauen? Die Öffentlich-Rechtlichen toppten sich am Montag selbst: mit zwei „Vierkämpfen“ hintereinander. Unser Autor jedenfalls fühlt sich von dem Angebot ziemlich überfordert.

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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Nie war meine Lust größer, nun drei (sic!) Kreuze zu machen, den ausgefüllten Wahlschein in den Briefumschlag zu stecken, diesen in den Briefkasten – um dann mit gutem Gewissen Internet und Fernseher bis zum Wahlabend nicht mehr anzuschalten.

Ich gestehe – und das will was heißen für einen Politik-Redakteur: Ich fühle mich überfordert von all den Duellen, Triellen, Sommerinterviews und sonstigen Formaten, die uns von öffentlich-rechtlicher wie privater Seite als das non plus ultra angepriesen werden. Schon klar: Wir haben inzwischen sieben Parteien (inklusive der CSU) im Bundestag, viele Parteien haben eine Doppelspitze, dazu gibt es Generalsekretäre und Spitzenkandidaten – die Zahl der Interviewpartner ist also exponenziell gestiegen, will man es gerecht gestalten. Aber wer soll sich das alles anschauen?

Zweimal die gleiche Besetzung

Bestes Beispiel dafür ist der gestrige Abend: Wer sich nach dem Triell der Kanzleramtsanwärter am Sonntag mal anschauen wollte, was die kleineren Parteien zu sagen hatten (zwischen FDP und Grünen liegen aktuell zwei Prozentpunkte, aber das nur am Rande), schaltete um 20.15 Uhr das Erste ein: Janine Wissler von der Linken, Christian Lindner (FDP), Alice Weidel (AfD) und Alexander Dobrindt (CSU) stritten da knapp anderthalb Stunden über Energiewende, Flüchtlinge und Renten.

Oder hätte man doch lieber eine Stunde vorher das ZDF einschalten sollen? Da kam fast dieselbe Sendung: mit Wissler und Weidel, nur Lindner wurde von FDP-Vize Kubicki vertreten und Dobrindt von CSU-Generalsekretär Blume. Ist das für irgendjemanden – außerhalb des öffentlich-rechtlichen Kosmos – zu erklären?

Ich weigere mich jedenfalls, noch eine Stunde meiner Lebenszeit dafür aufzuwenden, um herauszufinden, ob die Parteienvertreter eine Stunde zuvor vielleicht womöglich etwas Wichtigeres gesagt haben als im „Vierkampf“ der ARD, dessen Ergebnisse ich Ihnen hier präsentieren will.

Einen Sieger gab es nicht an diesem Abend. Aber Linken-Vorsitzende Wissler, Neuling(in?) auf der bundespolitischen Bühne, machte eine gute Figur – Sarah Wagenknecht erwächst hier ernsthafte Konkurrenz. Inhaltlich hatte Wissler in dieser Runde gegen ihre liberalen und konservativen Gegner ein Alleinstellungsmerkmal, auch optisch unterschied sie sich in ihrem roten Kleid – Weidel passte in ihrem Businessdress mit dem blauen Einstecktuch perfekt zu Dobrindt und Lindner. Deren Versuche, sich klar von der AfD zu distanzieren, wirkten stets etwas bemüht. Denn es fiel ins Auge, bei wie vielen Themen die drei sich einig waren – und die Linke als einzige dissent: kein Tempolimit auf Autobahnen, mehr Geld für die Bundeswehr, gegen höhere Steuern für Reiche, für eine Beibehaltung des Ehegattensplittings, kein Austritt aus der Nato, keine Inlandsflüge verbieten.

Am besten gelang die Distanzierung von der AfD Christian Lindner in der Positionierung gegenüber Russland: Da betonte der Liberale in bester liberaler Manier, dass man zu Dialog bereit sein müsse, aber Menschenrechte und Völkerrecht die Grundlage der Beziehung zu sein hätten. Verbunden mit einem klaren Bekenntnis zur Nato erlegte er mit seinem Plädoyer gleichzeitig Wissler auf der linken Seite.

Der Autoschlüssel in der Urne

Dobrindt gelang ein klarer Treffer, als Weidel bei der Klimapolitik gegen den Ausbau der Erneuerbaren polemisierte und forderte: „Wir müssen den deutschen Sonderweg beenden.“ Der CSU-Politiker entgegnete kühl: „Ihr Problem ist, dass Sie den menschengemachten Klimawandel leugnen.“ Es ist im Programm der AfD wohl der Punkt, der die Wähler mehr als alle anderen an der Ernsthaftigkeit dieser Partei zweifeln lassen könnte.

An Dobrindts Ernsthaftigkeit zweifeln durfte man, als er Janine Wissler entgegenwarf: „Wenn man grün oder links wählt, kann man seinen Autoschlüssel gleich hinterher in die Urne werfen.“ Echtes Stammtischniveau aus Bayern. Wissler wies ihn zurecht für diese billige Polemik – zu Recht.

Bei der neuen Linken-Vorsitzende wirkte der Versuch, sich als einzige Kämpferin für die Interessen der kleinen Leute zu beweisen, allerdings reichlich bemüht: praktisch keine Antwort, in der nicht die alleinerziehende Geringverdienerin/Kassiererin/Pflegerin vorkam. Bei mir blieb am Ende die Frage: Wo bleiben bei der Linken eigentlich die alleinerziehenden PflegER?

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