SPD - Land unter

Auch 2019 haben die Sozialdemokraten ein Problem. Sie beschäftigen sich vor allem mit sich selbst. Ein Ausweg aus der Krise ist so nicht erkennbar. Die Aussichten im Mehrfach-Wahljahr sind düster für die SPD

Die harte Kritik des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder an Andrea Nahles trifft die SPD mitten ins Herz / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Am kommenden Wochenende trifft sich die SPD-Führung in Berlin zu einer Klausurtagung. Neue Ideen will die Partei anschließend präsentieren – vor allem Alternativen zu Hartz IV, um so einen Ausweg aus der Krise finden – und einen Aufbruch in das Wahljahr 2019 verkünden. Doch es sieht in diesen Tagen nicht so aus, als ob dies gelingen könnte. Die Parteivorsitzende Andrea Nahles ist angeschlagen, auch Vizekanzler Olaf Scholz steht innerparteilich in der Kritik. Das Führungsduo wird offen infrage gestellt. Munter treten die Genossen sich gegenseitig ans Schienenbein. Vor allem zwei Ex-Parteivorsitzende, Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel, haben in den vergangenen Tagen die innerparteiliche Stimmung angeheizt. Zugleich nimmt die Oppositionssehnsucht in der Partei weiter zu.

Das Interview, das der Altkanzler in der vergangenen Woche dem Spiegel gegeben hat, war ein Frontalangriff auf Andrea Nahles, eine öffentliche Vernichtung. „Amateurfehler“ im öffentlichen Auftreten warf Schröder der Parteivorsitzenden vor. Dazu sprach er ihr die ökonomische Kompetenz ab und kritisierte die Pläne zur Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen. Auch der Hinweis, dass die SPD mit ihm als Kanzlerkandidat 2005 trotz der Hartz-Reformen noch auf 34 Prozent gekommen war, durfte nicht fehlen. Derzeit steht die Partei in Umfragen bei 15 Prozent, gleichauf mit der AfD und hinter den Grünen. Andrea Nahles wird unterdessen konkret und fordert einen radikalen Umbau des Sozialstaats: „Der Sozialstaat muss Partner der Menschen sein. Deswegen wollen wir Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen“, schrieb sie am Morgen auf Twitter.

Stephan Weil als Nachfolger?

Ginge es der SPD besser, säße Nahles fest im Sattel, könnten die Genossen die Kritik Schröders als Nachkarten eines alten Mannes abtun. Doch in der aktuellen Situation trifft diese Kritik die Partei mitten ins Herz. Viele Genossen stimmen Schröder hinter vorgehaltener Hand zu. Alle Solidaritätsbekundungen für Nahles, etwa von Parteivize Manuela Schwesig oder Außenminister Heiko Maas, klangen hingegen in erster Linie pflichtschuldig.

Längst wird in der Partei über eine mögliche Ablösung der Parteivorsitzenden nach der Europawahl und der Landtagswahl in Bremen im Mai spekuliert. Viele Genossen haben beide Wahlen bereits abgeschrieben. Mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil könnte in Hannover bereits ein möglicher Nachfolger bereitstehen.

Kein echter Aufbruch

Bei den Genossen herrscht Land unter. Dass der Partei in diesen Tagen nicht einmal einfaches politisches Handwerk gelingt, demonstrierte sie Anfang der Woche. Fast zeitgleich drängten Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz in die Öffentlichkeit. Erst präsentierte Heil sein Konzept einer Respektrente, mit der die Altersversorgung von drei bis vier Millionen ehemaligen Geringverdienern aufgestockt werden soll. Kostenpunkt: ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag.

Sollte es das Ziel von Hubertus Heil gewesen sein, sozialpolitisch gegen die CDU und gegen die Grünen wieder in die Offensive zu kommen, dann ist dieser Versuch krachend gescheitert. Denn am selben Tag wurde eine Mitteilung von Scholz an seine Ministerkollegen öffentlich, in der er auf eine Haushaltslücke in Höhe von 25 Milliarden hinwies und seine Ministerkollegen eindringlich zum Sparen anhielt. Völlig unabhängig davon, ob der Vorschlag von Heil sinnvoll ist oder ungerecht, demonstrierten die Sozialdemokraten einmal mehr, wie wenig sich ihre Minister miteinander abstimmen.

Auch Gabriel teilt aus

Zwar sprang Sigmar Gabriel dem Arbeits- und Sozialminister zur Seite, nannte dessen Vorschläge auf Twitter „fair, gerecht und überfällig“, aber dann konnte er es nicht lassen, seiner Nachfolgerin an der SPD-Spitze zugleich einen mitzugeben. Heil bringe „das Sozialministerium auf Kurs, das noch vor zwei Jahren die Grundrente gemeinsam mit dem Kanzleramt verhindert hatte. Gut so.“ Vor zwei Jahren war Nahles noch Sozialministerin.

Am Ende bleibt von der ganzen Rentendiskussion beim Wähler nur eine Botschaft: Die Sozialdemokraten versprechen pünktlich zu Beginn eines Wahlkampfes mal wieder Wohltaten und wollen diese mit Geld bezahlen, das gar nicht mehr da ist. Ein Aufbruch ins Wahljahr 2019 sähe anders aus.

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