SPD-Parteivorsitz - Was hat Thilo Sarrazin richtig gemacht, Herr Maier?

Sein Name tauchte auf wie aus dem Nichts. Der Berliner Startup-Unternehmer Robert Maier will neuer SPD-Vorsitzender werden und die Themen innere Sicherheit und Migration zu seinem Schwerpunkt machen. Daran aber sind schon andere Genossen gescheitert

Tritt an, um den Linksrutsch in der SPD und den Rechtsruck im Land zu verhindern: Robert Maier / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Anzeige

Robert Maier ist Startup-Unternehmer und Gründer der Shopping-Plattform Ladenzeile, die er im vergangenen Jahr verkauft hat. Seit 2011 hält Springer eine Mehrheitsbeteiligung. Er ist Mitgründer und Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums.

Herr Maier, auf einer Skala von 0 bis 10, wie attraktiv ist die SPD für die Wähler?
Uiiih, ich würde sagen, sie liegt bei 3.
 
Trotzdem haben Sie Ihre Kandidatur für den SPD-Bundesvorsitz angekündigt. Warum tun Sie sich das an?
Aus Überzeugung, weil ich möchte, dass es wieder eine 10 wird. Ich bin der Ansicht, dass wir den Rechtsruck und den Zulauf zu rechten Parteien stoppen müssen. Dass wir die wirtschaftliche Stärke unseres Landes mit ökologischer, ökonomischer und sozialer Vernunft erhalten müssen. Ich glaube, dass die SPD die einzige Partei ist, die das in dieser Ausgewogenheit in der Vergangenheit hinbekommen hat.

Gab es für Ihre Entscheidung, in die Politk zu gehen, ein auslösendes Erlebnis?
Als Andrea Nahles als Bundesvorsitzende zurückgetreten ist, kam ich gerade von einer längeren Reise nach Berlin zurück. Ich hatte danach das Gefühl, alles, was jetzt in der SPD passiert, geht in Richtung Linksrutsch. Das halte ich für falsch.

Juso-Chef Kevin Kühnert träumt davon, Unternehmen zu verstaatlichen. Sind Sie so etwas wie der Anti-Kühnert?
Anti-Kühnert würde ich nicht sagen. Aber ich bin gegen Verstaatlichung – bis auf wenige Ausnahmen, wo  Unternehmen in öffentlicher Hand für die Daseinsvorsorge die bessere Variante sind. Wir brauchen einen Markt, der sozial und reguliert ist. In der Geschichte hat man nur selten gesehen, dass staatliche Unternehmen für die Menschen besser sind als private.

Auf der Liste der SPD-Mitglieder, die sich bislang um den Bundesvorsitz beworben haben, stehen außer dem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach nur Leute, die außerhalb der Partei kaum einer kennt. Spricht das nicht gegen den Job?
Es ist schon bezeichnend, dass diejenigen, die durch die SPD groß geworden sind, ein solches Desinteresse am Parteivorsitz an den Tag legen. Das wundert mich, ehrlich gesagt. Und ich glaube, es schadet der Partei. Das Verfahren – mit großer Hoffnung gestartet – droht zur Farce zu werden, weil sich alle zurückhalten, die Rang und Namen haben.

Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig hat gesagt, es zeige, wie „ausgebrannt“ das Spitzenpersonal sei. Was glauben Sie, woran liegt es?
An unterschiedlichen Dingen. Aber sicherlich auch daran, dass viele nicht „können“, weil sie sich dazu erst mal einen Partner oder eine Partnerin suchen müssten. Es ist ja nicht so, dass es da schon unzählige natürliche Teams gäbe. Die müssen ja auch erst mal zueinander finden. Das macht die Sache nicht leichter.

Die meisten anderen Kandidaten für den SPD-Bundesvorsitz treten als Pärchen auf, Sie allein. Haben Sie auf die Schnelle keine Partnerin gefunden?
Ich habe gar keine Partnerin gesucht. Ich würde das auch nur in Erwägung ziehen, wenn ich eine hätte, von der ich wüsste, dass wir in die gleiche Richtung marschieren und ein starkes Team bilden. Da ich ja eher neu in der Politik bin, habe ich so jemanden aber nicht.

Sie klingen nicht, als wären Sie darüber traurig.
Bin ich auch nicht. Ich glaube, dass die Debatte über die Doppelspitze von den eigentlichen Problemen der SPD ablenkt. In jedem Interview wird man danach gefragt. Das ist ja ein regelrechtes „Dating“. Ich glaube, dass eine Einzelperson genauso erfolgreich sein kann wie eine Doppelspitze – egal, ob Mann oder Frau. Viel wichtiger ist, dass die Inhalte und die Persönlichkeit stimmen.

Haben die Grünen mit ihrer medien-affinen Doppelspitze die Preise verdorben?
Bis zu einem gewissen Grad schon. Ich finde es falsch, diesem Trend hinterherzuhecheln in der Hoffnung, dass man womöglich etwas vom Ruhm abbekommt. Die Wähler wollen doch, dass man Politik aus Überzeugung macht.

Gesine Schwan ist noch zu haben. Haben Sie schon Kontakt aufgenommen?
(lacht) Genau darum geht es eben nicht. Nur um dem Wunsch der Parteiführung zu entsprechen, mit jemanden eine Doppelspitze zu bilden, den man nicht kennt. Abgesehen davon glaube ich, dass es durchaus auch inhaltliche Differenzen zwischen Frau Schwan und mir geben würde.

Gewählt werden soll die neue Doppelspitze erst Anfang Dezember. Kann es sich die SPD angesichts ihrer schlechten Umfragewerte leisten, sich damit so lange Zeit zu lassen?
Das ist tatsächlich ein langer Zeitraum. Man hat fast sechs Monate keinen gewählten Vorsitzenden beziehungsweise keine gewählte Vorsitzende. Brauchen die Kandidaten wirklich 23 Auftritte, um sich vorzustellen? Würden nicht auch fünf Veranstaltungen reichen? Man kann die doch auch streamen.

Einige Bundesländer wie NRW und Baden-Württemberg haben noch Ferien. Rennt Ihnen die Zeit davon?
Das stimmt. Für mich wäre es besser gewesen, wenn die Frist bis zur Kandidatur nicht schon am 1. September abläuft. Ich brauche das Quorum von 5 Unterbezirken. Das könnte eng werden, aber ich bin zuversichtlich.

Den Namen Maier haben viele noch nicht gehört. Dabei sind Sie der Sohn von Ingrid Matthäus-Maier. Öffnet Ihnen das eine Tür – oder sind Sie „der Sohn von“?
Weder noch. Meine Mutter ist zwar Parteimitglied. Sie hat aber schon lange keine führende Position mehr in der Partei. Ich bin mit meinen 39 Jahren natürlich selbstbewusst genug, um das ohne die Hilfe meiner Mutter zu machen. Natürlich wird sie jetzt manchmal angerufen. Es gibt einige, die sagen: „Hey, ich find das toll, dass dein Sohn das macht. Kann ich irgendwie helfen?“ Aber in Summe ist das minimal.

Kinder versuchen, sich von Ihren Eltern abzugrenzen, auch politisch. Nie mit dem Gedanken gespielt, in eine andere Partei einzutreten?
Nein, ich war nie in einer anderen Partei. Ich finde, dass „meine SPD“ eine großartige Partei war und es in vielen Bereichen auch heute noch ist. Ich habe die Hoffnung, dass sie zu alter Stärke zurückkommt.

Was zeichnet denn die SPD aus?
Sie stand bei den wichtigen Fragen in der Geschichte immer auf der richtigen Seite. Sie hatte große Vorsitzende, die richtige Entscheidungen getroffen haben – teilweise auch gegen den Zeitgeist. Ich erinnere nur an die Haltung im Nationalsozialismus, die Ostpolitik von Willi Brandt oder an Helmut Schmidt mit seiner Entscheidung für den Nato-Doppelbeschluss. Oder an Gerhard Schröder, der seine Kanzlerschaft geopfert hat, um die Agenda 2010 durchzusetzen.
 
Die SPD ist eine klassische Arbeitnehmerpartei. Sie sind Unternehmer. Ist das nicht ein Interessengegensatz?
Nein, denn wenn wir eine starke Wirtschaft haben, geht es auch den Menschen besser, die in dieser Wirtschaft Arbeit haben.  

Aber doch nicht im Niedriglohnsektor. Reicht der Mindestlohn von 9,19 Euro aus?
Nein, der muss erhöht werden. Wir müssen darauf achten, dass das Vermögen einigermaßen gerecht verteilt ist. Deshalb bin ich auch für die Erhöhung einer Erbschaftssteuer. Es gibt Schätzungen, dass im Jahr 400 Milliarden Euro vererbt werden. Das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer liegt aber nur bei ca. 6 Milliarden. Wenn man auf die Erben jetzt nur eine Steuer von zehn Prozent erheben würde, wäre man schon bei 40 Milliarden. Das wäre viel Geld, das man in die Sicherheit, den Klimaschutz, in Innovationen und in soziale Leistungen investieren könnte – zum Beispiel für Kinder oder Schulen.    

Sie leben mit ihrer Familie nicht weit vom Görlitzer Park. Können Sie mit ihren beiden kleinen Kindern da noch spazierengehen?
Das schon. Aber geht man da gerne hin? Ich nicht mehr. Ich gehe heutzutage beispielsweise viel lieber in den Tiergarten als in den Görli. Dort entstehen solche Situationen eher nicht. Aber das ist traurig.

Sie spielen auf die afrikanischen Drogendealer an, die an jeder Ecke stehen – mit dem Segen der Bezirks. Hat der Staat in Kreuzberg vor der Drogenkriminalität kapituliert?
Kapituliert? Ich weiß nicht mal, ob die Grünen in Kreuzberg das nicht teilweise sogar positiv sehen. Die grüne Bezirksbürgermeisterin hat gesagt, sie wolle nicht, dass die Dealer verschwinden, denn danach könnten ja auch noch andere Gruppen verdrängt werden. So etwas macht mich fassungslos.

Die Berliner SPD ist gerade dabei, härter gegen Clan-Kriminalität vorzugehen. War das für Sie auch ein Anreiz, selber in die Politik zu gehen?
Die Berliner SPD ist weder inhaltlich noch organisatorisch nahe an dem dran, was ich mir vorstelle. Dass unter der Regierung von Michael Müller allerdings jetzt deutlich mehr gegen die Clan-Kriminalität getan wird, finde ich sehr positiv. Die SPD hat aber in der Vergangenheit zu lange zugeguckt, wie Kriminalitätsschwerpunkte entstehen, unter denen auch Polizisten und Polizistinnen leiden.

Der Partei laufen die Wähler davon, weil sie das Thema Innere Sicherheit vernachlässigt hat. Mit der Flüchtlingskrise sind die Ängste gestiegen. Warum tut  sich die Bundes-SPD so schwer damit, anzuerkennen, dass es strengerer Regeln für die Aufnahme von Zuwanderern bedarf?
Für mich ist das auch nicht nachvollziehbar. Als Andreas Nahles als SPD-Bundesvorsitzende einmal sagte, es sei klar, dass Deutschland nicht jeden aufnehmen könne, wurde ihr vom Berliner Landesverband vorgehalten, das sei rechte Rhetorik. So etwas geht an der Realität der Menschen vorbei.

Die SPD-Schiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf hat Thilo Sarrazin gerade ausgeschlossen. Braucht die Partei jetzt einen neuen Hardliner?
Thilo Sarrazin hat Dinge angesprochen, die wir in der Partei zumindest hätten offen diskutieren müssen. Gewisse Themen wie die Ausführungen zur Genetik hätte ich an seiner Stelle aber weggelassen. Laut der Schiedskommission hatte Herr Sarrazin zudem Auftritte mit der FPÖ. Sowas ist auch für mich kaum erträglich.

Womit hatte Herr Sarrazin denn Recht?
Na ja, dass es häufig Menschen aus bildungsfernen Schichten sind, die nach Deutschland kommen. Das muss man ansprechen und diskutieren dürfen, ohne ins rechte Lager gestellt zu werden. Und auch, dass sie eben auch öfter eine andere Kultur der Auseinandersetzung „pflegen“ und unsere Gesetze und Werte eben nicht immer hundertprozentig verstehen und/oder teilen.

Spielen Sie auf Verbrechen wie den Schwertmord in Stuttgart oder den Terroranschlag auf den Breitscheidplatz an?
Ja, unter anderem. Ich denke, dass solche Vorkommnisse massive Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Menschen haben. Zwar haben wir insgesamt glücklicherweise ja eher abnehmende Kriminalitätszahlen. Aber die gefühlte Unsicherheit ist sehr hoch. Und Sicherheit ist ein Grundbedürfnis. Wenn der Staat dieses Gefühl der Sicherheit nicht wieder herstellen kann, sinkt das Vertrauen in ihn, was zu einer weiteren Wählerwanderung nach rechts führen kann. Dass der Rechtsstaat konsequenter vorgehen muss gilt übrigens auch 1:1 für den rechtsextremen Bereich.

Anzeige