SPD und AfD - Lars Klingbeils „Jahr des Kampfes“

SPD-Chef Lars Klingbeil inflationiert nun auch noch den Begriff des Kampfes. Gegen die AfD soll „mehr erklären“ und „weniger streiten“ helfen. Auf das Naheliegende kommt er nicht.

Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

So erreichen Sie Ferdinand Knauß:

Anzeige

Elfmal fällt das Wort in dem kurzen Interview des SPD-Chefs. Das Wort „Kampf“ hat der Sozialdemokratie schon immer besonders gut gefallen. Es ist vermutlich ein letzter lexikalischer Rest der revolutionären Frühzeit, als man die Werktätigen zum „Arbeitskampf“ und die „Völker“ zum „letzten Gefecht“ rief. Nun ruft also mal wieder ein SPD-Vorsitzender seine Genossinnen und Genossen zum Kampf. 

Lars Klingbeil sagt im Interview mit der Augsburger Allgemeinen zum Beispiel: „Das wird ein Jahr des Kampfes. Wir werden kämpfen für die arbeitende Mitte. Wir werden kämpfen gegen den Versuch von Rechtsextremen und der AfD, dieses Land kaputtzumachen.“ Und weiter: „2024 müssen alle ran und alles geben.“ Und nochmals: „Und diese Bereitschaft zu kämpfen, ist die klare Erwartung, die ich an jeden formuliere. Egal, ob man Bundestagsabgeordnete oder Bundeskanzler ist.“ Und dann habe man auch noch „zu kämpfen mit dem, was die großen Veränderungen in der Energiepolitik durch den Krieg in der Ukraine hervorgebracht haben“. Und natürlich ist er sicher, dass sich Kanzler Scholz „zurückkämpft“.

Martialische Worte, läppischer Inhalt

Die eigentliche Tragik der SPD wie der Linken generell in der Gegenwart liegt allerdings darin begründet, dass sie eigentlich gar nicht mehr kämpfen müssten. Im Gegensatz zu ihren Ahnen, die als „Reichsfeinde“ gegen die Macht des monarchischen Staates und des mit diesem verbundenen Kapitals standen, stellen sie nicht nur den Bundeskanzler und Tausende Entscheider auf allen Ebenen des Staates, sondern wissen auch noch die Mehrheit der Meinungsmacher weitgehend auf ihrer Seite. Wer so viel Macht hat, muss eigentlich nicht kämpfen, sondern dem Volk nur beweisen, dass er diese Macht im Sinne des Amtseides „dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“. 

Neben dieser martialischen Wortwahl wirken dann die konkreten Ankündigungen von drei Punkten besonders läppisch, wie die SPD „den Kampf gegen die AfD aufnehmen“ werde: „Wir müssen besser werden in der Regierung, weniger streiten, mehr erklären und politische Entscheidungen treffen für die arbeitende Mitte in diesem Land.“ Da kann man nur mit Loriot sagen: „Ach was!“ 

 

Mehr zum Thema:

 

Als ob diese Bundesregierung allein mit ihrer Kombination von Heizungsgesetz und Bürgergeld-Erhöhung nicht überdeutlich gezeigt hätte, dass sie an der arbeitenden Mitte vor allem als Finanzier ihrer ökologisch-sozialen Transformationsprojekte interessiert ist. 

Klingbeils zweiter Punkt ist dann eines der ältesten parteipolitischen Dauerbrenner-Rezepte: Man werde „als Politiker mehr im Land unterwegs sein müssen“ und die „direkten Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern“ pflegen. Da werden sich vor allem die Chauffeure des Kanzlers und der Minister freuen. 

Der dritte Punkt sei „der inhaltliche Kampf gegen die AfD selbst“. Darunter versteht Klingbeil: „Wir werden herausarbeiten, wie sich dieses Land verändern würde, wenn die AfD das Ruder übernehmen könnte.“ Dieser Teil des „Kampfes“ dürfte für Klingbeil und die SPD besonders bequem sein, denn den übernehmen ja schon die Medien, wie die überdrehte Berichterstattung über das „Geheimtreffen“ in den letzten Tagen in eindrucksvoller Weise zeigte. 

Ein Kampf, der keiner ist

Kurz zusammengefasst: Klingbeil kündigt einen großen Kampf an, der keiner ist und nur aus Dingen bestehen soll, die schon längst stattfinden und nichts zur Eindämmung der AfD beigetragen haben. Im Gegenteil: Vermutlich sind alle diese „Kampf“-Maßnahmen sogar eher Mitursachen für den Verdruss vieler Wähler, der sie zur AfD treibt. Die jüngste Umfrage nach dem „Geheimtreffen“ zeigt jedenfalls keinen Rückgang ihrer Wähler. 

Klingbeil, die SPD und die anderen etablierten Parteien stricken, wie die Journalisten-Legende Stefan Aust im Cicero-Interview treffend feststellt, nun seit über einem Jahrzehnt mit großem Eifer an stets „neuen Gründen für Wähler, ihr Heil in der AfD zu suchen“. In Reaktion darauf beauftragen sie sich selbst dann genauso eifrig mit dem „Kampf gegen Rechts“, der darin besteht, die Gründe noch mehr zu intensivieren. Nur auf die Idee, dass der Erfolg der AfD vor allem eine Folge ihrer eigenen Politik ist, die man der von Klingbeil gepriesenen „arbeitenden Mitte“ nicht besser „erklären“ muss, weil sie mit deren Folgen alltäglich geschlagen ist, will man nicht kommen. 

Anzeige