Sondierungen für eine Koalition - Söder sagt Jamaika ab – Jetzt alles auf Ampel

Nach Einzelsondierungen mit den beiden „großen“ Parteien haben Grüne und FDP nun beschlossen, gemeinsam zunächst nur mit der SPD weiter zu verhandeln. Das ist zwar noch keine endgültige Absage an die Union. Aber ein wichtiges Signal. Markus Söder hat es verstanden und der Jamaika-Koalition kurz darauf eine Absage erteilt.

Markus Söder während seiner Jamaika-Absage an diesem Mittwoch / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Nachdem sich FDP und Grüne am Mittwochvormittag dafür ausgesprochen hatten, gemeinsam zunächst nur mit der SPD über eine mögliche Regierungskoalition zu verhandeln, hat der CSU-Vorsitzende Markus Söder eine Jamaika-Koalition faktisch ausgeschlossen. Liberale und Grüne hätten eine Vorentscheidung getroffen, „jetzt ist die Ampel klare Nummer eins“, so Söder kurz nach 13 Uhr in einer Pressekonferenz. Die Unionsparteien blieben zwar „gesprächsbereit“, allerdings nicht in einer „Dauerlauerstellung“. CDU und CSU seien nicht das „Ersatzrad“ bei der Bildung einer künftigen Koalition. Es gehe jetzt „auch ein bisschen um Selbstachtung und Würde“.

Söder hob hervor, er selbst habe sich ein Jamaika-Bündnis gewünscht, aber die beiden anderen kleineren Parteien hätten sich anders entschieden. Jetzt gelte es, diese „Realitäten“ anzuerkennen. CDU und CSU würden in den nächsten Jahren „andere Wege als in der Regierung“ gehen. Eine Ampel-Koalition ist Söder zufolge „eine ganz gewaltige Herausforderung für unser Land“. Sollte das Zustandekommen eines Bündnisses von SPD, Grünen und FDP scheitern, dann wäre damit allerdings auch Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD gescheitert. Und im Falle eines Scheiterns der Ampel als Regierungsbündnis während der laufenden Legislatur müsse man „sehen, wie es weitergeht“.

Markus Söder machte klar, dass sich bei der ersten Sondierungsrunde zwischen Grünen und der Union „erhebliche Unterschiede“ inhaltlicher Art gezeigt hätten. Beim Klima-Thema sei man auf Seiten der Union zwar zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen; allerdings hätten sich auf den Gebieten Zuwanderung, Migration und europäische Schuldenunion doch sehr tiefe Gräben aufgetan. Die CSU werde „konstruktive“ Oppositionsarbeit leisten, sagte Söder und fügte etwas sibyllinisch hinzu: „Ich bin gespannt, wie die Ampel funktioniert.“

Kurz vor dem Statement Markus Söders, das als unmissverständliche Absage an eine Jamaika-Koalition gewertet werden kann, hatte der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet noch gesagt: „Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen bereit, aber die Entscheidung, mit wem man in welcher Reihenfolge spricht, liegt bei FDP und Grünen. Und deshalb unser Respekt für die Entscheidung“, so Laschet. „Wir stehen bereit als Gesprächspartner, CDU und CSU.“ Das klingt völlig anders als die Einlassungen des CSU-Chefs. Inwiefern Söders Pressekonferenz zuvor mit der Schwesterpartei abgestimmt war, blieb zunächst unklar. Sie dürfte aber in den Reihen der CDU als weiterer Affront gesehen werden.

Alles auf Ampel

Es scheint derzeit also tatsächlich alles auf die „Ampel“ hinauszulaufen. Nachdem am Dienstagmorgen bereits die Grünen deutlich gemacht hatten, rasch Sondierungsgespräche gemeinsam mit SPD und FDP aufzunehmen, tat es ihnen FDP-Chef Christan Lindner kurze Zeit später gleich. Man werde bereits am morgigen Donnerstag zu entsprechenden Sondierungen mit den beiden anderen Parteien zusammentreffen, so Lindner. Zwar seien die inhaltlichen Schnittmengen zwischen den Liberalen und der Union größer. Dennoch sei er guter Dinge, dass Grüne und FDP ein „fortschrittsfreundliches Zentrum“ innerhalb einer Regierungskoalition bilden könnten.

Lindner hob während seines Statements abermals hervor, die FDP sei als eigenständige Partei in die Bundestagswahl gegangen und werde sich nur einem Bündnis anschließen, das für die Modernisierung des Landes und für individuelle Freiheit einstehe. Man werde jetzt „Schritt für Schritt“ vorgehen, um inhaltliche und praktische Fragen einer möglichen Ampel-Koalition zu eruieren. Das sei mit dem Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion einmütig so vereinbart worden. Auf die Frage, ob Indiskretionen über die erste Sondierungsrunde mit der Union dazu geführt hätten, dass jetzt gemeinsam mit den Grünen zuerst mit der SPD sondiert werde, sagte Lindner, diese „haben wir zur Kenntnis genommen“. Das klang nicht nach Begeisterung über die Verhandlungsführung von CDU/CSU.

Baerbock: Ausgang noch offen

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hatte kurz zuvor mitgeteilt, man sei „zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll ist, weiter jetzt vertieft – gerade auch mit Blick auf die Gemeinsamkeiten, die wir in diesen bilateralen Gesprächen feststellen konnten – jetzt mit FDP und SPD weiter zu sprechen“. Ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck fügte mit Blick auf ein mögliches Ampel-Bündnis hinzu, die Einzelrunden der vergangenen Tage hätten gezeigt, „dass dort die größten inhaltlichen Schnittmengen denkbar sind“. Dies gelte vor allem für den Bereich der Gesellschaftspolitik. Doch auch der Ausgang möglicher Sondierungsgespräche mit SPD und FDP sei noch offen. Es gebe noch Lücken und erhebliche Differenzen. Zudem stelle der Vorschlag für Ampel-Sondierungen keine Komplett-Absage an ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP dar.

Nun müssten Fragen, die ideologisch trennend sind, so stabil geklärt und vordiskutiert werden, dass man ein gutes Gefühl für einen möglichen Koalitionsvertrag bekomme, sagte Habeck. „Am Ende muss es eben eine politische Beurteilung geben, was gehen kann und was nicht gehen kann und nicht ein ewiges Zeitspiel.“ Erfahrungen aus Verhandlungen auf Länderebene zeigten, dass Sondierungen mit einer „einstelligen Sitzungszahl“ zu bewältigen seien – das hänge aber natürlich auch vom Verhalten der Beteiligten ab. „Wir sind in einem hochdynamischen Prozess.“ Baerbock zufolge sind auch weitere Zweiergespräche neben den Dreierverhandlungen denkbar: „Natürlich macht es Sinn, auch immer mal in kleineren Runden zu sprechen, aber die werden dann erst recht vertraulich sein.“ 

CDU will Niederlage aufarbeiten

Derweil plant die CDU einen „beispiellosen Prozess der Aufarbeitung der Wahlniederlage“, zu dem auch externe Experten hinzugezogen werden sollen. Wie die Welt berichtet, will CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak einen „Ostgipfel“, eine Basis-Tour und eine Konferenz der Kreisvorsitzenden in die Wege leiten. „Wir wollen nicht weniger als eine tiefe inhaltliche Analyse unserer Politik“, so Ziemiak gegenüber der Welt: „Wir brauchen ein klares Profil, und dafür müssen wir uns selbst hinterfragen. Offen und ehrlich kann dies aber nur gelingen, wenn wir auch kluge Köpfe aus der Breite der Gesellschaft einbinden.“

Handwerkliche Schwächen des CDU-Wahlkampfs sollen dem Bericht der Welt zufolge außerdem mit einer Kommission aufgearbeitet werden, die mit Christdemokraten aus allen Gliederungen der Partei besetzt wird. Hier sollen vor allem Kandidaten aus Wahlkreisen eingebunden werden, die verloren gingen. Sie sollen aus ihrer Perspektive eine Fehleranalyse machen und sagen, wie die Parteizentrale Bewerber künftig besser unterstützen kann. Siegreiche Direktkandidaten sollen hingegen in einer Best-Practice-Analyse ihre Erfolgsrezepte darstellen.

Ziemiak sagte der Welt: „Ein solches Wahlergebnis muss intensiv und mit der Basis aufgearbeitet und analysiert werden.“ Es gehe um die Zukunft der CDU als Volkspartei. Die Analyse der Niederlage solle aber nicht nur extern, sondern auch innerhalb der Partei erfolgen: „Zur Aufarbeitung dieser Wahl werde ich mich in den kommenden Wochen allen Gliederungen der CDU zur Aussprache stellen.“ Dazu werde er zu einer „Basis-Tour“ durch alle Landesverbände aufbrechen, die schon bis Dezember abgeschlossen sein soll. Kurzfristig ist zudem ein „Ostgipfel“ geplant, indem alle ostdeutschen Spitzenpolitiker der CDU zusammenkommen und eine große „Ostkonferenz“ vorbereiten, die im Dezember stattfinden soll.

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