Seniorenheime in der Corona-Krise - „Hält der Zustand länger an, wird es Engpässe geben“

Alten- und Pflegeheime könnten die neuen Epizentren der Corona-Krise werden. Thomas Henschke, Pressesprecher der AlexA-Pflegeheime, erläutert im Interview, ob die Seniorenresidenzen auf solche Krisen vorbereitet sind.

Risikogruppe Senioren /picture alliance
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Rixa Rieß hat Germanistik und VWL an der Universität Mannheim studiert und hospitiert derzeit in der Redaktion von CICERO.

 

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Thomas Henschke leitet die Kommunikationsabteilung von AlexA. Das Unternehmen betreibt mehrere Seniorenresidenzen in Deutschland. 

Herr Henschke, die Corona-Pandemie ist besonders gefährlich für ältere Menschen. Gerade in Pflege- und Altersheimen ist die Lage deshalb äußerst angespannt. Wie ist die Situation in Ihren Heimen? Konnten Sie bislang Ihre Bewohner vor dem Virus schützen?
Tatsächlich haben wir bis jetzt keine erkrankten Bewohner oder Kunden. Es gab Verdachtsfälle, die glücklicherweise negativ getestet worden sind. Stand jetzt haben wir einige positiv getestete Mitarbeiterinnen, die entsprechend in Quarantäne sind. Insofern haben wir die Lage unter Kontrolle. Wir machen uns aber keine Illusion darüber, dass sich auch bei uns die Situation ändern kann.

Wie versuchen Sie eine Ansteckung des Personals und der Bewohner innerhalb des Heims zu vermeiden?
Als Pflegeunternehmen sind wir grundsätzlich Pflegeprofis. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind im Umgang mit extrem ansteckenden Krankheiten ausgebildet, geschult und erfahren. Die Gefahrenlage ist uns also nicht gänzlich unbekannt. Klar, Corona hat eine andere Dimension. Wir haben die Hygienemaßnahmen und Besuchseinschränkungen deshalb frühzeitig verschärft und das auch kommuniziert.

Stehen genug Mittel und Schutzkleidung zur Verfügung, um sich vor einer Infektion zu schützen? Und wie lange kommen Sie mit ihnen aus?
Derzeit gehen wir von einer guten Ausstattung aus. Aber machen wir uns nichts vor: Hält der Zustand länger an, wird es ganz klar Engpässe geben. Da braucht es dann verlässliche Zusagen beziehungsweise Nachschub von öffentlicher Seite. Das muss sichergestellt werden. Ohne Ausstattung und Schutzausrüstung können wir unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht mehr in die Pflege lassen. Das Risiko wäre untragbar.

Wie hat sich die Stimmung der Bewohner und des Personals in ihren Heimen verändert?
Tatsächlich ist sehr bemerkenswert, dass sich in der Krise – und vielleicht durch sie – der Zusammenhalt so richtig verstärkt hat. Da sieht man eine unglaubliche Solidarität, Stärke und Souveränität unter den Pflegekräften. Diese Sicherheit gibt auch unseren Bewohnern und Angehörigen Mut und Zuversicht. Das ist großartig zu beobachten. Wir sind sehr stolz und unglaublich dankbar für diese unermüdliche Arbeit aller in der Pflege Beschäftigten.

In Berliner Altenheimen wurde ein Besuchsverbot verhängt – das bedeutet aber keinen Aufnahmestopp. Wie handeln Sie beides?
Wir haben bereits relativ früh Besuchseinschränkungen vorgenommen, letztlich aber schnell auf konkrete Besuchsverbote umgeschwenkt – auch früher als es von den zuständigen Ordnungsbehörden verhängt wurde. Es sind drastische Freiheitseinschränkungen, aber zum Schutz unserer Bewohner und Mitarbeiter haben wir schnell gehandelt. Es kommen auch weiterhin Anfragen für die Pflege. Neue Bewohner können und sollten wir unter besonderer Berücksichtigung der Umstände aufnehmen. Schließlich bedürfen sie der medizinisch pflegerischen Unterstützung. Dem wollen wir nachkommen, solange es geboten scheint, dass auch im Rahmen des Mitarbeiterschutzes zu gewährleisten.

Und was passiert, wenn ein Bewohner in einer besonderen Situation ist? Kann man Sterbende begleiten?
Aktuell sind wir noch nicht betroffen. Das heißt, die Frage stellt sich so noch nicht. Es ist klar, dass wenn sich ein Bewohner in der Sterbephase innerhalb der natürlichen Umstände befindet, Angehörige dazukommen können. Wenn sich die Verhältnisse aber weiter zuspitzen, bei denen ganze Wohnbereiche unter Quarantäne stehen und es ausgeschlossen ist, dass Angehörige in der letzten Phase dazukommen, wird es eine extreme Belastung für alle Beteiligten sein.

Der Kontakt nach außen ist für die Bewohner in dieser Zeit natürlich umso wichtiger. Haben sie die Möglichkeit, mit Angehörigen zu skypen oder ähnliches?
Ja, es werden vermehrt Bilder geschickt oder Video-Telefonate installiert. Pflegekräfte und Angehörige sind meist ja eh eng vernetzt.  

Welche Erwartungen haben Sie an die Politik?
Die Behörden sind – wie wir alle – mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert. Insofern gehen die aktuellen Maßnahmen absolut in die richtige Richtung. Es wird nach anfänglichem Zögern jetzt schnell entschieden und gehandelt. Allerdings ist in verschiedenen Fragestellungen dann doch ein ordnungspolitischer Flickenteppich erkennbar. Da wird von Bundesland zu Bundesland anders agiert – manchmal auch auf kommunaler Ebene. Da wünscht man sich tatsächlich etwas mehr Klarheit und Einheitlichkeit. Zudem wäre toll, wenn sich die nun erkannte „Systemrelevanz“ in entsprechende nachhaltige Reformen ummünzen ließe, die dem Pflegeberuf die Wertschätzung beimisst, die er verdient.

Und in Bezug auf Ihre Mitarbeiter?
Wenn es bei Mitarbeitern in systemrelevanten Berufen Verdachtsfälle gibt, dann muss sichergestellt werden, dass sie zeitnah getestet werden. Gefühlt ist das von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt anders. Pflegekräfte, die rar sind, kann man nicht mal eben vierzehn Tage zu Hause unter Quarantäne stellen und sie nicht testen. Wir alle brauchen die Kräfte so schnell wie möglich. Es muss klar sein, dass das Personal in medizinisch relevanten Berufen da einen Vorrang haben muss.

Gegen das Altenheim in Wolfsburg, in dem 22 Bewohner an Covid-19 verstorben sind, wird nun wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Können Sie das nachvollziehen? 
Das ist ein schwieriger Fall. Ich kenne die Umstände auch nicht vollständig. Fakt ist: Wir können alles Notwendige versuchen, um sicherzustellen, dass eine Ansteckung nicht gelingt, aber wir können es nicht garantieren und nicht ausschließen. Das unterstelle ich jedem, der in der Pflege und medizinischen Bereich tätig ist, dass er den Anspruch hat, das Bestmögliche umzusetzen.

Haben Sie einen Notfallplan?
Als Pflege-Profis gibt es Verfahrensrichtlinien, wie man mit ansteckenden Krankheiten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen umgeht. Da gibt es ganz klare Maßnahmen und Pläne. Die gibt es beispielsweise ja auch für die Influenza. Auch da ist unsere Bewohnerschaft eine anfällige Risikogruppe. Corona ist ein Sonderfall und eine Verschärfung, aber es gibt in unserer Unternehmensgruppe einen Krisenstab und je Einrichtung Krisenteams, die eng und jederzeit miteinander kommunizieren. Insofern gibt es die erforderlichen Maßnahmen für diese besondere Situation.

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