SARS-CoV-2 - Was über das Coronavirus bekannt ist

Die Sorge vor einer Coronavirus-Epidemie wird immer größer. Zeit, einmal nüchtern und sachlich auf diesen Erreger zu blicken und in den Fokus zu rücken, was jeder konkret gegen die Ausbreitung tun kann. Wir haben Fakten zu SARS-CoV-2 gesammelt.

Test auf das Coronavirus: Ein kühler Kopf auf allen Seiten ist nun gefragt / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Es war fast nur eine Frage der Zeit, bis ein neues Coronavirus auf Menschen übertragen werden würde. Coronaviren kommen sehr häufig in Fledermäusen vor, ohne in diesen Tieren eine Krankheit zu verursachen. Man spricht von einem natürlichen Reservoir. Durch ihre besonderen biologischen Eigenschaften haben Coronaviren ein hohes zoonotisches Potential, das heißt, sie können vom Tier auf den Menschen übertragen werden und dort eine Krankheit verursachen. Sie können sich sehr schnell an neue Rezeptoren anpassen und damit neue Spezies wie Schweine, Kamele, die afrikanische Zibetkatze oder eben den Menschen infizieren. Diesen Prozess beschleunigen die Viren durch Rekombination, den Austausch von genetischen Informationen zwischen nicht eng verwandten Stämmen.
 
Die beiden Vorgänger von SARS-CoV-2, SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) im Jahr 2003 und MERS (Middle Eastern Respiratory Syndrome) im Jahr 2013 und auch Influenza A sind solche Zoonosen. SARS und MERS wurden auf Tiermärkten von afrikanischen Zibetkatzen und Kamelen auf Menschen übertragen. Es ist jedoch eindeutig nachgewiesen, dass die Viren ursprünglich von Fledermäusen stammen. MERS wurde auch schon 1983 in Proben von Kamelserum nachgewiesen, 30 Jahre, bevor es zum ersten menschlichen MERS-Fall kam. Vier weitere, weniger bekannte Coronaviren, HCoV-NL63, HCoV-HKU1, HCoV-229E und HCoV-OC43, haben sich seit etwa den 1950er Jahren nach mehrfachen Zoonosen in der menschlichen Population endemisch etabliert. Sie verursachen fast immer Erkältungssymptome, sehr selten, bei zuvor bereits geschwächten Patienten, auch ernsthafte Lungenentzündungen. SARS-Cov-2 wurde wahrscheinlich ebenso von einem bisher nicht identifizierten Tier auf Menschen übertragen, und ist, genetisch betrachtet, einem bereits von Fledermäusen bekannten Coronavirus sehr ähnlich, wenn auch nicht identisch.  

Krisensituation ist die Ausnahme

Zoonosen sind nicht immer vermeidbar. Sie gehören genauso zur Natur wie die Bienen auf der Wiese oder die Bakterien im Darm. Es kommt aber nur ausnahmsweise zu einer Krisensituation wie jetzt. Das hat viel mit unserem Immunsystem zu tun, das evolutionär darauf vorbereitet ist, mit immer neuen Virenkontakten umzugehen. Es gibt unzählige Mengen verschiedenster Viren in unserer Umgebung und unserem Körper. Die meisten Viren sind nicht gefährlich und werden erfolgreich vom Immunsystem kontrolliert. Das ist sogar oft der Fall bei SARS-CoV-2. Viele Menschen bekämpfen das Virus erfolgreich oder bleiben ohne Symptome. Trotzdem kann es in bestimmten Gruppen zu sehr schweren, sogar tödlichen Erkrankungen führen.
 
Wie gefährlich ist dieses Virus für die Bevölkerung? Es mangelt noch an zuverlässigen Daten, aber ein Vergleich mit Influenza ist hilfreich. Influenza verursacht teilweise schwere Erkrankungen, jeder kennt es und war vielleicht schon mal erkrankt. Wie das Robert-Koch -Institut berichtet, infiziert Influenza jedes Jahr 5 bis 20 Prozent der deutschen Bevölkerung. Bei einer schweren Grippewelle wie 2017/2018 werden bis zu 25.000 Influenza-bedingte Todesfälle geschätzt, während in milden Jahren fast keine von Influenza verursachten Todesfälle nachgewiesen werden können. Als es 2009 zu einem Ausbruch von H1N1-Influenza kam, wurde auf Grundlage der anfänglichen Daten eine Mortalität von bis zu 10 Prozent geschätzt. Viele Menschen waren verunsichert. Spätere Analysen zuverlässigerer Daten zeigten, dass die wirkliche Mortalität eher bei 0,001 Prozent lag, im gewissermaßen normalen Bereich. Übrigens gab es im Jahr 2018 in Deutschland auch 3275 Verkehrstote und 396.018 Verletzte. Momentan sprechen wir bei SARS-CoV-2 von über 500 infizierten Fällen bundesweit und von rund 3300 Todesfällen und knapp 100.000 bekannten Infektionen weltweit.

Herausforderung für das Gesundheitssystem

Das ist viel, und wir wissen nicht, wie die Lage sich weiterentwickelt. Letzteres macht am meisten Sorgen. In dieser Ungewissheit ist es wichtig zu verstehen, dass reine Zahlen keine Fakten darstellen und dass viele Einschätzungen auf Basis der jetzt vorhandenen Daten sich später vielleicht nicht bestätigen lassen. Die in den Medien kursierenden Zahlen lassen sich nur schwer interpretieren. Große Sprünge bei den Fallzahlen sind oft die Folge besserer oder anderer Diagnostikverfahren und weniger auf einen rasanten Anstieg von Infektionen zurückzuführen.
 
Es ist besser, sich damit zu beschäftigen, mit welchen Maßnahmen wir die schwersten Folgen einer möglichen Pandemie minimieren können, als sich jeden Tag durch Vorhersagen auf der Basis mangelnder Daten verunsichern zu lassen. Die große Herausforderung liegt im Gesundheitssystem: Ist es auf einen vermehrten Anstieg von Coronafällen vorbereitet? Wenn die Fallzahlen wirklich rasant zunähmen, bräuchten wir eine gute klinische Vorbereitung und eine überlegte Reaktion von allen. Gegen Infektionen kann man mit sozialer Distanzierung, nicht Isolierung, und durch entsprechende Hygienemaßnahmen vorbeugen. Beim ersten Verdacht empfiehlt sich nicht der sofortige Gang zum Krankenhaus, sondern eine telefonische Kontaktaufnahme, um die Überlastung der Ärzte zu verringern und einer weiteren Verbreitung entgegen zu wirken. So können jene Fälle, die wirklich Hilfe brauchen, effizient und früh erkannt behandelt werden.
 
Die gesellschaftlichen Kosten von Dauerquarantäne, Panik und Stigmatisierung könnten deutlich höher ausfallen können als die unmittelbar von Infektionen verursachten. Ein kühler Kopf auf allen Seiten ist nun gefragt, ein kluges, vorbeugendes Verhalten und keine Panik. Wir befinden uns in einer dramatischen und dynamischen Lage. Wenn das Gesundheitssystem aber die richtigen Vorbereitungen trifft und jeder einzelne sich rational verhält, steigen unsere Chancen, gesund zu bleiben, und schwinden die Kollateralschäden in Wirtschaft und Gesellschaft. 

Anzeige