Sachsen-Anhalt, Rundfunkbeitrag, Kenia - Der Machtkampf

Mit dem Rauswurf von Innenminister Holger Stahlknecht in Sachsen-Anhalt nimmt der Ministerpräsident Reiner Haseloff den Kampf um sein politisches Überleben auf. Am Ende geht es nicht mehr um den Rundfunkbeitrag, sondern um eine Richtungsentscheidung für die ganze CDU.

Reiner Haseloff und Holger Stahlknecht: Der offene Machtkampf ist entbrannt / dpa
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Aus einem verdeckten Machtkampf in Sachsen-Anhalt zwischen dem CDU-Landeschef Holger Stahlknecht und dem amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff ist seit heute ein offenes Gefecht geworden. In einem Interview mit der Magdeburger Volksstimme hatte der bisherige Innenminister Stahlknecht indirekt zu einem Sturz seines Ministerpräsidenten aufgerufen. So zumindest hat es Reiner Haseloff aufgefasst. Denn der Ministerpräsident hatte sich mit den Fraktionen der Kenia-Koalition (CDU, SPD und Grünen) eigentlich darauf verständigt, dass man bis kommende Woche gemeinsam an einer Lösung arbeiten wolle, wie man den heftigen Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags beilegen könne. Deshalb wurde die entscheidende letzte Sitzung des Medienausschusses auf kommenden Mittwoch vertagt.

Nur, Holger Stahlknecht wollte offenbar nicht warten und kündigte per Interview an, dass die CDU-Position nicht mehr verhandelbar sei. Wörtlich sagte er: „Das ist nicht verhandelbar. Die CDU wird ihre Position nicht räumen. Der CDU-Landesvorstand hat das am Montagabend auch so einstimmig beschlossen. Die Partei steht ohne Wenn und Aber an der Seite der Fraktion. Wir bilden den Schulterschluss.“ Damit hat er nicht nur die Koalitionäre überrumpelt, sondern den Ministerpräsidenten selbst. Aus Haseloffs direktem Umfeld hieß es gegenüber Cicero heute, dieser sei von Stahlknechts Vorpreschen kalt erwischt worden. Ein Vertrauter sagte: „Damit hat Holger Stahlknecht versucht, die letzte Chance auf eine ohnehin schwierige Einigung bewusst zu torpedieren.“ Haseloff finde das „menschlich enttäuschend“.

Stahlknecht gegen Haseloff

Dem unter Druck stehenden Ministerpräsidenten blieb in der Folge im Grunde nichts anderes mehr übrig, als die Macht auszuüben, die er qua Amt noch hat. Er entließ Holger Stahlknecht als Innenminister. Was zunächst wie eine Machtdemonstration wirken mag, verursacht nun aber neue Probleme. Denn die gespaltene CDU-Fraktion könnte sich nun erst recht hinter ihren Landeschef Holger Stahlknecht stellen. Zwar ist dieser in der Fraktion ebenfalls nicht sehr beliebt. Stahlknecht selbst schrammte schon gerade so an einem Misstrauensvotum vorbei. Sein Ansinnen, Haseloffs Nachfolger als CDU-Spitzenkandidat bei der kommenden Landtagswahl im Juni 2021 zu werden, musste er nach einigen Fehltritten aufgeben. Offenbar sieht er in seiner aktuellen Ausschluss-Strategie nun die Möglichkeit gekommen, um sich die Zustimmung der Fraktion zu sichern und damit den Ministerpräsidenten zu stürzen. Ob er damit erfolgreich sein wird, ist jedoch fraglich. Denn auch andere, wie etwa der Fraktionsvorsitzende Siegfried Borgwardt oder der Generalsekretär Sven Schulze schielen nach der Macht.

Der Druck von den Koalitionspartnern aus SPD und Grünen bleibt währenddessen unvermindert hoch. Im Interview mit Cicero, stellte etwa die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann klar, dass die Grünen das Kenia-Projekt nicht nur bei einem expliziten Nein gegen den Rundfunkstaatsvertrag verlassen werden. Sondern auch, wenn der CDU-Vorsitzende Holger Stahlknecht den Vertrag per Trick  mit der Geschäftsordnung im Medienausschuss nicht zur Abstimmung an das Plenum überweisen würde. „Auch dieses aktive Nichtstun ist also eine klare Entscheidung, eine klare Entscheidung gegen den Staatsvertrag und eine klare Entscheidung gegen Kenia. Auch das können wir und werden wir als Grüne nicht mitmachen“, sagte Lüddemann.

Die CDU wird sich die Machtfrage stellen

Die CDU als alte Volkspartei hat sich seit jeher immer für die Macht und weniger für die Ideologie entschieden. Hierin könnte am Ende eine Chance für Reiner Haseloff liegen. Denn seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung sind seit Jahren hoch, nicht erst seit der Corona-Pandemie. Sollte die Fraktion sich gegen den Rundfunkstaatsvertrag und damit gegen Haseloff entscheiden, dann läuft sie Gefahr, bei kommenden Neuwahlen oder den kommenden Landtagswahlen insbesondere gegenüber der AfD Stimmen einzubüßen. Am Ende könnte gar die Aussicht bestehen, in einer etwaigen blau-schwarzen Koalition nur als Juniorpartner zu enden. Hinzu kämen die bundesweite Buhmann-Position und ein Daueraffront mit der Bundes-CDU, die per Parteitagsbeschluss Koalitionen mit der AfD ablehnt. Was also sind die Machtoptionen für die CDU Sachsen-Anhalt?

Mag die bisherige Regierung der politischen Mitte aus CDU, Grünen und SPD zwar vielen in der Unions-Fraktion nicht behagen, so ist die CDU hier bislang dennoch Koch und nicht Kellner. Reiner Haseloff geht mit seinem Gegenangriff auf Holger Stahlknecht politische voll ins Risiko. Er bleibt bei seiner Position, dass es mit ihm kein Abstimmen mit der AfD geben darf. Damit setzt er ein klares Zeichen, denn er wäre bereit, dafür sogar auf sein Amt und damit auch auf eine weitere Kandidatur bei den kommenden Landtagswahlen zu verzichten. Bei der CDU insgesamt dürfte sein Ansehen damit weiter steigen. Ob beim sachsen-anhaltischen Landesverband, ist aber offen.

Es geht um eine Richtungsentscheidung

Im Laufe des Wochenendes dürfte sich die sachsen-anhaltinische CDU-Machtfrage klären, damit rechnet man zumindest in Berliner CDU-Kreisen. Aus diversen Ländern melden sich inzwischen CDU-Regierungschefs zu Wort, etwa der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Sie unterstützen Reiner Haseloff. Der bei ostdeutschen CDU-Landesverbänden beliebte Friedrich Merz hatte in den vergangenen Tagen hingegen Sympathie für die Position der sachsen-anhaltinischen CDU bekundet.

Diese Gemengelage zeigt: Egal, wie oft die Union dort nun noch versuchen wird, die Sachfrage namens Rundfunkbeitrag zu betonen, es geht am Ende eben doch um eine Richtungsentscheidung. Welche Bündnisse wird man künftig eingehen wollen? Denn Sachfragen sind naturgemäß politische Fragen und umgekehrt. Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt steht bei ihrem Flirt mit Rechtsaußen bundesweit betrachtet ziemlich alleine da. Was allerdings noch lange nicht heißt, dass sie das kümmert.

Inzwischen hat Holger Stahlknecht seinen Rücktritt für Dienstag angkündigt.

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