RAF-Terroristin gefasst - Was weiß Daniela Klette?

Bis heute wissen die Behörden über die dritte Generation der RAF sehr wenig. Nun, nach über 30 Jahren Fahndung, ist der Polizei die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette ins Netz gegangen. Kommt jetzt Licht ins Dunkel?

Die frühere Terroristin der Roten Armee Fraktion (RAF), Daniela Klette (65), ist in Berlin gefasst worden / dpa
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Dr. Butz Peters ist Publizist und Rechtsanwalt in Dresden. Er ist einer der führenden deutschen Experten zur Geschichte der RAF und hat mehrere Bestseller zum Thema Innere Sicherheit geschrieben.

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Kaum jemand hätte damit noch gerechnet: Seit über dreißig Jahren lief die Fahndung nach Daniela Klette – erfolglos. Die heute 65-Jährige schien wie vom Erdboden verschluckt, wenn nicht von ihr mehrfach nach Raubüberfällen DNA-Material gefunden worden wäre. Daniela Klette könnte ein Schlüssel zu dem bislang nicht aufgeklärten Taten der dritten RAF-Generation sein: Innerhalb von acht Jahren (1985 bis 1993) ermordete diese zehn Menschen, unter ihnen Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder und Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Das letzte Opfer war ein GSG-9-Beamter im Jahr 1993 in Bad Kleinen. 

Bis heute wissen die Ermittler über die dritte RAF-Generation (1984 bis 1998) herzlich wenig. Für sie ist die Geschichte des letzten RAF-Aufgebots so etwas wie eine Landkarte mit riesigen weißen Flecken: Sie wissen nicht, wer alles der dritten Generation angehörte. Seinerzeit gingen die bundesdeutschen Sicherheitsstrategen von ungefähr anderthalb Dutzend RAF-Mitgliedern im Untergrund aus: Ganze drei von ihnen wurden gefasst, zwei Frauen – sie haben ihre Strafen abgesessen und sind wieder auf freiem Fuß – sowie Wolfgang Grams. Er eröffnete im Bahnhof von Bad Kleinen das Feuer auf seine Verfolger und starb auf den Gleisen durch einen Schuss von eigener Hand aus seiner Waffe. Ebenso wenig wissen die Ermittler, wo die dritte RAF-Generation gewohnt hat. Von ihr wurde keine einzige Wohnung entdeckt – bei der ersten Generation (1970 bis 1972), bei „Baader-Meinhof“, war die Polizei noch auf Dutzende konspirative Wohnungen gestoßen. Ebenso wenig sind die Finanzierungs- und Sprengstoffquellen von Baader-Meinhofs Enkeln bekannt.

Deutschlands erste und einzige „Knastsprengung“

Klette im Jahr 1988 / dpa

Nun, nach der Festnahme von Daniela Klette, ist die erste spannende Frage: Was weiß sie tatsächlich über die dritte Generation? Die Ermittler bringen sie mit drei Taten der Terrorgruppe in Verbindung. Erstens mit einem Angriff auf die US-Botschaft in Bonn-Bad Godesberg während des ersten Golfkrieges: Im Jahr 1991 feuerte ein RAF-Kommando, bestehend aus mindestens drei Personen, mit zwei NATO-Gewehren und einer Kalaschnikow von Königswinter über den Rhein auf die US-Botschaft 250 Schuss ab. Sechzig Geschosse trafen das Gebäude. Den Flucht-VW-Passat entdeckten die Ermittler in einem Wald, 170 Kilometer vom Tatort entfernt Auf dem Beifahrersitz fanden sie ein Haar: Es stammte von Daniela Klette, wie eine DNA-Analyse Jahre später ergab. 


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Zweitens geht es um die erste – und bislang einzige – „Knastsprengung“ dieser Republik: Ein RAF-Kommando kletterte im März 1993 anderthalb Stunden nach Mitternacht mit einer Strickleiter über eine sechs Meter hohe Mauer der gerade fertig gestellten Justizvollzugsanstalt Weiterstadt, zwischen Frankfurt und Darmstadt. Ein neues Gefängnis für 500 Häftlinge. Eröffnung sollte fünf Tage später sein. 

Das RAF-Kommando – es bestand aus mindestens fünf Personen – fesselte zehn Justizwachtmeister und fuhr sie in einen VW-Kastenwagen einige Hundert Meter weit. Von dort aus hörten die Beamten, wie das nagelneue Gefängnis in die Luft flog. 200 Kilogramm Sprengstoff legten das Gebäude in Schutt und Asche. Schaden: 123 Millionen Mark. Der größte Schaden, der in der deutschen Nachkriegsgeschichte durch eine Explosion entstand. Die Eröffnungsfeier der JVA Weiterstadt musste um vier Jahre verschoben werden. Am Tatort fanden die Ermittler DNA-Material von Danielle Klette.

Und die dritte Klette-Spur: Auf einem Papier im Gepäck der beiden in Bad Kleinen gefassten Köpfe der dritten RAF-Generation, Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld, fand sich ein Fingerabdruck von ihr.

Nach dem Ende der RAF

Die zweite spannende Frage ist, ob und inwieweit Daniela Klette auspacken wird. Die rechtliche Lage, auch im Hinblick auf einen Strafrabatt durch eine Kronzeugenregelung, ist kompliziert, weil es ja nicht nur um die Taten der dritten RAF-Generation geht, sondern auch um mehrere Raubüberfälle, die von ihr und den beiden mutmaßlichen RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg nach dem Ende der RAF verübt wurden. Die beiden aus der dritten RAF-Generation – 1986 und 1993 – gefassten Frauen, Eva Haule und Birgit Hogefeld, schwiegen eisern. Sie verrieten kein Wort über Komplizen und Kommandounternehmen.

Seit spätestens Anfang 1990 lebte Klette nach Polizeierkenntnissen im Untergrund. Trotz erheblicher Anstrengungen der Ermittler gelang es ihnen nicht, sie zu fassen. Klette ist nach Ermittler-Erkenntnissen die frühere Lebensgefährtin des ebenfalls seit über 30 Jahren gesuchten ehemaligen RAF-Mitglieds Ernst-Volker Staub. Geboren 1958 in Karlsruhe, engagierte sie sich ab dem 20. Lebensjahr in der Roten Hilfe in Wiesbaden; arbeitete in Initiativen gegen die Startbahn West und in der Anti-NATO-Bewegung. Dort lernte sie Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg kennen.

Bemerkenswert an der Vita Klettes ist: Acht Jahre nach ihrem Abtauchen in den Untergrund erklärte die RAF ihre Selbstauflösung, im April 1998, mit dem Argument, dass sie mit Morden in dieser Republik politisch nichts erreichen konnte. Weiter machte Daniela Klette nach den Feststellungen der Polizei als gewöhnliche Schwerkriminelle. Von ihrem einstigen politischen Anspruch blieb nichts. Sollte sie demnächst auspacken, wäre das nicht nur ein Gewinn für die Justiz und die Zeitgeschichte, sondern auch für die Angehörigen der Mordopfer dieser dritten RAF-Generation.
 

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