Korruptionsprozess gegen Peter Feldmann - Warum Frankfurts Oberbürgermeister seine Amtskette nicht abgeben will

Seit seiner Verstrickung in die Awo-Affäre klammert sich der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main an sein Amt. Peter Feldmann hat nicht vor, auf die Rücktrittsforderungen der im Rathaus herrschenden Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt einzugehen. Dabei ist der Awo-Skandal nicht das einzige, was man dem 63-Jährigen vorwerfen kann.

Sieht keinen Grund zum Rücktritt: Peter Feldmann (SPD), Oberbürgermeister von Frankfurt, landet wegen seiner Verstrickungen im Awo-Skandal vor Gericht / dpa
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Thomas Remlein ist Redakteur für Kommunalpolitik der Frankfurter Neuen Presse.

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Wann muss ein Politiker zurücktreten? Wann ist das Maß endgültig voll? Diese Fragen beschäftigen die Frankfurter Stadtgesellschaft und lähmen die gesamte Kommunalpolitik. Gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wurde Anklage wegen Vorteilnahme im Amt, vulgo Korruption, erhoben. Die im Rathaus herrschende Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt hat dem Oberbürgermeister das Misstrauen ausgesprochen und zum Rücktritt aufgefordert. Sollte Feldmann dem nicht nachkommen, wird ein Abwahlverfahren eingeleitet. Doch Feldmann will, koste es (die Stadt), was es wolle, bis zum Ende seiner Amtszeit 2024 im Amt bleiben. Zur Erinnerung: Bundespräsident Christian Wulff (CDU) trat bereits zurück, als die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn einleitete.

Seit seiner Verstrickung in die Awo-Affäre klammert sich Feldmann an sein Amt, selbst nach einer Durchsuchung seines Amtszimmers. Im November 2019 wurde bekannt, dass seine Ehefrau Zübeyde, von der er sich mittlerweile getrennt hat, als Leiterin der Awo-Kita „Dostluk“ als Berufsanfängerin ein überhöhtes Gehalt plus Dienstwagen erhalten hat. Zur Awo hatte Feldmann engste Verbindungen, er arbeitete vor seiner Wahl selbst für die gemeinnützige Organisation. Mit dem Frankfurter Awo-Chef Jürgen Richter gehörte er beispielsweise dem Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokraten (AJS) an.

Frankfurter SPD tief im Awo-Sumpf

Die Anklageerhebung gegen Feldmann war selbst für seine solidarischen Genossen der Punkt, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. „Wir haben dem OB jede mögliche Türe längst möglich offengehalten“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Holger Tschierschke. Der Ortsvereinsvorsitzende von Frankfurt-Bornheim, Ulrich Labonté (Genosse seit über 30 Jahre) war einer von 26 Ortvereinsvorsitzenden, die Feldmann den Rücktritt nahelegten. Dabei erwähnt Labonté durchaus, dass Peter einen guten Ruf gehabt habe. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2012 war Feldmann einer der ersten, der das Problem Wohnungsmangel und hohe Mieten thematisierte.

Diese Meinungsführerschaft ist längst vorbei. Bereits bei der Kommunalwahl am 14. März 2021 wurde die SPD für die Awo-Affäre vom Wähler abgestraft. Sie erzielte mit nur 17,0 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. In die Awo-Affäre ist nicht nur der Oberbürgermeister verstrickt, sondern weitere namhafte Frankfurter Sozialdemokratinnen. Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen, gelernte Bankkauffrau, war Revisorin der Frankfurter Awo, die frühere kulturpolitische Sprecherin der SPD, Renate Wolter-Brandecker, gehörte ebenfalls dem Awo-Vorstand an. Die amtierende Fraktionschefin der SPD im Rathaus, Ursula Busch, arbeitete jahrelang als rechte Hand von Hannelore Richter, Ehefrau von Jürgen Richter und Geschäftsführerin der Wiesbadener Awo.

Maximierung persönlicher Vorteile

Das Ehepaar Richter betrieb die Awo-Verbände Frankfurt und Wiesbaden, vorsichtig formuliert, als Unternehmen zur Maximierung persönlicher Vorteile und einer Clique Vertrauter. Ursula Busch als Assistentin von Hannelore Richter will von alledem nichts bemerkt haben? Busch hatte neben ihrer Vollzeitstelle zusätzlich einen 450 Euro-Job bei einer Stiftung der Awo. Das sei zwar keine korrekte Abrechnung gewesen, räumte sie in einem Interview mit der Frankfurter Neuen Presse ein. Das hätte sie aber als Arbeitnehmerin nicht wissen müssen. Auch von den Machenschaften der Richters will Busch all die Jahre nichts bemerkt haben. Das stellt die Fraktionschefin in kein gutes Licht, denn: War Busch tatsächlich so naiv? Oder, schlimmer noch, hat Sie Richters Tricksereien gedeckt? Beides sind keine guten Qualifikationen für eine Fraktionsvorsitzende.

Eintracht Frankfurt erteilt Feldmann Stadionverbot

Zurück zum Oberbürgermeister: Während der monatelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn, hielt ihm die Vierer-Koalition die Treue. Erst augenscheinliche Petitessen, verbunden mit der Anklageerhebung, beschleunigte die Absetzbewegung vom Oberbürgermeister. Bei der Siegerfeier der Fußballer von Eintracht Frankfurt nach dem gewonnenen Finale der Euro-League entriss Feldmann dem verdutzen Trainer Oliver Glasner und Eintracht-Kapitän Sebastian Rhode vor Millionen von Fernsehzuschauer den Pokal. Wollte er mit dem Pokal in der Hand die Awo-Affäre vergessen machen? Oder hoffte er, die rund 14.000 Fans auf dem Römerberg würden wie weiland 2002 beim Empfang der deutschen Fußballnationalmannschaft statt stimmungsvoll „Es gibt nur ein’ Rudi Völler“ nun „Es gibt nur ein’ Peter Feldmann“ intonieren?

Die Eintracht erklärte ihn jedenfalls hernach zur „unerwünschte Person im Waldstadion“. Schon auf den Hinflug zum Endspiel nach Sevilla leistete sich Feldmann im Flugzeug bei einer kurzen Ansprache einen herben Faux-Pas. Der Anblick des weiblichen Bodenpersonal und der Stewardessen habe ihn „hormonell außer Gefecht gesetzt“. Als nach dem Spiel ein Video von Peinlich-Peter (O-Ton Bild-Zeitung) in den sozialen Medien auftauchte, war für die Koalitionspartner, insbesondere den Grünen, die sich als Frauenpartei verstehen, Schluss mit lustig.

Zweite Ehe gescheitert

Apropos Frauen: In Deutschland ist es bei Politikern anders als in Amerika guter Brauch, nicht das Privatleben von Politikern in den Fokus zu rücken. Feldmann indes erwähnt gerne – ohne Not – seine beiden Töchter. Heiles Familienleben kommt beim Wähler immer gut an, auch wenn es mitunter nur gespielt ist.

Die Hochzeit mit der fast 30 Jahre jüngeren Zübeyde zelebrierte der heute 63-Jährige medienwirksam im Bolongaropalast in Höchst. Zu dem Zeitpunkt war die Braut hochschwanger. Das Hochzeitversprechen mit Zübeyde, mit der er eine Tochter hat, wollte er an gleicher Stelle nach der Sanierung des Gebäudes Anfang 2023 wiederholen, wie er per Bild-Zeitung ankündigte. Dass es dazu noch kommt, ist nach der Trennung eher unwahrscheinlich.

Es ist Feldmanns zweite Ehe, die scheitert. Die Mutter seiner ersten Tochter führte er nicht zum Traualtar. Die Beziehung zerbrach nach kurzer Zeit. Über das Sorgerecht für das nichteheliche Kind stritt Feldmann mit der Mutter, einer Juristin, monatelang vor Gericht. Über die Unterhaltszahlungen mehrere Jahre.

Insignien der Macht

Dass der 63-Jährige auch wegen möglicher Chancen bei den Frauen an seinem Amt klebt, vermuten einige Genossen. Zu einem  bekannten Exponenten der Frankfurter Stadtgesellschaft soll Feldmann gesagt haben: „Unglaublich, was für ein Aphrodisiakum die Oberbürgermeisterkette ist.“ Er meinte damit die Wirkung, welche die Insignien der Macht auf manche Frau hat. Doch jetzt scheint es einsam um Feldmann zu werden und die goldenen Kette ist in Gefahr. Spätestens 2024 mit dem Ende seiner Amtszeit wird er sie ablegen müssen.

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