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SPD - Peer Steinbrück soll Programm werden

Der Parteitag am Sonntag in Augsburg soll der SPD Aufschwung geben. Sie und ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben ihn nötig. Was ist von dem Delegiertentreffen zu erwarten?

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Monath, Hans

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Der Streit um den Wahlkampfslogan der SPD „Das Wir entscheidet“ ist zwar nur eine Nebensächlichkeit. Doch die gewohnt schnoddrige Reaktion des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück am Freitag im ARD-Morgenmagazin auf die Frage, ob sein Wahlkampfteam nicht hätte merken müssen, dass der Slogan auch von einer Leiharbeitsfirma verwendet wird, machte einmal mehr das Problem deutlich: Es gibt in Steinbrücks Wahlkampagne einfach zu viele Unstimmigkeiten. Und deshalb reist der Kanzlerkandidat keineswegs mit Rückenwind zu dem Parteitag, auf dem die SPD am Sonntag in Augsburg ihr Wahlprogramm beschließen und in eine neue Phase des Ringens um das Kanzleramt starten will.

In den Umfragen ist das erklärte SPD-Wahlziel einer rot-grünen Koalition in weite Ferne gerückt. Die Partei nähert sich wieder ihrem Negativrekordergebnis bei Bundestagswahlen von 2009 (23 Prozent), auch die persönlichen Werte Steinbrücks sind im Keller.

Welchen Kurs schlägt die SPD mit ihrem Wahlprogramm ein?

Als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident und auch später als Bundesfinanzminister lebte Steinbrück in Dauerfehde mit dem dem linken Flügel seiner Partei. Heute bestreitet er nicht, dass die SPD mit ihrem Regierungsprogramm weiter nach links rückt – in seinen Augen folgt sie einer allgemeinen Entwicklung. Er habe „kein Problem damit, dass sich die Achse der Gesellschaft nach links verschoben hat“. Die Bundestagswahl werde auf dem Feld der Gesellschaftspolitik entschieden, die Bürger wollten eine schärfere Regulierung der Banken und flächendeckende Mindestlöhne. Zudem sei „das, was sozial gerecht ist, in den meisten Fällen auch ökonomisch sinnvoll“.

Das Programm stellt Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Im Einzelnen verspricht die SPD eine weitgehende Regulierung der Finanzmärkte, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro; der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 49 Prozent für zu versteuernde Einkommen ab 100 000 Euro steigen, Reiche sollen eine Vermögensteuer zahlen; die steuerfinanzierte Solidarrente soll mindestens 850 Euro betragen; Mietsteigerungen will die SPD stärker begrenzen. Die Mehreinnahmen sollen vor allem für ein besseres Bildungssystem ausgegeben werden.

Passen Kandidat und Programm überhaupt zusammen?

Die Frage ist naheliegend, denn bei zentralen Wahlkampfversprechen wie dem Mindestlohn, der Frauenquote oder der Vermögensteuer hat der Kandidat früher andere Meinungen vertreten. Er selbst versichert, er könne gut mit den Vorschlägen leben: „Das ist ein Programm des Kandidaten und der Partei“, sagt er. Bei Frauenquote und Mindestlohn ist das, was Steinbrück seine „Lernkurve“ nennt, glaubwürdig, denn früher lehnten auch die Gewerkschaften den Mindestlohn ab. Im Falle der Vermögensteuer dürfte der Ex-Finanzminister sehr genau die Schwierigkeiten kennen, privaten Reichtum von Betriebsvermögen zu trennen. Doch davon spricht er nicht, versichert dagegen, die Substanz von Unternehmen solle eben nicht besteuert werden. Zudem konditioniert und relativiert das Programm in vielen Punkten die Agenda-Politik Gerhard Schröders, die Steinbrück als große Leistung und Grundstock des ökonomischen Aufstiegs Deutschlands preist.

Der linke SPD-Flügel sieht sich als eigentlicher Sieger der Programmdebatte, weshalb in Augsburg keine tief greifenden Auseinandersetzungen mehr erwartet werden. „Bei den zentralen Themen Steuern, Arbeitsmarkt und Rente vertreten wir endlich wieder klassisch linke Positionen, wir setzen klar auf das Prinzip Umverteilung“, freut sich Berlins SPD- Chef Jan Stöß. Dies bedeute „eine Abkehr von den Positionen der Agenda-Jahre“. Auch Juso-Chef Sascha Vogt sieht mit dem Programm die Agenda-Politik „in maßgeblichen Punkten revidiert“.

 

Sind die schlechten Umfragewerte der SPD dem Spitzenkandidaten anzulasten?

Dafür spricht viel. Denn die inhaltliche Aufstellung der SPD scheint viele Wähler anzusprechen, wie Umfragen zeigen. Wenn die Demoskopen fragen, wie die Vorschläge zur Begrenzung der Mieten, zum Mindestlohn, zu höheren Steuern für starke Schultern, zur Abschaffung des Betreuungsgeldes oder zur Solidarrente bewertet werden, begrüßen meist mehr als 50 bis 70 Prozent der Befragten die SPD-Vorschläge. Das heißt: Mit ihren Themen liegt sie durchaus im Trend, was auch die Wahlkämpfer spüren. „Die Mietenbremse, die die SPD vorgeschlagen hat, mobilisiert die Basis“, beobachtet etwa der Berliner SPD-Chef Stöß.

Nachhaltig belastet wird Steinbrück seit seiner überstürzten Ausrufung im vergangenen Herbst durch die Debatte um seine üppigen Honorare, die er mit zumindest missverständlichen Äußerungen zum zu niedrigen Kanzlergehalt selbst zum Dauerthema machte. Er zementierte damit sein Image als Nehmer. Seither bezweifeln offenbar gerade potenzielle SPD-Wähler, ob Steinbrück als Hüter des Gemeinwohls und der sozialen Gerechtigkeit glaubwürdig ist. Seit der Serie von Pannen muss der Kandidat mit der Bereitschaft vieler Medien zurechtkommen, seine echten oder vermeintlichen Fehler genüsslich zu thematisieren. Beobachter beschreiben auch Steinbrücks Kommunikationsstil als Problem. „Der Typus des starken Mannes mit großen Sprüchen und kantigem Kinn“ habe in den vergangenen Jahren „kulturell erheblich verloren“, meint der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter.

 

Wie wollen Steinbrück und die SPD ihr Umfragetief überwinden?

Ein völlig gewandelter Steinbrück, der anfängt zu säuseln und sich gemeinsam mit seiner Familie als sympathischer Mensch inszeniert, ist in den kommenden Monaten wohl nicht zu erwarten. Der 66-Jährige hat mehrfach deutlich gemacht, dass er sich selbst nicht verbiegen will, auch weil der Wähler die Inszenierung eines „neuen Steinbrück“ wohl als unglaubwürdig ablehnen würde. In direktem Kontakt mit den Bürgern kann Steinbrück allerdings viele überzeugen, wie seine Veranstaltungen gezeigt haben.

SPD-Funktionäre wie Jan Stöß setzen auf die Überzeugungskraft der Partei: „Die Beliebtheit des Kandidaten, das haben wir auch in Niedersachsen gesehen, ist am Ende nicht das Entscheidende“, sagt er. Die Parteilinke forderte nun eine härtere Gangart. Doch Steinbrück hat einen „randalierenden Wahlkampf“ kategorisch ausgeschlossen. Deshalb reden in der SPD nun viele davon, dass die Entscheidung erst in der Endphase des Wahlkampfs fällt, und hoffen gleichzeitig, dass schon in Augsburg die Wende beginnt.

 

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