NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst - Der Landessohn

Als Nachfolger Armin Laschets muss Hendrik Wüst das Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen verteidigen, wenn dort am 15. Mai gewählt wird – doch für ihn und seine CDU läuft es derzeit alles andere als rund.

Hendrik Wüst will im Mai bei der NRW-Landtagswahl sein Ministerpräsidentenamt verteidigen / Marcus Simaitis
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Ein Amt zu verteidigen, das man selbst in Wahlen nicht errungen hat, ist eine undankbare Aufgabe. Denn es hat immer ein bisschen den Makel des „Unverdienten“. Natürlich trägt Hendrik Wüst keine Schuld daran, dass sein Vorgänger abhandenkam – nach Armin Laschets Kanzlerkandidatur musste eben ein Nachfolger gefunden werden. Dass es auf den 46  Jahre alten Verkehrsminister hinauslaufen würde, war schon vor der Bundestagswahl klar. Ohnehin hätte die CDU auch dann einen neuen Ministerpräsidenten stellen müssen, wenn Laschet die Bundestagswahl gewonnen hätte. Dass dies nicht der Fall war, hat Wüst jedoch keinen Rückenwind verschafft. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass sein CDU-Amtskollege Tobias Hans unlängst im Saarland abgewählt wurde – auch er hatte sein Amt von der Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer geerbt.

Hendrik Wüst ist merklich darum bemüht, bloß keine Fehler zu machen, bevor am 15. Mai in NRW gewählt wird. Dass ein Patzer politische Karrieren beenden kann, hat er bei „Laschets Lacher“ während der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer miterleben müssen. Deswegen gilt: bloß kein unbedachtes Wort. 

Wüst bäckt Allgemeinplätzchen

Bei seinem Besuch in der Cicero-Redaktion Anfang April für eine Podcast-­Aufnahme ist Wüst zwar locker und die Freundlichkeit in Person. Aber sobald das Tonband läuft, scheint er um jede Silbe zu ringen und sagt Sätze wie diesen: „Ich stehe dafür, dass wir in dieser Situation eine ganz klare Priorisierung darauf setzen, die Menschen gut durch diese schwierige Zeit zu bringen.“ Mit „dieser Situation“ gemeint sind die Folgen des Ukrainekriegs und Forderungen nach einem Embargo von Öl und Gas aus Russland, von dem sein Bundesland als wichtiger Industriestandort ganz besonders betroffen wäre. Dass man jetzt „mit Energieimporten aus anderen Quellen“ gegensteuern „und natürlich die Erneuerbaren ausbauen“ müsse, wie er hinzufügt, ist in diesem Kontext eine Aussage mit maximaler Allgemeingültigkeit.

Wahrscheinlich ist das auch eine Lehre aus seiner Positionierung in der Debatte um eine allgemeine Impfpflicht. Hier wollte Wüst sich profilieren, indem er sich an die Spitze der Impfpflicht-Befürworter stellte – und dies in der Talkshow von Anne Will noch Ende Januar mit dem Argument tat, es gehe darum, den Geimpften zu signalisieren, „dass jetzt mal die anderen dran sind“. Eine verquere Logik, zumindest aus epidemiologischer Sicht. Ohnehin ist die Impfpflicht inzwischen vom Tisch; politisch hatte sich Wüst vergaloppiert. Ob er in der Sache recht hatte, spielt da fast keine Rolle mehr.

Politik-Manager

Dass Hendrik Wüst in der Düsseldorfer Staatskanzlei einen schlechten Job macht, wird man aber ernsthaft nicht behaupten können. Im Gegensatz zu Laschet betreibt er ein professionelleres „Politikmanagement“, überlässt nichts dem Zufall und hat sich stets unter Kontrolle. Aus dem einstigen konservativen Anecker ist ein geschmeidiger Spitzenfunktionär geworden, dem wenig Zeit blieb, in seine Rolle als Landesvater zu finden. Seit Oktober ist Wüst Ministerpräsident, einen öffentlichkeitswirksamen Neuanfang hat er freilich gescheut. In der CDU gibt es Stimmen, die das für einen Fehler halten, insbesondere das Festhalten an Staatskanzlei-­Chef Natha­nael Liminski. Der gilt zwar als hyperintelligent, hatte aber maßgeblichen Anteil an Laschets missglücktem Wahlkampf als Kanzlerkandidat.

Eine wichtige Personalentscheidung kam für Wüst zur absoluten Unzeit, zumal sie auf äußeren Druck hin geschah: Nachdem herausgekommen war, dass die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser nach der Flutkatastrophe nach Mallorca geflogen war, um dort mit zwei weiteren CDU-Ministerkollegen den Geburtstag ihres Mannes zu feiern, war ihre Demission unvermeidlich. Der Imageschaden ist gewaltig, und das so kurz vor der Wahl. Die SPD liegt in NRW mit der CDU inzwischen gleichauf, beide Parteien pendeln um die 30-Prozent-Marke.

Kaum Konstellationen für Wüst

Dass Wüst die schwarz-gelbe Koalition wird fortsetzen können, ist illusorisch: Die Grünen stehen in Nordrhein-Westfalen beständig zwischen 15 und 18 Prozent, die Liberalen nur bei 8 Prozent. Für eine Jamaika-Koalition würde es zwar reichen. Aber an dieser Stelle kommt die Bundes-FDP ins Spiel, der ein schwarz-grün-gelbes Bündnis in NRW als Misstrauensbekundung gegenüber der eigenen Berliner Ampelregierung ausgelegt werden würde.

Es dürfte also sehr schwer werden für Hendrik Wüst, den Regierungsauftrag in Nordrhein-Westfalen zu verteidigen. Dabei wäre das für die CDU und ihren neuen Bundesvorsitzenden jetzt extrem wichtig – vor allem weil Friedrich Merz selbst aus NRW stammt. Noch ist die Messe nicht gelesen, zumal die SPD nicht nur in der Bundesregierung irrlichtert, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Aber ein kleines Wunder könnte Wüst jetzt gut gebrauchen.

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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