Neuer CDU-Fraktionsvorsitz - Die eigentlichen Kämpfe hat Friedrich Merz noch vor sich

Dass der frisch gewählte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz seine Parteifreunde selten duzt, ist nur ein Symbol für seinen Führungsstil, der vielen nicht behagt: Merz regiert von oben. Das Unbehagen hat aber auch inhaltliche Gründe. Die einen fürchten einen konservativen Durchmarsch, die anderen, dass dieser nicht so konservativ ausfallen könnte wie erhofft.

Von der alten Schule: Bei Friedrich Merz wird gesiezt / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Die konservative Wende hat der neue Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz sozusagen schon eingeleitet. Schluss mit grün-roter Kuscheligkeit. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird wieder gesiezt. Unter Vorgänger Ralph Brinkhaus hatte sich ein sehr vertrauter und lockerer Umgangston breit gemacht, berichten Fraktionsmitglieder. Brinkhaus sei sehr stark auf die Leute zugegangen, sei mit dem „Du“ schnell bei der Hand gewesen, eigentlich habe er alle Fraktionsmitglieder geduzt. Was bei den Genossen sowieso üblich ist und bei den Grünen in der DNA steckt, das hat Brinkhaus zur Union gebracht, spotten einige.
 
Merz, Jahrgang 1955, sei da eher von der alten Schule, berichten nun Parteifreundinnen und Parteifreunde von den sich ändernden Umgangsformen. Das „Du“ bei Merz ist noch – wie früher üblich – ein persönliches Zeichen im politischen und sozialen Machtgefüge. Kennt man sich lange, duzt man sich vielleicht. Steht man politisch eng und loyal beieinander, kann sich das im Du zeigen. Manche warten schon seit 20 Jahren auf das „Du“ von Merz, andere wiederum haben die Trophäe nun schnell ergattert, so wird erzählt.

Kein König der Herzen

Doch hinter der Wahl der Anrede steht mehr. Trotz des guten Ergebnisses von 89,5 Prozent in der Fraktionsabstimmung ist Merz kein König der Herzen – und steht unter Beobachtung. Dass er die symbolischen 90 Prozent nicht geknackt hat, finden einige sogar gut. Viele hätten ihn um des Zeichens der Geschlossenheit willen gewählt, nicht als Liebesbekundung. Merz aber kennt die Skepsis durchaus, in seiner Rede sprach er von einer „Gewissensentscheidung“ und wollte damit auf seine Kritiker zugehen.
 
Die Vorbehalte gegen Merz liegen auf zwei Ebenen, der atmosphärischen und der inhaltlichen. Vor dem Führungsstil des neuen Chefs haben manche Sorge. Merz regiert von oben, da werden nicht immer alle konsultiert und mitgenommen, wenn es darum geht, schnell in der „Tagesschau“ aufzutauchen, sagen manche. Das kriegen sogar die CDU-Ministerpräsidenten bisweilen zu spüren, wenn sie erst aus dem Pressespiegel die neue Marschroute „ihres“ Vorsitzenden erfahren. Tatsächlich muss aber Merz mit aller Macht auch um Sichtbarkeit kämpfen, in Oppositionszeiten geht das sicher nicht immer mit dem großen moderierenden „Wir“, auf das sich Brinkhaus oft gut verstand.

Merz’ Signale in Richtung „Soziales“

Die inhaltliche Schlacht um die Neupositionierung geht derweil gerade erst los. Keineswegs sind über Nacht alle CDU-Funktionäre zu Merz-Fans geworden. Und nicht allen Merz-Fans wiederum ist klar, dass sie jetzt nicht endlich ihren „konservativen“ Durchmarsch vollziehen können, von dem sie seit zwei Jahren träumen, manche auch schon seit 22 Jahren. Im Merkel-Lager und auch in den traditionellen Truppenteilen des Sozialflügels sind deswegen Merz’ Signale in Richtung „Soziales“ wohlwollend aufgenommen worden. Doch schon macht die Rede vom Trostpflaster die Runde. Wird Merz die berühmte inhaltliche Bandbreite der CDU wieder herstellen können, deren Fehlen zu Recht in den letzten Merkel-Jahren immer wieder beklagt worden ist? Oder fallen nun bei der Neujustierung einfach die CDUler auf der anderen Seite runter, die in den letzten zwei Dekaden den Ton angegeben haben? Ein prominentes CDU-Mitglied der Fraktion erklärte es so: „Macht Merz die CDU zu einer konservativen Partei, die die CDU nie war, oder bleiben wir Christdemokraten in der Mitte?“

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