Ministerpräsident von Höckes Gnaden - „Diese Wahl anzunehmen ist unentschuldbar“

FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert in „Cicero“ den Rücktritt ihres Parteikollegen Thomas Kemmerich als Ministerpräsident von Thüringen. Notfalls müsse die Bundespartei ihn dazu drängen. Seine Wahl verspotte die Demokratie.

Thüringens neuer Ministerpräsident Thomas Kemmerich nach seiner Wahl / dpa
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Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist FDP-Bundestagsabgeordnete und sitzt im Bundesvorstand ihrer Partei.

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Gestern Mittag wurde ich kalt erwischt, als ich hörte, dass Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden ist. Unter normalen Umständen eine Freude. Die Tatsache aber, dass er sich von der Höcke-AfD hat wählen lassen, ist unfassbar und zutiefst beschämend. Ich habe Thomas Kemmerich als sympathischen Kollegen und tollen Wahlkämpfer kennengelernt und im Bundestag erleben dürfen. Wir haben mit ihm Wahlkampf gemacht, gebangt und uns riesig gefreut, als er die FDP in den Landtag von Thüringen zurückgeführt hat. 

Ich verstehe, dass man gerne Ministerpräsident sein will, wenn sich die politische Gelegenheit dazu ergibt – was allerdings mit fünf Sitzen schon tollkühn anmutet. Aber dass sich Demokraten von Rechtsradikalen wählen lassen, und noch dazu von der Fraktion von Björn Höcke – in einen tieferen braunen Sumpf kann man gar nicht schauen.

Unentschuldbar

Diese Wahl in Thüringen ist nicht alleine die Sache der Thüringer Abgeordneten. Es berührt zutiefst die Seele der Freien Demokratischen Partei, ja es erschüttert ganz Deutschland. Es geht nämlich nicht weniger als um unsere Demokratie. Diese Wahl pervertiert das verfassungsmäßige Recht zu kandidieren, wenn AfD-Abgeordnete diese nutzen, um Demokraten vorzuführen. Diese Typen nutzen die Möglichkeiten einer Verfassung, die sie am langen Ende abschaffen möchten.

Thomas Kemmerich musste dieses Szenario bewusst gewesen sein. Dass er die Wahl zum Ministerpräsidenten trotzdem angenommen hat, ist unentschuldbar.

Keine Alternative zum Rücktritt

Ich weiß, dass die FDP dies in großer Einigkeit genauso sieht und sich Kolleginnen und Kollegen aus der vordersten Reihe wie Johannes Vogel, Konstantin Kuhle, Gyde Jensen und Alexander Graf Lambsdorff und die FDP Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein diese Einschätzung mit mir teilen und Thomas Kemmerich zum Rücktritt aufgefordert haben. Eine Alternative gibt es nicht.

Meine Hoffnung ist, dass er das auch so sieht, wenn er eine Nacht darüber geschlafen hat. Es gibt nämlich in der Tat Momente, da ist es wirklich besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren. Nichts trifft so zu, wie genau das in diesem Augenblick.

Zur Not muss die Bundespartei eingreifen

Sollte unser Kollege allerdings doch nicht zu dieser Auffassung gelangen, was ich sehr bedauern würde, ist die Bundespartei aufgefordert, entsprechende Schritte einzuleiten.

Selbstverständlich sind die Landesverbände eigenständig und entscheiden selbst, wie sie im Detail vorgehen. Die Grenze ist allerdings dann überschritten, wenn die ganze Partei und mit ihr die 70.000 engagierten Mitglieder die Folgen zu tragen haben.

Wie erbärmlich!

Die AfD selbst versucht den Rechtsstaat zu unterwandern, auszuhöhlen und lächerlich zu machen und dazu nutzt sie in perfider Manier die demokratischen Mittel, die sie verachtet, ja verspottet. Diese Empörung aller Demokraten darüber ist für sie Mittel zum Zweck. Sie spielt die Parteien gegeneinander aus und spaltet mit Lust und Wonne die Gesellschaft. Wie erbärmlich!

Dass heute die Abgeordneten der CDU und FDP sehenden Auges in diese offensichtliche Falle getappt sind, ist mir unbegreiflich.

Ein Tag zum Verzweifeln

Aber wichtig ist mehr denn je: Wir Demokraten sind nicht nur mehr, nur wir gemeinsam können der AfD etwas entgegensetzen. Zerfleischen wir uns jetzt, gibt es nur einen Gewinner. Das wäre sehr gerne die sogenannte Alternative für Deutschland.

Wie absurd, wenn wir dieses zuließen. Es gibt zu unserer Demokratie und unserer Verfassung nämlich keine Alternative. Und genau deshalb werde ich weiter kämpfen, auch wenn ein solcher Tag zum verzweifeln ist.

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