Max Otte und die AfD - „Die Werteunion ist tot“

Die Kandidatur Max Ottes (CDU) für das Amt des Bundespräsidenten schlägt hohe Wellen. Denn der Vorsitzende der Werteunion lässt sich von der AfD ins Rennen schicken. Im Interview übt CSU-Mitglied Juliane Ried, Vorsitzende des Konservativen Aufbruchs und einst Gegenkandidaten Ottes um den Vorsitz der Werteunion, deutliche Kritik an Ottes Kandidatur, erklärt, was der Vorgang für die Werteunion bedeutet.

Die Vorsitzende des Konservativen Aufbruchs, Juliane Ried, sieht das Ende der Werteunion gekommen / Privat
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Juliane Ried, Jahrgang 1982, ist CSU-Mitglied und Vorsitzende des Vereins Konservativer Aufbruch, der sich aus CSU-Mitgliedern zusammensetzt und für eine Erneuerung der Partei eintritt. Bis zur Wahl Max Ottes zum Vorsitzenden der Werteunion, gegen den sie vergangenes Jahr erfolglos um den Vorsitz kandidierte, war der Konservative Aufbruch Teil der Werteunion, und trat schließlich aus ihr aus. Ried und ihre Mitstreiter setzen sich für eine Rückbesinnung der Union auf ein wertkonservatives und wirtschaftsliberales Profil ein. Max Otte will sein Amt als Vorsitzender der Werteunion einstweilen ruhen lassen und verspricht, auf seine Kandidatur für das Bundespräsidentenamt zu verzichten, sollte die CDU/CSU einen eigenen Kandidaten aufstellen.

Frau Ried, Sie kandidierten vergangenes Jahr erfolglos gegen Max Otte um den Vorsitz der Werteunion. Wo liegen denn die Unterschiede zwischen der Art und Weise, wie Herr Otte Konservatismus und die Rolle der Werteunion definiert, und wie Sie das tun?

In den Vorstellungsrunden, die wir damals hatten, wurde häufiger nach der „Frankfurter Erklärung“ gefragt. Der Beschluss wurde innerhalb der Werteunion getroffen und schließt eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD aus. Wie ich, hat sich auch Max Otte damals zu diesem Beschluss bekannt. Wenn man das im Zuge der Ereignisse der vergangenen Tage betrachtet, muss man nun feststellen, dass die „Frankfurter Erklärung“ für Max Otte keinen Wert hatte. Ich glaube, dass Max Otte im Kern kein wertkonservativer oder wirtschaftsliberaler Mensch ist. Er hat ja auch schon mal gefordert, man solle die Steuern erhöhen. Außerdem glaube ich, dass er eher Pro-Putin ausgerichtet ist und wir als Konservative klar zum westlichen Bündnis stehen. Da besteht bei uns beiden schon eine große Differenz von der grundsätzlichen Ausrichtung her.

Warum ist es für die Werteunion eigentlich wichtig, sich von der AfD abzugrenzen? Denn, nüchtern betrachtet, gibt es auch innerhalb der AfD Leute, die ein wertkonservatives Profil haben, und eben nicht nur den Rechtsaußen-Flügel.

Es gibt sicherlich Schnittmengen zwischen Positionen, die die AfD vertritt, und Positionen, die die Werteunion vertritt. Was Max Otte betrifft, wird er aber nicht von der AfD in der Breite unterstützt, sondern vom rechten Flügel. Selbst der gemäßigte Flügel der AfD ist mit Ottes Nominierung alles andere als glücklich. Jörg Meuthen hat bereits öffentlich gesagt, dass er die Nominierung für ungut hält und für nicht zielführend. Das zeigt, dass die Nominierung Ottes auch in der AfD hohe Wellen schlägt.

Das heißt, ihr Vorwurf an Max Otte ist einerseits, dass er sich aktiv gegen die „Frankfurter Erklärung“ wendet. Aber andererseits auch, dass er dabei noch einen Schritt weitergeht und sich gleich dem rechten Flügel innerhalb der AfD anbiedert?

Ja. So könnte man das auf den Punkt bringen.

Nach der Wahl Ottes zum Vorsitzenden der Wertunion im vergangenen Jahr hat sich der Konservative Aufbruch in Bayern von der Werteunion auf Bundesebene verabschiedet. Warum eigentlich?

Die Werteunion lief schon vor der Wahl Ottes –  als Alexander Mitsch noch Vorsitzender war – Gefahr, in zwei Lager gespalten zu werden. Einmal in die Leute, die zum Kurs von Alexander Mitsch tendiert haben, der eher gemäßigt war und bei dem es darum ging, die Union wieder auf Kurs zu bringen. Und in jene Leute um Max Otte, die darin keinen Sinn mehr gesehen und dazu tendiert haben, sich gegenüber der AfD zu öffnen. Sie müssen sich Folgendes vergegenwärtigen: Nach dem Mord an Walter Lübcke (der am 1. Juni 2019 von dem Rechtsextremisten Stephan Ernst ermordet wurde – Anm. d. Red.) hat die Werteunion schon Mal einen Beschluss gefasst, in dem die CDU aufgefordert wurde, Otte aus der Partei auszuschließen, damit man ihn auch aus der Werteunion ausschließen kann. Grund waren seine öffentlichen Äußerungen zu diesem Mord auf Twitter. Als Max Otte gewählt wurde, sind dann jene Mitglieder, die davor zu Alexander Mitsch tendiert haben, reihenweise ausgetreten – und ganze Landesverbände haben sich aufgelöst. Wir in Bayern haben immer kommuniziert, dass wir uns wieder selbständig machen werden, wenn Otte Vorsitzender wird. Weil wir eben genau das, was jetzt eingetreten ist, befürchtet haben.

Was meinen Sie konkret?

Dass wir unter Max Otte nicht mehr in CSU und CDU wirken können. Selbst Mandatsträger, die uns bisher noch wohlwollend gegenüberstanden, wenn auch nur im Verborgenen vielleicht, haben sich nun komplett von der Werteunion abgewandt.

Wäre es – auch vor dem Hintergrund, was Sie sagen – nicht also auch konsequent und richtig, wenn sich die CDU im nächsten Schritt nicht nur von Max Otte distanziert, sondern in Gänze auch von der Wertunion?

Da haben Sie recht. Die Befürchtung, dass es dazu kommen wird, steht natürlich im Raum. Ich denke, dass es gestern im Minutentakt Austritte bei der Werteunion gehagelt hat. Wir vom Konservativen Aufbruch hatten gestern wiederum viele Eintritte. Ich glaube also, dass viele Mitglieder die immensen Probleme erkennen, die Herr Otte verursacht hat. Ob man als Union jetzt so weit geht, dass man zum Beispiel alle Mitglieder ausschließt, halte ich für unangemessen und auch nicht für praktikabel.

In einem Interview, das Sie und ich vergangenes Jahr geführt haben, sagten Sie, dass es für den Konservativen Aufbruch in Bayern wichtig war, sich wieder konsequent zurückzuziehen auf die Landesebene, weil es rund um die CSU genug zu tun gibt. Ist das jetzt ein Punkt, wo Sie wieder in die andere Richtung gehen und bundesweit stärker auftreten werden? Und die Werteunion vielleicht gar ablösen werden?

Nein, das wird nicht passieren. Als Konservativer Aufbruch sind wir auf Bayern fokussiert, weil wir uns auch nur auf die CSU konzentrieren wollen und nicht auf die CDU. Hinzu kommt: Bei uns kann nur Mitglied werden, wer auch Mitglied der CSU ist.

Verstanden. Als Otte damals Vorsitzender der Werteunion wurde, stand ja bereits die Frage im Raum – Sie haben es eben schon angeschnitten –, ob das der Anfang vom Ende der Werteunion ist. Ist das Aus mit der Kandidatur Ottes für das Amt des Bundespräsidenten nun besiegelt?

Definitiv. Die Werteunion ist tot. Das muss man ganz klar so sagen, denn sie wird in der Union keinerlei Einfluss mehr haben.

Wie bewerten Sie denn allgemein die Kandidatur Ottes?

Das ist einfach nur dumm. Natürlich ist es zutiefst traurig, dass die Union keinen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ins Rennen schickt. Dass die Union wieder Steinmeier unterstützt, dafür fehlen jedem Konservativen die Worte. Aber zu glauben, dass Max Otte jetzt Stimmen aus der Union kriegt, ist absurd. Er wird ja nicht einmal alle Stimmen von der AfD bekommen, weil ihn dort das gemäßigte Lager nicht wählen wird. Für meine Begriffe verbrennt sich dieser Mann gerade komplett, auch, was seine Reputation betrifft.

Max Otte mit AfD-Chefin Alice Weidel bei einer Pressekonferenz / dpa

Ich verstehe das auch nicht. Denn es liegt doch auf der Hand, dass diese Kandidatur nicht erfolgreich sein wird. Warum kandidiert er dann trotzdem?

Weil manche anscheinend an ihrem eigenen Ego scheitern müssen. Ich glaube, dass es hier ausschließlich um persönliche Eitelkeiten geht. Denn er hat es ja mit seiner Kandidatur überall in die Presse geschafft. Da geht es um Max Otte, nicht um die Sache.

Für die Union wiederum kommt die Kandidatur Ottes zur Unzeit. Denn gerade erst wurde Friedrich Merz mit überragenden knapp 95 Prozent zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt. Mal zwischengefragt: Was halten Sie denn davon, dass Merz zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt wurde?

Das ist die richtige Entscheidung. Nur leider kommt sie drei Jahre zu spät. Ich hoffe, dass Friedrich Merz es schafft, das Ruder wieder herumzureißen und die CDU wieder in eine wertkonservative und wirtschaftsliberale Richtung zu steuern. Wenn ich mir aber ansehe, welche Leute er in den Vorstand holt, habe ich schon gewisse Zweifel, dass ihm das gelingen wird.

Wen meinen Sie?

Friedrich Merz wurde zwar mit einem überragenden Ergebnis zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt, aber er steckt wohl noch zu sehr in den Krallen von Merkel-Vasallen, um da was ausrichten zu können. Wenn ich sehe, dass er eine Karin Prien mit drin hat, die den Austritt von Hans-Georg Maaßen gefordert hat, dann habe ich Zweifel, dass man mit diesem Vorstand wirklich was bewegen kann.

Ich frage auch deshalb, weil ich folgende These in den Raum stellen möchte: Wenn es Merz schafft, der CDU wieder ein klar konservatives Profil zu geben, dann machen sich Gruppierungen wie die Werteunion ja ohnehin überflüssig, oder?

Mir wäre nichts lieber als das, aber ich glaube es halt nicht. Wenn dem so wäre, dass die Union wieder viel mehr auf Freiheit statt auf Sozialismus setzen würde, dann könnten wir alle, die uns hier irgendwie engagieren, unser Engagement wieder einstellen. Da hätte ich nichts dagegen.

Ist es denn nach wie vor so, dass die Rechten in der Union nicht so integriert werden in die Partei, wie sie integriert werden sollten? Das war ja ein Vorwurf von Ihnen in unserem Gespräch im Oktober vergangenen Jahres.

Wichtig wäre einfach, wieder eine Politik mit Vernunft und Sachverstand zu machen. Nicht eine, die ideologiegetrieben ist. Schauen Sie sich mal die Flüchtlingskrise an: Wir haben immer noch unglaublich viel Zuwanderung, und wenn man sich ansieht, was die Ampelkoalition macht, dann lädt sie jetzt noch mehr Leute zu uns ein. Das ist einfach völlig absurde Politik, die wir uns gar nicht leisten können. In Dänemark hat die Regierung den Leuten mal vorgerechnet, was das alles kostet. Vielleicht sollten wir das hierzulande auch mal machen. Wir haben so viele Baustellen, wir müssten uns erstmal mit uns selbst beschäftigen. Der Mittelstand zum Beispiel ächzt unter den Abgaben und der Bürokratie der Regierung. Und auch die Energiewende hat nichts mehr mit Vernunft zu tun.

Die Corona-Politik auch nicht?

Nein. Aber da will ich gar nicht erst anfangen, weil ich mich sonst bloß wieder aufregen muss.

In Ordnung. Um die Corona-Pandemie soll es an dieser Stelle ja auch nicht gehen. Letzte Frage: Der CDU-Vorstand hat ziemlich schnell reagiert und ein Parteiausschlussverfahren gegen Max Otte auf den Weg gebracht. Wird es erfolgreich sein?

Ja, natürlich. Und da kann die CDU auch gar nicht anders handeln. Die Nominierung Max Ottes durch die AfD ist ein klar parteischädigendes Verhalten. Jede Partei wäre da aufgerufen, ein Ausschlussverfahren einzuleiten, wenn ein Mitglied so handelt. Und da bin ich mir auch sicher, dass das durchgeht.

Das Gespräch führte Ben Krischke.

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