Markus Söder als Kanzlerkandidat - Mit Steaks an die Macht

Der bayerische Ministerpräsident huldigt dem grünen Zeitgeist. Das tut er allerdings so geschickt, dass kaum ein Zweifel daran bestehen kann: Markus Söder hat das Kanzleramt fest im Blick

Wird Markus Söder der neue Kanzler? / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Immerhin isst Markus Söder noch Steaks. Wer also glaubte, der bayerische Ministerpräsident sei mittlerweile nur noch in grünen Sphären unterwegs und habe deshalb auch dem Fleischkonsum abgeschworen, wurde soeben eines Besseren belehrt. Da postete er nämlich auf seinem Instagram-Account ein ziemlich scharf angebratenes Stück Rind, versehen mit dem Hinweis, sich selbiges „gegönnt“ zu haben. Und weil Söder seine Ernährungsgewohnheiten bestimmt nicht ohne triftigen Grund öffentlich macht (noch dazu mit den Hashtags #bayern #steak #genuss #essen #food #lecker #gesund), ist dies vor allem eine politische Botschaft. So ungefähr nach dem Motto: Auch in Greta-Zeiten lassen wir uns das Grillen nicht verbieten! Die bayerischen Landwirte dürften dieses Signal mit einem gewissen Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben.

Ansonsten gilt aber weiterhin das gesprochene Wort aus Söders Sommerinterview mit der ARD, bei dem er mehr als ein Drittel der Zeit dafür nutzte, um über Klimaschutz und andere umweltpolitische Themen zu sprechen. Auch das war kein Zufall, denn der „Machtmechaniker im besten Sinne des Machiavellismus“, wie ein Parteifreund ihn nennt, hat natürlich den Zeitgeist erkannt. Und der ist mindestens so grün wie Robert Habecks Haare strubbelig sind. Weil letzterer sich inzwischen aber ernsthafte Gedanken über eine Kanzlerkandidatur machen darf, kann das den 52-Jährigen Hausherrn in der bayerischen Staatskanzlei unmöglich ruhig schlafen lassen. Söders ökologische Offensive ist ein klarer Schachzug mit dem Ziel, den Grünen das Wasser abzugraben und sich selbst in Position zu bringen.

Kein blinder Verzichts-Rigorismus

Das wiederum macht der gebürtige Nürnberger sehr geschickt, indem er seine Naturschutz-Agenda explizit so formuliert, dass sie gesellschaftlich und ökonomisch anschlussfähig bleibt: Es dürfe nicht darum gehen, mit Klimaschutz Panik zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten, lauten seine Formulierungen. Vielmehr müsse alles dafür getan werden, um „Forschung und Innovation für saubere Technologien“ voranzubringen, so Söders Ansage. Was natürlich allemal vernünftiger ist als einem blinden Verzichts-Rigorismus zu huldigen, wie ihn teilweise sogar Tagesthemen-Kommentatoren propagieren, die sich vor der Kamera für ihre Lust am abendlichen Barbecue selbst geißeln.

Söder, wie gesagt, postet ein Steak – und sagt im Interview den Satz, wirksamer Klimaschutz bedürfe eines „geschlossenen Konzepts“, das nicht nur „für städtische Eliten funktioniert“. Wobei „städtische Eliten“ als Chiffre für grünwählende Wohlstandsbürger in schicken Metropolen-Kiezen verstanden werden darf. Diese Art von sanftem Populismus ist das Gegenmodell zu jener Haudrauf-Rhetorik, mit der Söders Parteifreund Alexander Dobrindt („Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger“) Anfang vergangenen Jahres vor die Wand gefahren war. Die CSU lernt schnell dazu.

Unbändiger Machtwille

Und Markus Söder sowieso, der sich seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten in einem staatstragend-präsidialen Ton versucht, den der grüne Kollege Winfried Kretschmann aus Stuttgart inzwischen in höchster Vollendung beherrscht. Wenn aber Kretschmann in Baden-Württemberg sogar die Herzen eingefleischter CDU-Wähler zufliegen, warum sollte Söder das nicht umgekehrt auch gelingen? Und weil jeder, der den Franken kennt, auch um dessen unbändigen Machtwillen weiß, ist klar: Der traut sich nicht nur mehr zu, sondern ist jetzt auch im richtigen Alter, um noch andere Funktionen anzustreben. Und wird sich auf diesem Weg auch kaum so ungelenk anstellen wie Manfred Weber bei seinem Versuch, den Stuhl des EU-Kommissionspräsidenten zu ergattern. Im ARD-Interview hat Söder zwar pflichtschuldigst beteuert, seine „Aufgabe in Bayern“ zu haben. Aber was soll er auch anderes sagen? Dass er Bundeskanzler werden will?

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, auch er ein raffinierter Machttechniker, hat schon vor zwei Jahren in einer kleineren Runde darauf gewettet, dass kein anderer als Markus Söder die besten Chancen habe, die Nach-Merkel-Union als Kanzlerkandidat in eine Bundestagswahl zu führen. Dieser Gedanke erschien zum damaligen Zeitpunkt (Söder war bayerischer Finanzminister und hatte noch keine Landtagswahl gewonnen) reichlich grotesk. Inzwischen würden laut einer Emnid-Erhebung immerhin 27 Prozent der Befragten eine Kanzlerkandidatur Söders befürworten. Das mag zwar auf den ersten Blick gering erscheinen, aber im Vergleich zu den Werten von Annegret Kramp-Karrenbauer ist das eben immer noch eine Traum-Quote. Und der bayerische Ministerpräsident steht erst am Anfang seiner Offensive.

Machtmaschine: Unionsparteien 

Tatsächlich wirkt er im Vergleich zur CDU-Chefin wesentlich selbstbewusster. Er versteht es, seine Themen so unmissverständlich zu setzen, dass hinterher kein Zurückrudern nötig ist wie bei der bisher äußerst glücklos agierenden AKK. Sollte sie in ihrer neuen Doppelfunktion als Parteivorsitzende und Verteidigungsministerin nicht bald den richtigen Tritt finden, dürften sich ihre Chancen auf eine Merkel-Nachfolge in Luft auflösen. Denn die Unionsparteien sind Machtmaschinen, keine Selbstverwirklichungsgruppen. Das weiß auch AKK, die ihr Erstvorschlagsrecht für eine Kanzlerkandidatin (oder –kandidaten) entsprechend ausspielen muss. Und womöglich wäre eine Herkunft von der CSU dann sogar von Vorteil: Um auch das konservative Wählerpotential der CDU auszuschöpfen, ist Markus Söder zweifelsfrei der geeignetere Kandidat, als es die Ministerpräsidenten Armin Laschet (NRW) oder Daniel Günther (Schleswig-Holstein) sind – um nur zwei Alternativ-Aspiranten zu nennen.

Eine grüne Grundierung, ohne die heute keine Wahlen mehr zu gewinnen sind, trägt Markus Söder derzeit mit dicken Pinselstrichen hinter seinem Profil auf. Dass er dabei ökonomische und gesellschaftspolitische Vernunft in seinen Farbtopf mithinein rührt, ist ebenso richtig wie konsequent. Denn wenn es noch eine Volkspartei gibt, die diesem Anspruch auch bei Wahlergebnissen gerecht wird, dann ist es am ehesten die CSU. Vielleicht sogar über Bayern hinaus. Ob mit oder ohne Steak.

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