Machtkampf um Kanzlerkandidatur - Die CDU zerstört sich selbst

Heute Nacht hat der Bundesvorstand der CDU abermals getagt. Und sich für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Die Show erinnert an das täglich grüßende Murmeltier. Und die Basis wird so vor den Kopf gestoßen. Eigentlich unvorstellbar, dass die Fraktion das jetzt noch akzeptiert.

Armin Laschet nach der nächtlichen Vorstandssitzung / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Wenn es das jetzt tatsächlich gewesen sein sollte, dann ist der CDU nicht mehr zu helfen. Zumindest nicht dessen Bundesvorstand, der sich heute Nacht noch einmal zusammengefunden hat, um (womöglich final) über die Kanzlerkandidatur zu entscheiden. Das Ergebnis fiel am frühen Dienstag morgen: Nach mehr als sechsstündigen Beratungen stimmten 31 Vorstandsmitglieder für Armin Laschet, neun für Markus Söder, sechs enthielten sich. Mit anderen Worten: Die Kür ging für Laschet klar schlechter aus als am Montag zuvor, als zwar nicht formal abgestimmt worden war, aber das Stimmungsbild immerhin deutlich zugunsten des NRW-Ministerpräsidenten ausfiel.

Halten wir also fest: Vor einer Woche glaubten das CDU-Führungsgremium und der amtierende Parteichef, ein eindeutiges Stimmungsbild erzeugt zu haben. Laschet trat daraufhin selbstbewusst vor die Kameras und gab schon mal den Kanzler in spe. Daraufhin ging sein Konkurrent von der CSU in die Offensive nach dem Motto: Was Vorstand und Präsidium der Christdemokraten beschließen, ist mir herzlich egal, denn was zählt, ist die Stimmung an der Basis. Das war zwar ein erkennbarer Trick mit Bezügen zum Populismus. Aber die CDU ließ sich voll darauf ein.

Klare Präferenz für Söder

Denn eine ganze Woche lang war sie hinterher damit beschäftigt, ein Stimmungsbild in den eigenen Reihen zu erzeugen; von der Bundestagsfraktion bis hin zu Landes- und Kreisverbänden. Das Resultat war (von Nordrhein-Westfalen aus nachvollziehbaren Gründen abgesehen) fast überall das gleiche: Die Mitglieder vor Ort hegen eine klare Präferenz für Markus Söder. Und inzwischen ist wirklich ganz Deutschland darüber informiert, dass die christdemokratische Basis ihren eigenen Vorsitzenden für nicht geeignet hält, um die bevorstehende Bundestagswahl zu gewinnen. 

Am Ende dieses quälenden Erkenntnisprozesses tagt der Vorstand dann ein zweites Mal. Und kürt, mit einem miserablen Abstimmungsergebnis, ausgerechnet jenen Laschet zum Kanzlerkandidaten, den eigentlich keiner will. Und das gilt insbesondere auch für Ministerpräsidenten wie Daniel Günther aus Schleswig-Holstein, der zwar in seinem Bundesland ebenfalls eine Pro-Söder-Stimmung wahrnimmt, aber dennoch für den MP aus NRW gestimmt hat. Wie man mit solch einer kontrafaktischen Personalpolitik Wahlen gewinnen will, bleibt das große Geheimnis.

Natürlich hat Markus Söder die Führungsebene der großen Schwesterpartei durch seinen Unwillen, Laschet als Kanzlerkandidaten klaglos und „ohne Groll“ zu akzeptieren, maximal provoziert. Das Dumme nur: Die CDU hat sich auf dieses Spiel eingelassen und ihren eigenen Vorsitzenden eine Woche lang zerredet. Und zwar in aller Öffentlichkeit. Eigentlich müsste Laschet nach dieser demütigenden Vorstellung verbrannt sein. Denn wer wählt schon jemanden zum Kanzler, von dem bekannt ist, dass seine eigenen Hintersassen ihn nicht als für dieses Amt geeignet erachten? Ein derart hohes Maß an politischer Unprofessionalität hätte man der Christdemokratischen Union bis vor kurzem kaum zugetraut.

Wer soll unter diesen Bedingungen Wahlkampf machen?

Und wer soll eigentlich den Straßenwahlkampf bestreiten, wenn es wirklich auf Laschet hinausläuft? Etwa jene CDU-Mitglieder im ganzen Land, denen man wider besseres Wissen den Mann aus Aachen als Kandidaten aufgedrängt hat, obwohl die die Stimmung an der Basis klar zugunsten Markus Söders war? Das wird so nicht funktionieren, zumal die Grünen mit ihrer frisch gekürten Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock alles tun werden, um die komplette Indisponiertheit der CDU auszunutzen. Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass mit der heutigen Vorstandssitzung das letzte Wort gesprochen sein soll; das würde an politischen Selbstmord grenzen. Und überhaupt: Warum sollte Söder dieses miserable Vorstandsvotum akzeptieren, wo ihm die Strahlkraft dieses Gremiums eine Woche zuvor als zu gering erschien, um Entscheidungen über die Kanzlerkandidatur zu fällen?

Der niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt verbreitete an diesem Montagmorgen auf Social Media folgende Einschätzung der aktuellen Lage: „Die große Mehrheit im Bundesvorstand der CDU hat sich meilenweit von der Wählerschaft und den Mitgliedern der Partei entfernt. Ich frage mich, in welchen abgeschotteten Kreisen sich die Vorstandsmitglieder bewegen. Für mich ein weiterer Grund, auch zukünftig ausschließlich nur auf meine eigene Sicht der Dinge und den Ratschlägen der Menschen aus meinem Landkreis Osterholz und Verden zu vertrauen.“

Mattfeld dürfte mit dieser Haltung nicht allein sein. Wahrscheinlich steht er sogar für die Mehrheit der CDU-Parlamentarier, zumal für jene mit Direktmandat. Das traurige Fazit: Die Union ist auf ihrem selbstzerstörerischen Weg in der Nacht von Montag auf Dienstag ein entscheidendes Stück weitergekommen.

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