Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz - „Auch die Grünen haben Wählerstimmen eingebüßt“

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist die CDU auch für ihre Corona-Politik abgestraft worden, sagt der Meinungsforscher Hermann Binkert. Und verrät, was die Landtagswahlen für die Bundestagswahl im Herbst bedeuten.

Winfried Kretschmann sieht die Grünen als Sieger, doch auch seine Partei hat Stimmen eingebüßt / dpa
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Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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Herr Binkert, Sie leiten das Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere. Haben sich denn Ihre Umfragen für die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg bewahrheitet?

Ja, wer die Umfragen vor der Wahl ernst nahm, den konnten die Ergebnisse nicht überraschen. Diese Wahlen stellten ja eine besondere Herausforderung dar: Wir hatten nicht nur einen Wahltag, also den gestrigen Sonntag, sondern wir hatten ja Wahlwochen.  

Da macht die Briefwahl wahrscheinlich diesmal einen sehr großen Unterschied ...

So ist es. Die meisten Leute hatten schon gewählt, als die Wahllokale aufgemacht haben.

Kommen wir zu den Ergebnissen. Warum hat aus Ihrer Sicht die CDU so schlecht abgeschnitten?

Da gibt's viele Gründe. Die wachsende Unzufriedenheit mit dem Regierungshandeln, also mit dem, was der Union zunächst einen großen Schub brachte. Das Handeln in der Corona-Pandemie entwickelt sich so langsam zum Bumerang. Die Unzufriedenheit mit der Impf- und der Teststrategie führt natürlich dazu, dass man das auch wieder bei der Regierung ablädt, wenn’s nicht so gut läuft. Und das trifft dann auch wieder die Union als führende Regierungspartei.

Wohin sind denn die Wähler der CDU abgewandert?

Sehr viele, wie bei den anderen Parteien auch, in das Lager der Nichtwähler. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt, dass die Wahlbeteiligung in beiden Ländern ja deutlich zurückging. Nicht nur die sonstigen Parteien haben stark zugelegt, sondern auch das Nichtwählerlager ist größer geworden. Was dann interessante Aspekte mit sich bringt, wie zum Beispiel, dass die Grünen in Baden-Württemberg prozentual gewonnen haben, aber wenn Sie auf die Wählerstimmen schauen, dann haben auch die Grünen dort Wählerstimmen eingebüßt.

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Würden Sie das dann auch an der Corona-Politik der Landesregierung festmachen? Auf Bundesebene haben die Grünen ja mit der Corona-Politik der Bundesregierung nichts zu tun.

Wir haben auch abgefragt, wie die Haltung zu den Maßnahmen und auch zum Regierungshandeln in der Corona-Pandemie ist. Und da war die Zufriedenheit mit dem Handeln der beiden Landesregierungen jeweils höher als die Zufriedenheit mit dem Handeln der Bundesregierung.

Interessant, dass dann trotzdem die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen sinkt, oder?

Ja, aber das mag unterschiedliche Ursachen haben, vielleicht auch durchaus Pandemie-bedingte. Es gab möglicherweise auch Leute, die am Wahltag selbst nicht zur Wahl gingen, die aber auch keine Briefwahl machen wollten. Aber das werden wir noch aufarbeiten.

Was bedeuten die Wahlen denn für die Bundestagswahl? Lässt sich daraus schon irgendwas ableiten oder ist es dafür eigentlich noch viel zu früh?

Viele Monate lang galt ja der Satz: Ohne CDU und CSU kann nicht regiert werden. Aktuell ist es immer noch so, dass es nur Regierungsmehrheiten gibt, wenn die Union die Regierung anführt. Aber wir merken, dass auch die Ampelkoalition im Blick auf die Stimmung im Bund zumindest eine parlamentarische Mehrheit in Sichtweite hat. Ich glaube, das verändert schon die Debatte, wenn nicht mehr nur diskutiert wird, mit wem wird die CDU/CSU in Zukunft regieren, sondern auch Optionen für andere Konstellationen da sind.

Das merkt man ja auch an den aufgeregten Debatten im CDU-Präsidium heute, dass die Union langsam nervös wird. Wie würden Sie das denn einschätzen? Hat Armin Laschet oder hat Markus Söder als Kanzlerkandidat bessere Chancen?

Wenn Sie die Zahlen anschauen, ist es eindeutig so, dass Markus Söder der Politiker ist, der deutlich mehr Zuspruch in der Bevölkerung findet. Doch die zentrale Frage wird sein, mit wem an der Spitze die Breite der Union am besten sichtbar wird. Das traue ich auch Armin Laschet zu.

Und wie ist Ihre persönliche Prognose für die nächste Bundesregierung?

Meinungsforscher spiegeln die Stimmung zum Zeitpunkt der Erhebung, aber schauen nicht in eine Glaskugel. Nicht nur die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben deutlich gemacht, dass das Wahljahr 2021 spannender wird, als viele vorher gedacht haben.

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